Internationale öffentliche Medien in Demokratien sind gefährdet

Während immer mehr westliche Länder die Finanzierung ihrer internationalen öffentlichen Medien herunterfahren, stärkt dies autoritären Regimes den Rücken. Diese Medien könnten aber weiterhin eine Rolle im Informationskrieg spielen, meinen einige Experten.
Amerikas Stimme in der Welt droht zu verstummen. Mitte März beschloss US-Präsident Donald Trump, die Finanzierung der «U.S. Agency for Global Media»Externer Link einzustellen, zu der Voice of America, Radio Free Europe und Radio Free Asia gehören.
Zwar wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet, um die Auflösung zu verhindern. Sollte dies jedoch scheitern, würden Millionen von Menschen in Ländern mit eingeschränktem Zugang zu Informationen eine verlässliche Informationsquelle per Radio, TV oder Internet verlieren.
«Aus geopolitischer Sicht ist das eine grosse Dummheit. Die USA berauben sich damit eines wichtigen Einflussinstruments zur Verteidigung der Meinungsfreiheit», sagt Tristan Mattelart, Professor für internationale Kommunikation an der Universität Paris Panthéon-Assas.
Er betont, dass diese Medien gerade in jenen Ländern eine wichtige Rolle spielen, in denen autoritäre Regimes die Informationen kontrollieren.
Der Abbau in westlichen Ländern
Nicht nur in den USA, auch in anderen westlichen Ländern stehen die internationalen Nachrichtensender unter Druck.
«In den letzten Jahren haben mehrere liberale Demokratien die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien überdacht oder gekürzt – namentlich jener, die das Ausland ansprechen», sagt Colin Porlezza, Direktor des Instituts für Medien und Journalismus der Università della Svizzera italiana.
Der internationale Dienst der BBC in Grossbritannien hat beispielsweise in den letzten 15 Jahren zahlreiche Kürzungen hinnehmen müssen.
Unlängst kündigte er erneut den Abbau von 130 Stellen im Rahmen eines SparplansExterner Link an, mit dem das Budget um rund 6 Millionen Pfund (6,5 Millionen Franken) gekürzt werden soll.
«Trotz seiner historischen Rolle als Eckpfeiler der britischen Soft Power steht der BBC World Service unter erheblichem Budgetdruck», sagt Porlezza.

Auch in Frankreich wurden die Mittel für die audiovisuelle internationale Berichterstattung in den letzten Jahren um mehrere Millionen Euro gekürztExterner Link.
«In Finnland, den Niederlanden, Belgien und Slowenien waren die öffentlich-rechtlichen internationalen Medien ebenfalls mit Sparmassnahmen konfrontiert», zählt Porlezza auf.
Und die Schweiz kann sich diesem Trend auch nicht entziehen: Im Rahmen eines Sparpakets, das derzeit geprüft wird, will die Regierung ihren Beitrag von 19 Millionen Franken an das Auslandangebot der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) streichenExterner Link.
Dieses Angebot umfasst SWI swissinfo.ch, die italienischsprachige Website tvsvizzera.it sowie die Zusammenarbeit mit den internationalen Fernsehsendern TV5 Monde und 3Sat.
Autoritäre Länder stärken ihre Sender
In autoritär regierten Ländern ist dagegen ein gegenläufiger Trend zu beobachten. «Seit Anfang der 2000er-Jahre bauen Russland, China, aber auch der Iran, ihre audiovisuellen Verbreitungskanäle vor allem in Afrika und Lateinamerika aus», sagt Mattelart.
Als Beispiele nennt er die Gründung der russischen Propagandasender RT und Sputnik sowie den Aufbau internationaler Fernsehsender durch China mit Investitionen in Milliardenhöhe.
«Es besteht ein starker Kontrast zwischen den schwierigen Budgetverhandlungen, denen sich der internationale öffentlich-rechtliche Rundfunk in den USA und Westeuropa stellen muss, und den umfangreichen Finanzierungen, von denen die internationalen staatlichen Medien Russlands oder Chinas profitieren», stellt er fest.
Diese Ausweitung ihrer internationalen Medienpräsenz hat laut Porlezza «zu Formen der Medienaneignung geführt. In einem solchen Fall funktionieren die internationalen öffentlichen Medien nicht mehr unabhängig, sondern werden von staatlichen Interessen kontrolliert».
Nützlichkeit in Frage gestellt
Mattelart ist der Meinung, dass die internationalen öffentlich-rechtlichen Medien in den westlichen Ländern seit Jahrzehnten vor allem unter der Budgetdisziplin leiden.
Er weist darauf hin, dass in den USA Voice of America oder Radio Free Europe bereits seit dem Ende des Kalten Kriegs sparen mussten.
«Der Schock der Anschläge vom 11. September 2001 hat jedoch die Finanzierung neuer Medien in der arabischen Welt ermöglicht», fügt der Professor für Internationale Kommunikation hinzu.
Neben den finanziellen Fragen wird auch der Nutzen dieser Plattformen in Frage gestellt. «Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden sie von den Staaten als wichtige Instrumente der Soft Power betrachtet. Das war besonders während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs der Fall», sagt Andrew Robotham, Forscher und Dozent an der Akademie für Journalismus und Medien in Neuenburg.

