«Neue Form der Demokratie in meinem Land wäre grossartig!»
Vermisst Volksabstimmungen in Chile: Laura Derrer, Jus-Studentin aus Santiago di Chile.
zvg
Das Volk, das über neue Artikel der Verfassung abstimmen kann: Laura Derrer ist fasziniert von diesem Vorschlag zum Ausbau der direkten Demokratie in Chile, dem Land, wo sie lebt. Die 19-jährige Jus-Studentin ist eine der neuen Stimmen der jungen Fünften Schweiz, die sich im neuen Jugendparlament der Auslandschweizer engagiert. In einer Serie stellen wir 11 leitende Mitglieder vor.
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‘New form of democracy in my country is a great thing’
swissinfo.ch: Was wollen Sie als Mitglied des neuen Jugendparlamentes der Fünften Schweiz erreichen – erstens in der Schweiz, zweitens in Ihrem Land?
Laura Derrer: Eines der wichtigsten Ziele, das wir in der Schweiz erreichen wollen, ist die bessere Wahrnehmung und die bessere Integration der vielen jungen Schweizerinnen und Schweizer, die auf der ganzen Welt leben. Obwohl es schon Organisationen gibt, die sich darum bemühen, kann man hier noch viel mehr erreichen.
Die jungen Schweizer im Ausland fühlen sich angesprochen von all dem, was in der Schweiz und in Europa geschieht, und sie würden auch gerne daran teilnehmen und beachtet werden.
Laura Derrer
Ich bin 19 Jahre alt und lebe in Santiago de Chile, wo ich 1996 geboren wurde.
Aufgewachsen bin in der Schweiz. Im Jahr 2006 sind wir wieder nach Chile gezogen.
Zurzeit studiere ich Recht an der Universidad de Chile.
In meiner Freizeit spiele ich gerne Basketball und ich treibe generell gerne Sport.
Da mein Vater Schweizer ist, reisen wir nach Möglichkeit jedes Jahr einmal in die Schweiz, um unsere Familie zu besuchen. Und Rivella zu trinken. 😉
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Hier in Chile haben wir eine Schweizer Schule, auch gibt es einen Schweizer Klub. Es hat viele motivierte Schweizerinnen und Schweizer, doch es gibt keinen formellen Meinungsaustausch. Es wäre toll, mit Hilfe aller motivierten Jungen, die daran interessiert sind, eine politische Diskussion zu initiieren und Projekte umzusetzen.
swissinfo.ch: Wie sieht es punkto direkte Demokratie in Ihrem Gastland aus? Gibt es Instrumente, die Ihnen besonders gefallen? Und auch solche, die Sie vermissen?
L.D.: In Chile haben wir eine repräsentative Demokratie, in der das Volk alle vier Jahren den Präsidenten oder die Präsidentin und den Kongress wählt. Gerade jetzt läuft eine grosse Diskussion über unsere Verfassung, die noch aus der Diktatur Pinochets der 1980er-Jahre stammt, die also nicht demokratisch eingeführt wurde. Es liegt ein Projekt zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung vor, das direkte Demokratie in Form von Volkabstimmungen über Verfassungsartikel vorsieht.
Diese neue Form von Demokratie, die in Chile bis jetzt eigentlich noch nie richtig praktiziert wurde, finde ich grossartig. Aber es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger entsprechend ausgebildet werden, damit sie dann auch richtige Entscheidungen treffen können. Die direkte Demokratie, wie sie die Schweiz kennt, ist ein gutes Vorbild für das, was man in Chile noch alles erreichen kann.
swissinfo.ch: In den meisten Ländern gehen die Jungen weniger wählen und abstimmen als die anderen Altersgruppen. Ist nicht gerade die direkte Demokratie das Mittel für die Jungen, um ihre Bedürfnisse und Vorstellungen politisch einzubringen?
L.D.: Natürlich ist die direkte Demokratie ein effektives Mittel, die Jungen dazu zu motivieren, sich an der politischen Diskussion zu beteiligen. Bei allen Abstimmung fühlen sich alle angesprochen, denn jede Stimme kann ein Resultat ändern.
Neue Plattform für junge Auslandschweizer
Das Jugendparlament der Auslandschweizer ist selbst noch blutjung, besteht es doch erst seit wenigen Monaten. Tagungsort der rund 350 Mitglieder, die über alle Kontinente verstreut sind, ist das Internet, findet doch der Austausch über soziale Medien statt.
swissinfo.ch hat 11 junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die dem Leitungsgremium des neuen Jugendparlamentes angehören, zur direkten Demokratie in ihrem Wohnland und jener in der Schweiz befragt.
Bei einer repräsentativen Demokratie ist es dagegen immer schwieriger, einen wirksamen Einfluss auszuüben, weil viele Interessen im Spiel sind. Das kann man hier in Chile zum Beispiel bei den Studentenbewegungen, die für eine bessere und egalitärere Bildung kämpfen, sehen.
swissinfo.ch: Seit den Anschlägen in Paris ist Europa im Banne des IS-Terrors. Ist der Kampf gegen die islamistischen Extremisten, der die Einschränkung individueller Freiheiten bedeutet, eine Gefahr für die Demokratien?
L.D.: Extreme Bewegungen sind immer eine Gefahr für Demokratie und individuelle Freiheit. Alles, was nur eine einzige Perspektive der Weltanschauung toleriert, schränkt automatisch die Meinungsfreiheit ein. Was in Paris geschehen ist, ist schrecklich und bedeutet nicht nur ein Attentat gegen das Leben selbst, sondern auch gegen den Pluralismus der Kulturen.
Doch die Lösung besteht nicht darin, dass man dieselben Mittel benutzt. Natürlich muss man dafür sorgen, dass Extremisten keine Gefahr für das Leben der Menschen und deren individuellen Freiheit sind. Doch auf keinen Fall sollte man ALLE Muslime für die Tat beschuldigen oder unter Generalverdacht stellen, denn das wäre wieder dasselbe: eine ganze Kultur wegen ihrer Verschiedenheit zu verurteilen.
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