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«Informationsmedien sind das Lebenselixier der Demokratie»

Verschwindet am 2. Februar 2017 aus der Schweizer Medienlandschaft: L'Hebdo, das Westschweizer Wochenmagazin. Keystone

Harte Schnitte in den Redaktionen, Schliessung ganzer Titel: Dies ist trister Alltag in der Medienlandschaft Schweiz. Doch das Aus von L'Hebdo, dem einzigen richtigen Newsmagazin der französischsprachigen Westschweiz, wirft im ganzen Land hohe Wellen. Für den Medienwissenschaftler Mark Eisenegger wird der herbe Verlust zu einem Test für die Demokratie und die Zivilgesellschaft.

Sie gehörte praktisch bis Ende des 20. Jahrhunderts zum Tafelsilber der Schweizer Demokratie: Die Medienlandschaft, die durch eine schier einzigartige Vielfalt bestach.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

Im Vergleich zum Ausland ist sie sogar heute noch äusserst mannigfaltig. Doch die Zahl der Titel ist in der Schweiz seit Jahren auf Talfahrt. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Hauptgrund laut den Verlagen: wegbrechende Abonnenten- und vor allem Inserateeinnahmen. Diese fliessen zunehmend in die Kassen der globalen, digitalen Medienkonzerne Facebook und Google.

Mark Eisenegger, Professor für Kommunikationswissenschaft in Salzburg und Präsident des Forschungsinstituts für Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög). zvg

Jüngster Schlag in dieser fast unendlichen Geschichte ist das Ende von L’Hebdo. Laut Ringier-Verlag erscheint die letzte Ausgabe am 2. Februar.

«Dass mit L´Hebdo ein ausgewiesenes Qualitätsmedium verschwindet, ist für die Schweiz und für die Suisse romande ausserordentlich zu bedauern», sagt Mark Eisenegger, Professor für Kommunikationswissenschaft in Salzburg/Österreich. Für den Präsidenten des Forschungsinstituts für Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög), welches jeweils das «Jahrbuch Qualität der Medien Schweiz Suisse Svizzera» publiziert, ist ein breites und qualitativ hochstehendes Medienangebot Voraussetzung für eine gutfunktionierende Demokratie Schweiz mit ihren regelmässigen Volksentscheiden. 

swissinfo.ch: L’Hebdo hinterlässt als ausgewiesenes Qualitätsmedium eine grosse Lücke. Ein Vertreter der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei brachte flugs eine französischsprachige Ausgabe der Weltwoche ins Spiel, einer Wochenzeitung, die der SVP nahesteht. Öffnet die fortlaufende Medienkonzentration, die verschärft die Westschweiz betrifft, neues Terrain für Populismus?

Mark Eisenegger: Fakt ist, dass der professionelle Informationsjournalismus – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu einem Verlustgeschäft geworden ist. Investitionen in Informationsjournalismus zahlen sich deshalb heute primär noch für jene aus, welche politische Interessen verfolgen.

swissinfo.ch

swissinfo.ch: Den Verlagen geht es finanziell gut bis super gut. Gleichzeitig machen sie den klassischen Journalismus kaputt, durch Sparen in den Redaktionen und Schliessen von Titeln. Wird jetzt die bisher so verpönte Idee der staatlichen Medienförderung plötzlich zum probaten Heilmittel? Oder soll das Gebührensplitting mit der SRG ausgebaut werden?

M.E.: Bereits heute fliessen 75% jedes neu investierten Werbefrankens den globalen Tech-Giganten zu. Gleichzeitig wird die vorherrschende Gratiskultur nur sehr schwer zu überwinden sein. Weil Medien systemrelevant und für die Demokratie unverzichtbar sind, gleichzeitig das Marktversagen für Informationsjournalismus zunimmt, wächst die Notwendigkeit, die Informationsmedien mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. 

Westschweizer Presse noch nie so konzentriert

Mit dem Ende von L’Hebdo erreicht die Medienkonzentration in der französischsprachigen Westschweiz eine neue, kritische Stufe.

Die grössten Schweizer Verlagshäuser kontrollieren dort zusammen mehr als 90% des Angebots. Besonders Tamedia kann mit dem Wegfall von L’Hebdo aus dem Hause Ringier seine Marktmacht weiter ausbauen, kontrolliert doch der Zürcher Konzern 70% des Angebots.

Unter den Top 3 der Verlagshäuser punkto Marktanteilen in der Westschweiz stammt kein Verlag mehr aus dem westlichen Landesteil selbst.

(Quelle: Mark Eisenegger)

Die Länder Skandinaviens zeigen, dass mehr direkte Medienförderung möglich ist, ohne dass der Staat die journalistische Unabhängigkeit einschränkt oder die Medienfreiheit leidet.

swissinfo.ch: Stichwort SRG, zu der wir von swissinfo.ch gehören: Sie ist mit der No-Billag-Initiative radikal in Frage gestellt. Weshalb braucht es den öffentlich-rechtlichen Service-Public-Anbieter in der direkten Demokratie Schweiz?

M.E.: Es braucht sie, weil nur ein finanziell starkes öffentliches Medienhaus wie die SRG über die kritische Masse verfügt, sämtliche Sprachregionen in ausreichender Form mit qualitativ guter, audiovisueller Publizistik zu versorgen und im Wettbewerb gegen die starke ausländische Konkurrenz zu bestehen.

Würde die SRG in der jetzigen Form zurückgedämmt, würde die Kohäsion zwischen den Sprachregionen leiden. Aber auch die Forumsfunktion würde Schaden nehmen, die darin besteht, dass Akteure mit gegenteiligen Positionen gesittet miteinander streiten und so die Chance besteht, voneinander zu lernen. In der heutigen schrillen und lauten Medienwelt brauchen wir zwingend mediale Plattformen, in denen die Chance besteht, dass sich die sanfte Gewalt des besseren Arguments durchsetzt.

swissinfo.ch: Generell: Welche Bedeutung haben die Medien in der direkten Demokratie? Wie hat sich deren Rolle verändert?

M.E.: Informationsmedien sind das Lebenselixier der Demokratie. Sie sollen eine Kontrollfunktion erfüllen und den Mächtigen kritisch auf die Finger schauen. Sie sollen einer Forumsfunktion dienen, die darin besteht, dass gesellschaftliche Probleme rechtzeitig auf die Agenda kommen. Und Medien dienen auch der Integration, denn was wir von unserer Gesellschaft wissen, wissen wir aus den Medien. Alle drei Funktionen sind tendenziell bedroht, wenn dem Informationsjournalismus die Ressourcen wegbrechen.


Wie wichtig sind Qualitätsmedien, die ihren Preis haben, für Sie und Ihre Meinungsbildung?

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