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Die direkte Demokratie im digitalen Zeitalter

Reuters

Die Schweizer Regierung will dereinst die elektronische Stimmabgabe einführen. Die Umstellung auf ein globales E-Voting erfolgt aus Sicherheitsgründen aber nur schrittweise. Vorrang bei der Einführung hat die Fünfte Schweiz.

Die Schweizer Regierung hat keine Zweifel: Nach zehn Jahren an Versuchen und Pilotprojekten ist sie überzeugt, dass die Zukunft der direkten Demokratie in der elektronischen Abstimmung per Mausklick liegt. Die Erwartungen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in Bezug auf die Volksrechte gehen laut Regierung klar in diese Richtung.

«Die Einführung von Vote électronique ist die natürliche und logische Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte im Bereich der Kommunikation und der Abwicklung unterschiedlicher Geschäfte», schreibt der Bundesrat (Exekutive) in seinem dritten Bericht zum E-Voting. Dieser wurde im Juni 2013 publiziert.

Auf Grundlage der Erfahrungen in 13 Kantonen, die bisher an Pilotprojekten teilnahmen, will die Regierung das E-Voting global ausweiten. Auch künftig wird dabei das Motto «Sicherheit vor Tempo» gelten. Das heisst: Die Umsetzung erfolgt schrittweise, in Zusammenarbeit mit den Kantonen, Respektierung der Sicherheitsanforderungen und in Achtung des Föderalismus.

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Fünfte Schweiz als Vorreiterin

Die Bemühungen für eine Ausweitung des E-Votings sollen bei den Auslandschweizern beginnen. Ziel ist es, dass die Mehrheit der Auslandschweizer bei den Eidgenössischen Wahlen von 2015 elektronisch wählen kann. Der Bund empfiehlt Kantonen, welche die elektronische Stimmabgabe neu einführen wollen, im Rahmen der ersten Versuche auch künftig mit den Auslandschweizer Stimmberechtigten zu beginnen.

Zudem hat die Regierung beschlossen, ab nächstem Jahr die Bestimmung aufzuheben, wonach das elektronische Stimm- und Wahlrecht nur Auslandschweizern gewährt wird, die in einem Land niedergelassen sind, welches das Wassenaar-Abkommen zur Übertragung verschlüsselter Daten unterzeichnet hat.

Damit kommt der Bundesrat einer Forderung der Auslandschweizer nach, wie sie in einer Petition der Auslandschweizer-Organisation (ASO) formuliert worden war.

«Wir freuen uns darüber, aber natürlich arbeiten wir darauf hin, dass alle Auslandschweizer vom elektronischen Stimmrecht Gebrauch machen können. Daher sollte das ganze Prozedere schneller gehen. Und wir versuchen die bisher untätigen Kantone zu überzeugen, das E-Voting einzuführen», sagt ASO-Rechtsberaterin Sarah Mastantuoni.

Erste Versuche mit Vote électronique fanden 2003 bei kommunalen Urnengängen im Kanton Genf statt. In den Kantonen Neuenburg und Zürich folgten Versuche im Jahr 2005.

Jeder Kanton verwendet eine eigene Informatik. Zürich und Genf stellen ihre Software anderen Kantonen vertraglich zur Verfügung.

Die Zahl der interessierten Kantone wächst. Mittlerweile haben sich 13 Kantone an Versuchen beteiligt.

Das Genfer Informatiksystem wird von den Kantonen Basel-Stadt, Bern und Luzern genutzt. Die Kantone Freiburg, Graubünden, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau und Thurgau nutzen eine Kopie des Zürcher Informatiksystems.

Bei den Nationalratswahlen von 2011 wurden in den vier Kantonen Basel, Graubünden, Aargau und St. Gallen erstmals Versuche mit E-Voting gemacht.

2011 hat der Kanton Zürich die Arbeit am E-Voting eingefroren, um den Stand der Dinge zu überdenken. Aber 2014 ist eine erneute Teilnahme vorgesehen.

Während Genf und Neuenburg das elektronische Stimmrecht auch der lokalen Bevölkerung einräumen, konzentrieren die anderen Kantone ihre Projekte auf Auslandschweizer.

Im Jahr 2012 wurden rund 90‘000 Schweizer im Inland und 65‘000 Auslandschweizer zu Versuchen mit E-Voting zugelassen.

Immer mehr Kantone machen mit

Einige Kantone sind nicht untätig geblieben. So werden Uri, Obwalden und das Wallis ab nächstem Jahr ihren im Ausland gemeldeten Stimmberechtigten das E-Voting höchstwahrscheinlich ermöglichen. Sie übernehmen dabei das System aus dem Kanton Genf. «Wir arbeiten mit diesen drei Kantonen an den nächsten Schritten», bestätigt Christophe Genoud, Vizekanzler des Kantons Genf.

Zudem sind schon Gespräche in Gang mit weiteren Kantonen, die sich ebenfalls der Genfer Informatik-Plattform  bedienen wollen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt will man die Namen dieser Kantone noch nicht nennen, «weil es noch keinerlei Abkommen gibt», wie Genoud sagt.

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Einige andere Kantone wollen hingegen das Informatiksystem von Zürich nutzen, wie Stefan Langenauer, Chef des Zürcher Statistikamts, erklärt. Auch er hält sich bei den Namen der interessierten Kantone bedeckt.