Die meisten internationalen Nachrichtendienste entstanden in den 1930er-Jahren als Radiosender, die auf Kurzwelle sendeten.
Damals war die Kurzwelle – die Bezeichnung ist irreführend – die einzige Technologie, die es ermöglichte, bis ans andere Ende der Welt zu senden.
So wurde 1938 der Schweizerische Kurzwellendienst oder KWD gegründet, aus dem später Schweizer Radio International wurde und der heute SWI swissinfo.ch heisst.
Die Idee war, auf die Propaganda des nationalsozialistischen Deutschlands oder des faschistischen Italiens zu reagieren, wie die Historikerin Raphaëlle Ruppen Coutaz in ihrem Buch «La voix de la Suisse à l’étranger» (Die Stimme der Schweiz im Ausland) schreibt.
Da die Schweiz nicht in den Konflikt involviert war, fanden die Nachrichten des KWD grosse Beachtung. «Er hat sich international Respekt für seine neutrale Berichterstattung erworben und wurde zu einer seltenen ‹freien Stimme› in einem von autoritären Regimes beherrschten Europa», sagt Medienexperte Porlezza.
Die Staaten setzen heute auf andere Kanäle
Für Robotham ist das goldene Zeitalter dieser internationalen Nachrichtendienste jedoch vorbei. Er beobachtet, dass Regierungen heute andere Kanäle bevorzugen, um sich im Ausland Gehör zu verschaffen.
«Staaten nutzen zunehmend soziale Netzwerke oder institutionelle Kommunikation. So können sie auf teure und kritische Journalistinnen und Journalisten verzichten», sagt er.
In der Schweiz zum Beispiel setzt die Landesregierung unter anderem auf Präsenz SchweizExterner Link, um das Image des Landes im Ausland zu fördern.
«Aus Sicht der Regierung hat diese Art der Kommunikation den Vorteil, dass sie massgeschneidert ist», sagt Robotham.
Er betont, dass das Umfeld für internationale Informationsplattformen ungünstig ist. «Einerseits wird die Finanzierung des öffentlichen Diensts überall angegriffen. Andererseits herrscht ein Klima des Misstrauens gegenüber der traditionellen Presse und Medienschaffenden», beobachtet er.
Der Forscher der Universität Neuenburg ist besorgt über die Zukunft der internationalen öffentlich-rechtlichen Medien in den westlichen Demokratien.
«Es ist schon schwierig genug, die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien aufrechtzuerhalten, deshalb sehe ich nicht, wie die Auslanddienste in ihrer jetzigen Form überleben können, trotz ihrer hervorragenden Qualität.»
Robotham hat jedoch einen Hoffnungsschimmer: «Vielleicht führen die Ereignisse in den USA zu einem Umdenken in Bezug auf die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Auslanddienste.»
Mattelart, der Experte für internationale Kommunikation, ist optimistischer. «Diese Medien zeigen ihre Nützlichkeit in Zeiten grosser Spannungen, um den Medienpluralismus in bestimmten autoritären Kontexten zu gewährleisten.»
Seiner Meinung nach könnten sie daher eine wichtige Rolle im Informationskrieg zwischen demokratischen Ländern und autoritären Regimes spielen. «Solange es autoritäre Regimes gibt, wird ihre Rolle bestehen bleiben.»
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Editiert von Pauline Turuban, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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