Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Eine Schweizer Ökonomin mittendrin im nordamerikanischen Beziehungsdrama

Eine Frau
Daniela Hauser im Stadtteil Bayward Market in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. SWI swissinfo.ch / Bruno Kaufmann

Wirtschaft und Demokratie sind zwei Seiten einer Medaille. Das hat die Bernerin Daniela Hauser in der kanadischen Hauptstadt Ottawa erfahren, wo sie sich jetzt mit den Plänen des künftigen US-Präsidenten herumschlägt.

«Hier fühlt es sich ein bisschen an wie in Europa», sagt Daniela Hauser beim Gespräch mit SWI swissinfo.ch im lebendigen Byward Market Quartier im Herzen der kanadischen Hauptstadt Ottawa.

Und wie in der Schweizer Bundesstadt Bern, wo sie ursprünglich herkommt, ist die 43 Jahre alte Ökonomin auch in ihrer Wahlheimat am liebsten zu Fuss unterwegs: «Ich liebe es, zu wandern, in Städten ebenso wie draussen in der Wildnis – oder auch im Berner Oberland.»

Externer Inhalt

Dabei ergriff Hauser die «Wanderlust» – ein deutschsprachiger Begriff, der unterdessen auch Eingang in die englische Sprache gefunden hat – schon kurz nach der Wirtschaftsmatura.

Am Berner Neufeld-Gymnasium war ihr Interesse an den grossen Fragen der Ökonomie geweckt worden, gleich jenseits der Sprachgrenze zwischen der deutschen und französischen Schweiz begann sie ein Volkswirtschaftsstudium an der Universität Lausanne.

Unterwegs mit dem Global Democracy Correspondent

In einer Serie von Artikeln besucht der SWI Global Democracy Correspondent Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, die mit ihrem Blick und ihrem aktiven gesellschaftlichen oder politischen Wirken zu einer Brücke zwischen der alten und neuen Heimat werden – an Orten, die nicht im medialen Scheinwerferlicht stehen und demokratiepolitisch vor wichtigen Weichenstellungen stehen.

Geldwirtschaft und Steuerpolitik

Nach einem Aufenthalt in Genf doktorierte Daniela Hauser schliesslich in Barcelona: «Mich interessieren die grossen Linien der Geldwirtschaft und die Bedeutung der Fiskalpolitik», sagt sie, ohne dabei die Freude und das Interesse am Lokalen und Menschlichen zu vergessen.

So engagiert sie sich während ihres Studiums einige Jahre im südamerikanischen Land Ecuador in Kinderschutzprojekten. Als Doktorandin in Barcelona lernt sie ihren Lebenspartner kennen, einen Ökonomen aus Italien.

Eine Frau
Die Schweizer Ökonomin Daniela Hauser vor dem Haupteingang der“Bank of Canada“ in Ottawa, ihrer Arbeitgeberin seit 2013. SWI swissinfo.ch / Bruno Kaufmann

Auf ihrem Weg hat Daniela Hauser mitbekommen und mitgedacht, wie Wirtschaft und Demokratie zwei Seiten einer Medaille sind – und sich gegenseitig beinflussen.

«Für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig sind attraktive und stabile demokratische Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel gesichertes Eigentumsrecht und ein stabiler Rechtsstaat, der die Gesetze objektiv umsetzt», betont sie und nennt die Schweiz als gutes Beispiel für einen dynamischen, demokratischen Staat, der zu einem stabilen Umfeld beiträgt.

Gemäss einer Zusammenstellung des «Varieties of Democracy»-Instituts an der Universität Göteborg trägt eine Stärkung der Demokratie in einem Land auch zur Stärkung der Wirtschaftsleistung bei und haben es umgekehrt Autokratien viel öfter als Demokratien mit negativen Wachstumsraten zu kämpfen.*

Speeddating für Ökonom:innen

Für Daniela Hauser und ihren Mann ging es nach den Studienabschluss in Barcelona direkt auf Jobsuche: Sie wählten dafür die Jahrestagung der «American Economic Association» (AEA), die immer Anfang Jahr in einer US-amerikanischen Grosstadt stattfindet.

Dabei treffen am Rand von Vorlesungen und Workshops Arbeitgebende wie Zentralbanken und Grossfirmen auf ambitionierte Jobsuchende, frisch von den renommiertesten Wirtschaftsuniversitäten der Welt.

«Wir hatten verschiedene Angebote und entschieden uns für das Abenteuer Kanada», erzählt Hauser. Ihr Leben, so räumt sie freimütig ein, ist von drei Dingen geprägt: Neugier, Effizienz und Zielstrebigkeit.

Das damalige Doppel-Angebot der kanadischen Zentralbank hatte zudem einen grossen Vorteil: «Hier können wir unsere beruflichen und privaten Ambitionen unter ein Dach bringen».

