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Illustration mit Maia Sandu

Ein kleines neutrales Land am Scheideweg zwischen EU und Russland: Die Republik Moldau

Die Republik Moldau ist seit Februar 2022 in den internationalen Fokus gerückt. Auch die Schweiz engagiert sich für die Demokratiebildung und die Integration von Ukrainer:innen in Moldau.

Die Republik Moldau hat einiges mit der Schweiz gemeinsam: Sie ist ein kleines, neutrales, viersprachiges Binnenland.

Doch diese Gemeinsamkeiten werden von existenziellen Unterschieden überlagert: Die Republik Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas.

Moldau im Fokus der Geopolitik

Der letzte bewaffnete Konflikt ist erst 30 Jahre her – und seit Beginn der russischen Invasion in Moldaus Nachbar Ukraine befindet sich das Land unter dem Brennglas der Geopolitik. Im abtrünnigen De-Facto-Staat Transnistrien, der völkerrechtlich zur Republik Moldau gehört, befinden sich etwa 1700 russische Soldaten an der Westgrenze der Ukraine.

Gleichzeitig hat kein anderer Staat im Verhältnis zu seiner Bevölkerung so viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen wie Moldau. Damit leistet das Land, in dessen Dörfern fliessendes Wasser oft die Ausnahme ist, einiges in der Bewältigung einer Situation, die ganz Europa betrifft.

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Im Oktober 2024 entschied eine Volksabstimmung in der Republik Moldau, dass das Land das Ziel des EU-Beitritts in seine Verfassung aufnimmt. 750’075 Moldauer:innen stimmten dafür, 738’799 waren dagegen. Der Ja-Anteil betrug damit 50,38%.

Das Ergebnis der Abstimmung war knapper, als es die Umfragen im Vorfeld vermuten liessen. Auch in den Präsidentschaftswahlen schnitten pro-russische Kräfte besser ab als erwartet.

Ein Abstimmungskampf über die EU, Russland – und die NATO?

Beim Besuch im Land während des Abstimmungskampfs erlebte SWI swissinfo.ch auch Moldauer:innen, die von einer engen Anbindung an Russland überzeugt waren.

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In der öffentlichen Diskussion wird der EU-Beitritt von einem Anschluss an das westliche Verteidigungsbündnis NATO kaum unterschieden. Ein prorussischer Moldauer sprach offen mit SWI swissinfo.ch und wünschte sich für sein Land ein föderalistisches System – ganz so, wie in der Schweiz.

Einiges deutet daraufhin, dass beim knappen Resultat des EU-Referendums Stimmenkauf eine Rolle spielte. So berichteten am Wahltag, dem 20. Oktober 2024, Journalist:innen der BBCExterner Link über «Beweise des Stimmenkaufs».

Moldaus Präsidentin Maia SanduExterner Link, die zwischenzeitlich wiedergewählt ist, sprach von «einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie». Sie nannte die Zahl von 300’000 gekauften Stimmen.

Gemäss Medien wie der Deutschen WelleExterner Link erhielten Moldauer:innen, die gegen den EU-Beitritt und für einen russlandfreundlichen Kandidaten stimmten, umgerechnet um die 100 Franken aus Russland. Ein Betrag, der im armen Moldau relevant ist – aber auch nicht existenzsichernd.

Moldaus grosse Diaspora

Es war die grosse Moldauer Diaspora, die das EU-Referendum über die Ziellinie brachte und ihm die Ja-Stimmen für eine Mehrheit verschaffte. In vielen westeuropäischen Ländern, auch im Nicht-EU-Land Schweiz, mobilisierten Moldauer:innen für das EU-Referendum.

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Die Republik Moldau bemüht sich um ihre vielen Bürger:innen im Ausland. Es gibt eine Strategie und ein eigenes «Büro für Diaspora-Angelegenheiten». Im Auftrag dieses Büros berät die Schweiz-Moldauerin Valentina Ceban Landsleute, die nach Moldau zurückkehren oder im Land unternehmerisch tätig werden wollen.

Die Rolle der Schweiz in Moldau

Auch die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit hat ein Projekt lanciert, das die Verbindungen der Moldauer:innen im Ausland zu ihrer Heimat stärken soll. Ohnehin gehört die Schweiz laut dem Schweizer Aussenministerium zu den «wichtigsten bilateralen Gebern der Republik Moldau».

Gar ein obligatorisches Schulfach wurde massgeblich durch die Schweiz ermöglicht. Das Fach «Bildung für die Gesellschaft» soll Moldaus Schüler:innen auf ihre Rolle als kritische Bürger:innen in einem demokratischen Staat vorbereiten.

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SWI swissinfo.ch besuchte den Unterricht in einer rumänisch- und einer russischsprachigen Schule. Eine Schulleiterin schilderte eindrücklich, wer sie einst kritisches Denken lehrte: ihr Geschichtslehrer zu Sowjetzeiten. Allerdings hätten damals nur wenige in ihrer Klasse verstanden, dass die Lehrer:innen sie zum kritischen Hinterfragen der gesellschaftlichen und politischen Begebenheiten angeregt hatten.

Doch die Schweiz ist auch Standort veruntreuter Gelder von korrupten ehemaligen moldauischen Machthabern. Am bekanntesten ist der Oligarch Vladimir Plahotniuc. Seine Villa am Genfersee ist im September 2024 beschlagnahmt worden.

Gekauft hatte Plahotniuc, der die Politik im armen Moldau bis 2019 dominierte, die Villa einst für 31,5 Millionen Franken.

Wie sich die Schweizer Regierung um Moldau bemüht

In seiner Analyse für SWI swissinfo.ch befindet der Investigativjournalist François Pilet, dass für die Beziehungen der beiden kleinen neutralen Länder Schweiz und Moldau entscheidend sein wird, wie – neben der Schweizer Diplomatie ­– die Schweizer Justiz agiert.

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In den letzten zwei Jahren fanden vier offizielle Treffen zwischen der Schweiz und Moldau statt. Zudem hat die Schweiz ihre Unterstützung erhöht. Dieses Interesse an Moldau hängt mit der gesteigerten Bedeutung des Landes seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusammen.

Die Republik Moldau ist in den internationalen Fokus gerückt – und wird dort bis auf weiteres bleiben.

Editiert von Mark Livingston

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Benjamin von Wyl

Haben Sie das Gefühl, Desinformation wird eine besondere Gefahr für direkte Demokratien?

Ein ETH-Experte erwartet, dass Desinformation besonders gefährlich ist für Staaten mit vielen Abstimmungen wie die Schweiz.

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