Zürich selbst wird nächstes Jahr die Versuche mit E-Voting nach einer Pause weiter führen. Andere Kantone, die ihre im Ausland lebenden Bürger die elektronische Stimmabgabe bereits ermöglichen, wollen dieses Mittel auch der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung stellen.

Als Sicherheitsrisiko ortet der Bundesrat beim E-Voting den privaten Computer. Im Bericht heisst es: «Der private Computer gilt als Achillesferse von Vote électronique. Er liegt ausserhalb der behördlichen Kontrolle, und man geht davon aus, dass die meisten Stimmberechtigten grundsätzlich nicht über die erforderlichen technischen Kennt-nisse verfügen, um ihn angemessen zu schützen.»

Die Bundeskanzlei hat bei der ETH Zürich eine Studie in Auftrag gegeben, um dieses Problem zu lösen. Die Ergebnisse werden in den nächsten Monaten erwartet.

«Tragbare Risiken”

Doch ausgerechnet in diesem Moment ist das E-Voting in einigen Kantonen in die Kritik geraten, etwa in den Kantonen Genf und Zürich. Die Kantonalparteien der Grünen und rechtskonservativen SVP haben sogar ein Moratorium verlangt. Ausschlag für diese Forderung gab eine Nachricht von Ende Juli. Ein Informatiker führte auf seinem privaten Computer vor, wie das Programm mit einem Virus attackiert werden kann.

Die Behörden zeigen sich wenig überrascht. «Seit wir vor über 10 Jahren mit den E-Voting-Versuchen begonnen haben, waren wir uns dieser Risiken bewusst. Es handelt sich jedoch um Einzelfälle, die gemäss Expertenmeinung unter bestimmen Bedingungen als tragbar eingestuft wurden. Deswegen wurde die Zahl der Teilnehmenden an den E-Voting-Versuchen in Abhängigkeit zu den potentiellen Risiken festgelegt. Damit konnte man erreichen, dass durch Missbräuche nicht eine ganze Abstimmung gefährdet gewesen wäre», sagt Thomas Abegglen, Vizechef für Information und Kommunikation in der Bundeskanzlei.

Diese Gefahren sind im 3. Bericht des Bundesrats zum Vote électronique klar benannt. Global wird das Gefahrenrisiko bei den jetzigen Systemen und Grenzwerten für die Teilnehmerquote als «tragbar» bezeichnet. Eine Ausweitung des E-Votings wird aber angemessenen Sicherheitsstandards untergeordnet.

Verifizierbarkeit als Muss

Zurzeit dürfen maximal 30 Prozent der kantonalen Wählerschaft an den Versuchen mit E-Voting teilnehmen. Dieser Anteil soll künftig in Kantonen beibehalten werden, welche die bestehenden Softwaresysteme nutzen. Kantone, welche die elektronische Stimmabgabe an die ganze Wählerschaft ausweiten wollen, müssen hingegen eine Software der zweiten Generation benutzen, durch die sich die Stimmabgabe verifizieren lässt.

Im Zentrum der neuen Sicherheitsanforderungen steht somit die Einführung der Verifizierbarkeit. Diese ermöglicht, dass systematische Manipulationen mit genügend grosser Wahrscheinlichkeit rechtzeitig, das heisst vor der Publikation eines Abstimmungs- oder Wahlergebnisses, und unter Wahrung des Stimmgeheimnisses festgestellt werden können. Durch die Verifizierbarkeit lässt sich nachvollziehen, ob die Stimme gemäss Absicht abgegeben, ob sie im Sinn ihrer Abgabe abgelegt und im Sinn ihrer Ablage gezählt wurde.

Angesichts der hohen Kosten der neuen Softwaresysteme können die Kantone in einem ersten Schritt auch mit einer reduzierten Verifizierbarkeit arbeiten. In einer ersten Phase dürften dann nicht mehr als 50 Prozent der Wählerschaft elektronisch abstimmen. Diese Varianten ermöglichen den Kantonen eine Umstellung ohne äusseren Druck.

Bei den politischen Parteien sind die Pläne der Regierung in Bezug auf das E-Voting prinzipiell auf positive Resonanz gestossen. In den Stellungnahmen wird auf die Wichtigkeit der Sicherheitsmassnahmen sowie der Transparenz hingewiesen.

Die SVP zeigt sich in dieser Hinsicht «ziemlich kritisch», wie ihr Generalsekretär Martin Baltisser erklärt. Man sei nicht aus Prinzip gegen das E-Voting, sondern wolle einfach nur vorsichtig sein.

In Bezug auf die Sicherheitsstandards zeigen sich auch die Grünen kritisch. Sie verlangen eine Publikation der Quellcodes.

Die Zusicherungen der Regierung bezüglich der Sicherheitsstandards überzeugen hingegen die FDP, CVP und SP. Die CVP wünscht sich aber eine Beschleunigung des  Vote électronique. Die FDP wünscht sich hingegen eine generelle Ausweitung zur Wahrnehmung der politischen Rechte via Internet.

Die SP verlangt ein Bundesgesetzt, welche allen Auslandschweizer bis 2015 das Recht auf elektronische Stimmabgabe einräumt.

Martin Baltisser erinnert daran, dass die SVP International das E-Voting gerade im Interesse der Auslandschweizer besonders stark unterstützt.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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