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Erstmals wurde ein Abstimmungsergebnis anulliert

Das Bundesgericht kippt erstmals einen nationalen Volksentscheid. Eine Abstimmungsbeschwerde der CVP zur Vorlage über die Heiratsstrafe wurde gutgeheissen. Eine Analyse.

Das Schweizer Politsystem wird mit dem heutigen Urteil auf die Probe gestellt. Dass eine nationale Volksabstimmung für ungültig erklärt wird – mit einer solchen Zäsur war die direkte Demokratie noch nie konfrontiert.

Was war passiert? Der Bundesrat hatte vor der Abstimmung zur Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» falsch informiert. Von 80’000 betroffenen Doppelverdiener-Ehepaaren war die Rede. Diese 80’000 Paare sollen also mindestens 10 Prozent Bundessteuern mehr bezahlt haben, als wenn sie unverheiratet gewesen wären.

Das war vor der Abstimmung vom 18. Februar 2016. Bei der Abstimmung gab es ein Ständemehr für die Initiative, aber kein Volksmehr: Der Nein-Anteil betrug 50.8 Prozent. Im Juni 2018 musste der Bundesrat Fehler einräumen: Nicht 80’000, sondern 454’000 Doppelverdiener-Ehepaare leiden unter der Heiratsstrafe. Und auch diese Zahl dürfte nicht der Wahrheit entsprochen haben. Dem Bund fehlt die Datengrundlage dazu.

Auch USR II wurde zum Gerichtsfall

Die direkte Demokratie funktioniert nur, solange eine freie Meinungsbildung möglich ist. Zuletzt wurde das Vertrauen der Stimmbürger über die Informationen der Behörden jedoch in Mitleidenschaft gezogen. Der aufsehenerregendste Fall war aber die Unternehmenssteuerreform II, über die am 10. April 2008 abgestimmt worden war.

Der Bund sprach von kurzfristigen Mindereinnahmen von 40 Millionen Franken für den Bund und von Einbussen von 350 bis 500 Millionen für die Kantone. Drei Jahre nach der Abstimmung korrigierte der Bund: Die Verluste für Kantone, Gemeinden und Bund wurden auf 4 bis 6 Milliarden Franken beziffert.

Auch dieser Fall gelangte vor Bundesgericht. Dieses rügte bedeutende Fehler: «Es war den Stimmberechtigten nicht möglich, sich eine zuverlässige und sachgerechte Meinung zu bilden». Die Beschwerden wurden von den Bundesrichtern in Lausanne nur deshalb nicht gutgeheissen, weil eine Aufhebung der Abstimmung gegen Treu und Glauben verstossen hätte. Die Firmen hätten in den drei Jahren nach der Abstimmung die nötigen Dispositionen getroffen, es gehe deshalb um Rechtssicherheit.

Gewinn für Glaubwürdigkeit des Politsystems

Im Fall der Heiratsstrafe stellt sich die Frage der Rechtssicherheit nicht, da es nach der Abstimmung vom Februar 2016 keine weitreichenden Folgen gab. Es sei zudem «schockierend», dass die Zahl von 80’000 nicht angepasst wurde, obwohl der Bundesrat gewusst habe, dass sie veraltet und falsch gewesen sei, sagte ein Bundesrichter. Die Verletzung der Abstimmungsfreiheit wiege schwer, entschied das Bundesgericht und hiess die CVP-Beschwerden mit 4:1 gut.

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Im Fall der CVP-Initiative werden nicht alle über die Wiederholung der Abstimmung jubeln. Die CVP wollte mit der Initiative zugleich in der Verfassung verankern, dass eine Ehe eine «auf Dauer aufgelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau» sein soll. Dagegen wehrten sich die Verfechter von Homoehen.

Die falschen Informationen sind deshalb eine Zumutung für die Sieger der damaligen Abstimmung. Gewonnen hat hingegen die Glaubwürdigkeit des Schweizer Politsystems – denn Abstimmungsinformationen müssen glaubwürdig sein in einer direkten Demokratie.

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