«Kritisieren ist einfach, wenn man immer die Wahl und Freiheit hatte»
Die direkte Demokratie ist das Instrument, das jungen Menschen besser Gehör verschafft. Dies ist die Überzeugung von Marie Lingl. Die 17-jährige Gymnasiastin aus La Rochelle an der französischen Atlantikküste ist eine der neuen Stimmen der jungen Fünften Schweiz, die sich im frisch gebildeten Jugendparlament der Auslandschweizer engagiert.
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swissinfo.ch
swissinfo.ch: Was wollen Sie als Mitglied des neuen Jugendparlamentes der Fünften Schweiz erreichen – erstens in der Schweiz, zweitens in Ihrem Land?
Marie Lingl: Mit dem Mitmachen hoffe ich meine Schweizer Identität zu unterstreichen. Ich möchte meinem Land und den jungen Schweizerinnen und Schweizerinnen noch näher sein. Diese haben dieselben Interessen wie ich, nämlich ein einmalige Erfahrung zu machen.
Bald schon kann ich Abstimmen und Wählen. Ich möchte mich aktiv in die Schweizer Politik einbringen und mich nützlich machen, um die Stellung unseres neuen Parlamentes zu stärken. Dieses soll junge Schweizer, die hier leben, motivieren, sich für die Schweiz zu interessieren. Denn diese verfügt über ein politisches Modell, das in Frankreich unbekannt ist.
swissinfo.ch: Wie sieht es punkto direkte Demokratie in Ihrem Gastland aus? Gibt es Instrumente, die Ihnen besonders gefallen? Und auch solche, die Sie vermissen?
M.L.: Direkte Demokratie ist in Frankreich unbekannt, verfügt das Land doch über eine repräsentative Demokratie. Einige fühlen sich machtlos; sie kritisieren einen Mangel an Dynamik und wünschen, direkt über Gesetze abstimmen zu können. Auch gibt es das Instrument der Volksinitiative nicht.
Es ist aber einfach zu kritisieren, wenn man immer in einer Demokratie gelebt hat, zu deren fundamentalen Grundwerten die Freiheit und die Wahl zählen.
Neue Plattform für junge Auslandschweizer
Das Jugendparlament der Auslandschweizer ist selbst noch blutjung, besteht es doch erst seit wenigen Monaten. Tagungsort der rund 350 Mitglieder, die über alle Kontinente verstreut sind, ist das Internet, findet doch der Austausch über soziale Medien statt.
swissinfo.ch hat 11 junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die dem Leitungsgremium des neuen Jugendparlamentes angehören, zur direkten Demokratie in ihrem Wohnland und jener in der Schweiz befragt.
swissinfo.ch: In den meisten Ländern gehen die Jungen weniger wählen und abstimmen als die anderen Altersgruppen. Ist nicht gerade die direkte Demokratie das Mittel für die Jungen, um ihre Bedürfnisse und Vorstellungen politisch einzubringen?
M.L.: Die direkte Demokratie erlaubt es jungen Menschen, sich Gehör zu verschaffen und eine neue Sichtweise in die künftige Politik einzubringen. Auch können sie mir direkter Demokratie ihre Ideen und Meinungen besser sichtbar machen.
In Frankreich sehen viele Junge keinen Sinn darin, etwa an Wahlen teilzunehmen, weil ein Wechsel unmöglich scheint. Zudem gibt es keine politische Kultur, die gepflegt wird. Es müssten Anreize geschaffen werden, dass wir von ganz jung auf aktiv an unserem täglichen Leben teilnehmen. Zu oft überlassen wir die Entscheidungen den Erwachsenen, und wir haben uns daran gewöhnt.
swissinfo.ch: Seit den Anschlägen in Paris ist Europa im Banne des IS-Terrors. Ist der Kampf gegen die islamistischen Extremisten, der die Einschränkung individueller Freiheiten bedeutet, eine Gefahr für die Demokratien?
M.L.: Eine Gefahr, die auftreten kann, ist die Ausbreitung von Gewalt. Angst unterdrückt in den Menschen jegliche Kontrolle und löst unerwartete und schädliche Reaktionen aus. Hoffen wir, dass die Solidarität, die nach den Anschlägen so präsent war, bleiben wird.
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