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Initiative will Sprachendebatte aufmischen

Viele deutschsprachige Kantone ziehen es vor, zuerst Englisch zu unterrichten. Keystone

Wird der Kanton Zürich den umstrittenen Entscheid fällen, in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache zu unterrichten, wie es der Kanton Thurgau auch will? Und wenn ja, wäre die Sprache Französisch oder Englisch?

«Wir haben festgestellt, dass es den meisten Primarschülern nur wenig bringt, wenn sie zwei Fremdsprachen lernen müssen. Pro Sprache, für Englisch und für Französisch, gibt es pro Woche nur zwei Lektionen, und dass ist zu wenig intensiv, um eine Sprache wirklich zu lernen», sagt der ehemalige Zürcher Kantonspolitiker Hanspeter Amstutz gegenüber swissinfo.ch.

Amstutz gehört zu den treibenden Kräften hinter einer kantonalen Volksinitiative, die verlangt, dass an den Primarschulen im Kanton Zürich nur noch eine Fremdsprache unterrichtet wird.

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Das Minenfeld der Schweizer Mehrsprachigkeit

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDKExterner Link) hatte das Gefühl, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. In einem Kompromiss gab sie den Kantonen die Entscheidungsfreiheit, mit welcher von zwei Fremdsprachen – eine zweite Landessprache oder Englisch – sie in der Primarschule anfangen möchten. Doch kaum war das Interkantonale Konkordat «Harmos»Externer Link 2009 in…

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Das Volksbegehren fällt in eine Zeit, in der in der deutschsprachigen Schweiz vermehrt über die Frage gestritten wird, wie viele Sprachen junge Schülerinnen und Schüler lernen sollten. Zusätzlich für Emotionen sorgt die Frage, ob das internationale Englisch der Landessprache Französisch vorgezogen werden sollte, die bisher aus Gründen des Zusammenhalts im Lande traditionell unterrichtet wird.

Amstutz, der früher selber Lehrer war, erklärt, die besten Schülerinnen und Schüler schafften es, zwei Sprachen zu lernen, aber eine Mehrheit der Kinder habe zu kämpfen. Das Ganze sei auch eine Belastung für Lehrer und Lehrerinnen. Zudem litten andere Schulfächer, weil sie in den Hintergrund gedrängt würden und nicht genug Aufmerksamkeit erhielten, argumentiert er.

Zurzeit lernen Schüler und Schülerinnen im Kanton Zürich ab dem Alter von 7 Jahren Englisch, und ab 11 Jahren Französisch. Die Initiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache an der Primarschule»Externer Link streite nicht ab, dass im Verlauf einer Schulkarriere zwei Fremdsprachen gelernt werden sollten, fügt Amstutz hinzu, es gehe nur darum, wann dies geschehen sollte.

Er und andere Unterstützer der Initiative, zu denen verschiedene kantonale Lehrkräfte-VerbändeExterner Link gehören, sagen, wenn ein Kind in der Primarschule sorgfältig in eine Fremdsprache eingeführt werde, könne es eine zweite Fremdsprache in der Sekundarschule schneller lernen, als wenn zwei Fremdsprachen in der Primarschule eingeführt würden.

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Der Initiativtext legt jedoch nicht fest, welche Fremdsprache in der Primarschule unterrichtet werden sollte.

Warum eine Volksinitiative?

Doch weshalb braucht es eine Volksinitiative? Wird die Anzahl von Fremdsprachen, die in der Primarschule unterrichtet werden, verändert – normalerweise ein vom kantonalen BildungsratExterner Link gefällter Entscheid – muss das Kantonsrecht angepasst werden. Und mit einer Volksinitiative kann kantonales Recht hinterfragt werden.

«Wir waren einfach der Ansicht, dass die Bildungspolitik sich nicht mehr bewegt, und dass das ganze Thema des Fremdsprachenunterrichts zu einer Prestigefrage für Bildungspolitiker geworden ist, einschliesslich der kantonalen Erziehungsdirektoren… Wir denken, dass es eine politische Diskussion braucht, und wir wollten unseren Gegnern einen ‹Hosenlupf› verpassen, wie man es vom Schwingen her kennt», sagt Amstutz.

Die Initiative wurde am 26. Februar mit 9270 Unterschriften bei der kantonalen Justizbehörde eingereicht, mindestens 6000 braucht esExterner Link. Mitte April wurde offiziell bestätigt, dass die Initiative zustande gekommenExterner Link ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Stimmberechtigten des Kantons Zürich an der Urne zu dem Thema äussern können werden. Im November 2006 war eine ähnliche Initiative mit 59% der Stimmen abgelehnt worden.

Amstutz denkt, dieses Mal sei die Situation anders, «weil wir heute auf neun, zehn Jahre Erfahrung zurückblicken und die Leute desillusioniert sind».

Anders sieht es Martin Wendelspiess, ehemaliger Chef des kantonalen VolksschulamtsExterner Link. Er ist überzeugt, dass die aktuelle Lösung mit den beiden Fremdsprachen die Richtige ist.

