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Die Kunst der Behördenbriefe

Un addetto alla distribuzione della posta davanti alla sala della Camera del popolo.
Im Bundeshaus in Bern treffen täglich Briefe und E-Mails von Bürgerinnen und Bürgern zu diversen Themen ein. Alle Schreiben werden beantwortet. Keystone

Die Bundesverwaltung erhält täglich Post von Bürgern zu Themen aller Art: Die Palette reicht von Lob und Klagen über die Regierung bis hin zu persönlichen Problemen. Jeder Absender erhält eine Antwort.

Die Anzahl von Briefen und E-Mails, die täglich in der Bundesverwaltung, in den Ministerien und zahlreichen Bundesämtern eingehen, wird statistisch nicht erfasst. Dies gilt auch für den Arbeitsaufwand, um diese Schreiben zu bearbeiten. Sicher ist nur: Täglich gehen eine Menge Schreiben ein, sowohl aus dem Inland als auch von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern.

Allein die Auskunftsstelle der Bundeskanzlei hat in diesem Jahr pro Monat rund 85 Schreiben beantwortet, sagt der stellvertretende Kommunikationschef René Lenzin. Dazu kommen zahlreiche Briefe, die von anderen Verwaltungseinheiten der Bundeskanzlei beantwortet werden. Erstaunlicherweise überwiegt bei dieser Art der Korrespondenz selbst im digitalen Zeitalter immer noch die gute alte Briefpost.

Gemäss geltender Praxis wird auf alle Briefe geantwortet. Ausnahmen von dieser Regel gibt es, wenn es sich um sehr aggressive oder beleidigende Schreiben handelt, oder um offene Briefe, die an unzählige Adressen versandt werden. «Wenn jemand wiederholt zum selben Thema und ohne neue relevante Informationen schreibt, antworten wir nach drei Briefen, dass diese in Zukunft nicht mehr beantwortet werden», hält Lenzin fest.

«Die Bürgerinnen und Bürger machen ihrer Unzufriedenheit Luft.»

Die Sorgen der Bürger ernst nehmen

Die Bundesverwaltung nimmt auf alle Fälle die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. «Im Fall von persönlichen oder rechtlichen Problemen versuchen wir, nützliche Adressen oder Kontakte von Stellen zu vermitteln, wo konkrete Hilfe geboten wird», sagt Lenzin.

Der stellvertretende Kommunikationschef der Bundeskanzlei unterstreicht, diese Haltung sei auch vom direktdemokratischen Politsystem in der Schweiz beeinflusst. Dieses System stehe für einen permanenten Dialog zwischen den Institutionen und dem Volk. «Mit Sicherheit lösen auch die Wahlen und Abstimmungen eine Reihe von Fragen an die Bundeskanzlei aus», so Lenzin.

Politik und Religion

Ein häufiges Thema der Bürgerbriefe betrifft die Politik. Da gibt es Lob und Komplimente. «Doch die Mehrheit der Personen, die schreiben, sind unzufrieden mit der Politik des Bundesrats und des Parlaments. Und sie machen ihrer Unzufriedenheit Luft», präzisiert René Lenzin.

Überraschender als die Politik ist ein anderes Thema, das in den Schreiben häufig präsent ist: die Religion. «So wird beispielsweise mit Hinweis auf die Präambel der Bundesverfassung kritisiert, dass die Schweiz nicht mehr in ausreichendem Mass ein christliches Land sei», erzählt der Kommunikationsstratege aus der Bundeskanzlei.

Die Brückenphilosophie

«Eine gute Kommunikation ist wie ein Brückenschlag. Schlagen Sie mit Ihrem Brief eine Brücke und gehen Sie darauf der Bürgerin und dem Bürger entgegen. Dann wird auch sie oder er auf Sie zukommen:» Dies ist die Philosophie, welche die öffentliche Verwaltung in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern leiten sollte. So ist es im Merkblatt «Behördenbriefe»Externer Link festgehalten.

Das Merkblatt «Behördenbriefe» steht in einer Kurzversion sowie in einer Langfassung allen öffentlichen Verwaltungsinstitutionen zur Verfügung. Es werden eine Reihe von fundamentalen Regeln sowie praktische Tipps und konkrete Beispiele für die Bürgerkommunikation gegeben. Von fundamentaler Bedeutung ist dabei folgender Ratschlag: «Damit Sie Ihr Ziel erreichen, sollte Ihr Brief persönlich, sachgerecht und verständlich sein. Stellen Sie sich deshalb die folgenden drei Fragen: WEM schreibe ich? WAS schreibe ich? WIE schreibe ich?»


(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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