Seit ihrer ersten AEA-Teilnahme 2013 gehört das Paar zum festen Teilnehmer:innen-Kreis der gemäss Hauser «bedeutendsten globalen Jobmesse für Ökonom:innen»: unterdessen aber als Arbeitgeberin auf der Suche nach neuen Talenten.

Ein Plakat
Kanada ist der wichtigste Handelspartner der USA – und umgekehrt. 60% der Importe fossiler Energien in die USA kommen aus Kanada. SWI swissinfo.ch / Bruno Kaufmann

Während Hausers Ehemann bei der «Bank of Canada» die Forschungsabteilung für nationale Wirtschaftsanalysen leitet, koordiniert sie das internationale Team: «Wir evaluieren verschiedene Szenarien für die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA».

Mit dieser Rolle steht die Berner Ökonomin derzeit mittendrin im nordamerikanischen Beziehungsdrama: Dies, nachdem der designierte US-Präsident Donald Trump Ende November bekanntgab, die Zölle auf Importe aus Nachbarstaaten wie Mexiko im Süden und Kanada im Norden am ersten Tag seiner Amtszeit auf 25% erhöhen zu wollen.

«Kanada als Nicht-USA»

Als Grund für solche Strafzölle gab Trump eine «Invasion von Drogen und illegalen Fremden über die lächerlich offenen Grenzen» an.

Was genau Kanada tun muss, um solche Abgaben zu verhindern, bleibt jedoch unklar, selbst wenn der kanadische Premierminister Justin Trudeau Trump schon bald danach zu einer Aussprache an dessen Wohnsitz in Florida traf.

Für Aufsehen sorgte hingegen die vorgebrachte Idee Trumps, Kanada als 51. Bundesstaat einverleiben zu wollen.

Das kommt in Kanada nicht gut an: «Bei allen Gemeinsamkeiten mit den USA definieren wir uns hier in Kanada gerne in Abgrenzung zum Nachbarn im Süden, sozusagen als Nicht-USA», hält Hauser fest, die seit 2021 neben ihrer Schweizer Staatsbürgerschaft auch kanadische Bürgerin ist.

«Dafür musste ich unter anderem einen Online-Test zur kanadischen Geografie und Geschichte machen.»

Wie die Schweiz, so bereitet sich nun auch Kanada intensiv auf die zweite Präsidentschaft von Donald Trump vor.

Mehr
Donald Trump an einer Rede

Mehr

Wie kann sich die Schweiz auf Trump 2.0 vorbereiten?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Donald Trumps zweite Amtszeit bringt eine isolationistische und unberechenbare Aussenpolitik. Was heisst das für die Schweiz?

Mehr Wie kann sich die Schweiz auf Trump 2.0 vorbereiten?

Für Daniela Hauser ist es wichtig, nach langen Tagen in Sitzungen und am Computer voller Wirtschaftszahlen und möglichen Szenarien den Kopf zu lüften und neue Impulse zu bekommen.

«Die grossartige Natur erdet mich, und das tut sehr gut mit Blick auf die grossen Fragen der Demokratie, Wirtschaft und Weltpolitik, mit denen ich mich befasse.»

Zudem versteht sich die Berner Ökonomin in Ottawa trotz ihrer kanadischen Gegenwart, Rolle und Identität immer noch dezidiert als “Schweizer“ Ökonomin.

Schweizer Netzwerk mit globaler Ausstrahlung

Entsprechend engagiert sie sich im Netzwerk «Schweizer Ökonomen im Ausland». Dieses wurde 2006 gebildet und zählt heute gut 200 Mitglieder aus der ganzen Welt.

Finanziell unterstützt durch die Nationalbank, kommt das Netzwerk einmal im Jahr in der Schweiz zu einem Austausch zusammen: nächstens im Dezember an der Universität Luzern.

«Viele der Schweizer Ökonominnen und Ökonomen, die weltweit in verschiedenen Institutionen und an Universitäten arbeiten, sind sehr einflussreich», sagt Aline Bütikofer zu SWI swissinfo.ch, die das Netzwerk koordiniert und als Professorin für Arbeitsmarktökonomie an der Wirtschaftsuniversität im norwegischen Bergen wirkt.

Aus Sicht Bütikofers tragen zwei «typische» Eigenschaften zum Erfolg von Schweizer Ökonominnen und Ökonomen in der Welt bei: Leistungsbereitschaft und Fleiss. Im Fall von Daniela Hauser kommen noch mindestens drei hinzu: Neugier, Effizienz und Zielstrebigkeit.

*The Case for Democracy Report (2022)Externer Link. Varieties of Democracy Institute. University of Gothenburg.

Editiert von Mark Livingston

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft