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Darum ist die Abstimmung in Moutier historisch

Szene wie aus einem Bürgerkrieg: Grenadiere der Berner Kantonspolizei gehen 1977 in Moutier gegen Separatisten vor.
Umkämpftes Moutier oder Szene wie aus einem Bürgerkrieg: Grenadiere der Berner Kantonspolizei gehen 1977 gegen Separatisten vor. Keystone

Das Rezept heisst reden und abstimmen. Wieso der Urnengang um Moutier, an dem sich 3997 Stimmbürger beteiligten, historisch ist? Er beendet einen über 200-jährigen Sezessions-Konflikt ­– demokratisch.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

1815 wars, als die Jurafrage ihren Anfang nahm: Am Wiener KongressExterner Link wurde das Gebiet des Juras vom Bistum Basel gelöst und neu dem Kanton BernExterner Link zugeschlagen. Mit einem Schlag fanden sich die Jurassier als französischsprachige, katholische und arme Minderheit von einer Berner Mehrheit dominiert, die Deutsch sprach sowie protestantisch und viel reicher war. Mit dieser Dominanz wollten sich die Jurassier aber nicht abfinden und strebten die Loslösung von Bern an.Externer Link

Im Verlauf der Sezessionsbemühungen schreckten die Autonomisten auch vor Gewalt-Eskalationen nicht zurück. Doch statt in einen Bürgerkrieg zu münden, wie dies bei Autonomiekämpfen etwa in Nordirland, im Baskenland oder Sri Lanka der Fall war, wurde der Prozess am Verhandlungstisch besprochen und an der Abstimmungsurne Schritt für Schritt abgesichert. So endete es friedlich und mit dem Sieg der jurassischen Minderheit über die ungeliebte bernische Mehrheit.  

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Gesichter der Demokratie

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Es sind immer Menschen, die Geschichte schreiben. Und es sind viele Menschen, wenn eine Demokratie wie in Moutier Geschichte schreibt.

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Die wichtigsten Stationen des Jurakonflikts zeigen, dass der Weg aus den Eskalationen immer in demokratischen Massnahmen bestand – auf sämtlichen Ebenen: Abgestimmt wurde lokal, kantonal, regional und landesweit.

1815 Ausgangspunkt: Der Wiener Kongress gibt den Jura dem Kanton Bern. Die jurassische Bevölkerung fühlt sich diesem kulturell fremd.

1947 Eskalation:Das Parlament des Kantons Bern verweigert einem bern-jurassischen und französischsprachigen Mitglied der Kantonsregierung die Übernahme der Baudirektion.Externer Link Die Jurassier fühlen sich gedemütigt und gründen im selben Jahr eine Separatistenbewegung.

1950 demokratische Gegenmassnahme: Eine kantonale Abstimmung wird abgehalten. Das Stimmvolk des Kantons Bern sagt Ja zu einer Verfassungsänderung. Französisch wird zweite Amtssprache, die jurassischen Bezirke erhalten zwei garantierte Sitze in der Kantonsregierung.

1972 Eskalation: Eine separatistische Untergrundbewegung sprengt ein Munitionsdepot der Schweizer Armee in die Luft.

1974 demokratische Gegenmassnahmen:

1.  Regionale Abstimmungen («Jura-Plebiszite») werden abgehalten: Die jurassische Bevölkerung entscheidet sich für einen eigenen Kanton.

2.  1978 wird eine nationale Abstimmung abgehalten: Das Schweizer Stimmvolk spricht sich mit über 80% Ja für die Gründung eines neuen Kantons «Jura» aus.

1984 Eskalation: Separatisten stürzen im Jura ein Denkmal des unbekannten Soldaten, das an den Einsatz der Schweizer Wehrmänner während des Ersten Weltkrieges erinnerte.

1986 Eskalation: Separatisten stürzen in Bern den historischen Gerechtigkeitsbrunnen.

1989 demokratische Gegenmassnahmen: Eine regionale Abstimmung wird abgehalten: Das Laufental entscheidet sich für den Wechsel vom Kanton Bern zu Basel-Landschaft.

1993 Eskalation: Ein junger Separatist stirbt in der Berner Altstadt bei der Explosion eines mitgeführten Sprengsatzes in seinem Auto.

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1994 Deeskalation und Konfliktmanagement: Unter der Ägide des Bundesrates unterzeichnen die Kantone Jura und Bern die Gründung der Interjurassischen Versammlung. Eine Roadmap zur Lösung der Jurafrage wird erstellt und von beiden Konfliktparteien als verbindlich akzeptiert.

Ab 1996 weitere demokratische Massnahmen:

1.  kommunale Abstimmung: Die Gemeinde Vellerat wechselt vom Kanton Bern zum Kanton Jura.

2.  2013 lokale und kantonale Abstimmung über den Beitritt des Berner Juras zum Kanton Jura. Berner Jura: Knapp 72% der Stimmenden sagen Nein zum Wechsel. Kanton Jura: über 76% Ja zum Übertritt. Im bernischen Moutier sagten 55% Ja zur Vereinigung des bernischen Südjura mit dem Kanton Jura.

3. 2017, kommunale Abstimmung Moutier: 51,2% sagen Ja zum Wechsel vom Kanton Bern zum Kanton Jura – nach über 200 Jahren ist die Jurafrage gelöst.

Formeller Abschluss: Kantonale Abstimmungen: Bern und Jura müssen den Wechsel Moutiers noch in Volksabstimmungen gutheissen. Als letztes ist das Plazet des Schweizer Parlaments nötig.


Der Autor auf Twitter: @RenatKuenziExterner Link



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