«Wir sind überzeugt, dass die meisten Kinder davon profitieren. Dass einzelne Kinder überfordert sind, kann man von jedem Schulfach sagen. Gewisse Kinder sind von Sportlektionen überfordert, doch deshalb streichen wir dieses Fach auch nicht einfach», erklärte er in einem Interview kurz vor seiner Pensionierung Ende Mai.

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«Wir sind auch überzeugt, dass die Landesregierung eine zentralisierte Lösung erlassen wird, wenn sich die Kantone nicht zu einer Einigung durchringen können», sagte Wendelspiess im Interview weiter.

Französisch oder Englisch – oder beides?

Das ist eine zentrale Frage. Auch in anderen deutschsprachigen Kantonen wie Thurgau, Luzern und Graubünden gibt es seit längerem teils heftige Diskussionen darüber, ob man an Primarschulen eine oder zwei Fremdsprachen unterrichten soll, und welche die erste sein soll.

Der Kanton Thurgau scherte aus und entschied, ab Mitte 2018 an der Primarschule nur noch Englisch zu unterrichten, und Französisch nur in der Sekundarschule.Externer Link Das löste in den französischsprachigen Kantonen empörte Reaktionen aus. Sie werfen dem Thurgau vor, er schade dem Zusammenhalt der Schweiz, indem er das internationale Englisch einer Schweizer Landessprache vorziehe.

Während Jahrzehnten war Französisch in den deutschsprachigen Schulen automatisch die erste Fremdsprache im Unterricht. In den Schulen der Romandie wird Deutsch auch heute noch als erste Fremdsprache unterrichtet.

Heute gibt es in der Deutschschweiz einen «typischen Schweizer Kompromiss», wie Wendelspiess erklärte. «Die Kantone in der Zentral- und Ostschweiz beginnen mit Englisch, später folgt Französisch, und die Kantone, die an französischsprachige Kantone angrenzen, beginnen mit Französisch, erst danach kommt Englisch.»

Laut der Bundesverfassung liegt die Verantwortung für die Primarschule bei den Kantonen, zudem müssen die Kantone ihre Schulsysteme harmonisieren. Wenn das nicht geschehe, könnte die Landesregierung einschreiten und eine Bundeslösung verfügen, erklärte Wendelspiess.

Innenminister Alain BersetExterner Link hat bereits signalisiert, dass er bereit wäre, einzugreifen, falls Französisch aus dem Lehrplan der Primarstufe gestrichen würde.

Die umstrittene Natur der Frage, welche Sprache zuerst unterrichtet werden soll, ist der Grund, weshalb dieser Entscheid in der Zürcher Initiative dem kantonalen Bildungsrat überlassen wurde. Amstutz würde Französisch vorziehen, weil die Kinder über Musik und Computer später dem Englischen stärker ausgesetzt seien, was das Lernen der Sprache leichter mache.

Wendelspiess sagte, Englisch sei bei Eltern und Kindern im Kanton bei weitem die bevorzugte Wahl.

Wie auch immer, zuerst muss sich nun die Kantonsregierung mit der Initiative befassen und entscheiden, ob sie diese zur Annahme oder Ablehnung empfehlen will, bevor das Begehren ins Kantonsparlament kommt. Bevor es zu einer Abstimmung kommt, könnten noch gut zwei Jahre vergehen, sagte Wendelspiess.

Die Sprachendebatte in Zürich – und in anderen Kantonen – wird also vorerst weitergehen.

Blick auf andere Kantone

Auch in anderen Kantonen gibt es Bemühungen, auf Primarschulstufe nur noch eine Fremdsprache zu unterrichten.

In Luzern erklärte die Regierung eine ähnliche Initiative wie jene im Kanton Zürich als ungültig, das Parlament stufte sie als gültig ein. In Graubünden zogen die Unterstützer einer Fremdsprachen-Initiative den Entscheid des Kantonsparlaments, welches das Volksbegehren für ungültig erklärt hatte, im Mai vor das kantonale Verwaltungsgericht und bekamen Recht. Was als nächstes passieren wird, ist noch nicht klar.

Das Thema sorgt oder sorgte auch in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Schaffhausen und St. Gallen für Diskussionen.

Im Kanton Nidwalden in der Innerschweiz wurde eine Initiative, die verlangt hatte, dass in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden solle, an der Urne 2015 klar verworfen.

Eine von der Zentralschweizer Bildungsdirektoren-Konferenz in Auftrag gegebene Studie kam zum Schluss, dass Primarschüler gut Englisch lernen, dass sie jedoch im Alter von 14 Jahren (Ende der 8. Klasse) beim Französisch Defizite haben. Die Erziehungsdirektoren entschieden aber, dennoch am Frühfranzösisch festhalten zu wollen; eine Arbeitsgruppe klärt nun ab, mit welchen Massnahmen Verbesserungen erreicht werden sollen.

Können zwei Fremdsprachen in der Primarschule effizient unterrichtet werden? Welcher Meinung sind Sie?

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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