Karikatur, politische Zeichnung, Cartoon – die Begriffe verheissen Spass oder zumindest ein Schmunzeln. Doch die gezeichnete Satire ist zu einem wichtigen Werkzeug für die Meinungsfreiheit geworden. SWI swissinfo.ch zeigt eine Auswahl aus der ganzen Welt.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Ester Unterfinger, Karikaturen, und Renat Kuenzi, Text
Autorinnen und Autoren von Karikaturen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie sich nur an wenige Grenzen halten: Rassismus, Sexismus und der Holocaust gehören dazu.
SWI #Meinungsfreiheit-Serie
Im Prinzip sollte alles glasklar sein. Sowohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) als auch im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966) heisst es in Artikel 19: «Jede und jeder hat das Recht auf freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut jeder Art zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten, sei es mündlich, schriftlich oder in gedruckter Form, durch Kunst oder durch ein anderes Medium seiner Wahl.»
In Europa bestätigt die Europäische Menschenrechts-Konvention (1950) die Meinungsfreiheit als rechtsverbindliches Recht (Artikel 10). Die Schweiz verankert diese Grundfreiheit in Artikel 16 ihrer Verfassung von 1999.
In der Praxis bleibt jedoch vieles umstritten. Regierungen auf der ganzen Welt schützen das Recht auf freie Meinungsäusserung nicht, sondern unterminieren es zunehmend. In anderen Teilen der Welt nutzen Einzelne und Gruppen den Begriff «Meinungsfreiheit», um diskriminierende und hasserfüllte Äusserungen zu rechtfertigen. Doch obwohl sie ein universelles Recht ist, ist die Meinungsfreiheit kein absolutes Recht. Sie zu gewährleisten und anzuwenden, ist immer eine Gratwanderung.
In einer neuen Serie befasst sich SWI swissinfo.ch mit diesen verschiedenen Aspekten, Herausforderungen, Meinungen und Entwicklungen rund um die Meinungsfreiheit – sowohl in der Schweiz als auch weltweit.
Wir bieten eine Plattform für Bürgerinnen und Bürger, sich zum Thema zu äussern, bieten Analysen von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und beleuchten Entwicklungen auf lokaler und globaler Ebene. Und natürlich sind die Leserinnen und Leser eingeladen, sich noch in diesem Frühjahr an der Diskussion zu beteiligen und ihre Stimme zu erheben.
Sonst ist ihnen aber praktisch nichts heilig. Wer von den Mächtigen lügt, gar tötet oder sich in tollpatschige oder hochkriminelle Affären verstrickt, den geben die Zeichnenden mit scharfem Strich oder demaskierender Travestie der öffentlichen Lächerlichkeit preis.
In jeder Karikatur steckt also immer auch eine Portion Anarchie. Die aber muss man, ob Autokrat oder einfache Bürgerin, erst einmal aushalten.
Karikatur heisst aber nicht Provokation als Selbstzweck. Unter dem Brennglas einer stossenden oder eskalierenden Aktualität bietet das Ausloten von Grenzen des Anstands oder der Erlaubten oft die beste Möglichkeit, das Unhaltbare, Unfassbare oder Inakzeptable auf den Punkt zu bringen. Gelingt dies, wie etwa dem Schweizer Chappatte, der für die renommiertesten Zeitungen und Magazine arbeitet – sind politische Zeichnungen Seismographen der Meinungsfreiheit.
Karikaturen sind flammendes Plädoyer und Stresstest zugleich für die Freiheit, die Toleranz und die Dialogfähigkeit einer Gesellschaft. Ob in einer Demokratie, einem autoritär regierten Staat oder in einer Diktatur.
Über die Meinungsfreiheit reden, schreiben und zeichnen, ja, sie verhandeln, nein. Die Karikatur bleibt dafür ein wichtiger und notwendiger Schauplatz. Auch wenn diese noch so weh tut.
Das internationale Netzwerk vereint rund 200 Pressekarikaturisten und -karikaturistinnen. Es setzt sich für die Förderung der Meinungsfreiheit, der Menschenrechte und des gegenseitigen Respekts zwischen Menschen verschiedener Kulturen oder Glaubensrichtungen durch die Bildsprache von Cartoons ein.
Der französische Zeichner Plantu gewann den früheren UNO-Generalsekretär Kofi Annan als Schirmherr für eine Ausstellung zum Thema Cartooning for Peace. Dies war noch vor der Eskalation der Konflikte um die Mohammed-Karikaturen 2005 und den darauf folgenden Debatten über Pressefreiheit und die moralischen Grenzen von Karikaturen. Die Ausstellung fand, begleitet von einem Kongress, im Hauptsitz der Vereinten Nationen 2006 in New York statt. Auf Initiative von Plantu und Annan folgte am 16. Oktober 2006 die Gründung des Netzwerks Cartooning for Peace. Der Sitz ist in Paris.
Mit Unterstützung des Schweizerischen Aussenministeriums und des Büros der Vereinten Nationen wurde 2010 in Genf die Stiftung Cartooning for Peace von den Karikaturisten Chapatte und Plantu sowie Marie Heuzé, Ex-Sprecherin der Vereinten Nationen, gegründet. Bis 2018 war Kofi Annan Ehrenpräsident der Stiftung.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Zeichnungen am Rande des Todes
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Hani Abbas wird 1977 in Jarmuk geboren, einem riesigen palästinensischen Flüchtlingslager im Süden der syrischen Hauptstadt Damaskus. Nach dem Abschluss eines Studiums der Pädagogik und Psychologie an der Universität Damaskus 1998 beginnt er, zu zeichnen und in verschiedenen arabischsprachigen Zeitungen Pressezeichnungen zu publizieren. Seine Arbeit bringt ihm Bewunderung der Leserschaft, Kritik und mehrere Anerkennungspreise ein.…
«Meine Sorge ist, dass es hier nicht nur um Cartoons geht»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Ab dem 1. Juli wird die New York Times keine Cartoons mehr veröffentlichen. Der Schweizer Karikaturist Chappatte nimmt Stellung.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Dank ihrer Kontakte, die sie zu den in US-Todestrakten Inhaftierten aufgenommen haben, konnten die beiden Schweizer Journalisten einige Verurteilte überzeugen, die Kraft zu finden, sich künstlerisch zu ihrem Leben in Einzelhaft zu äussern. Die Kommentare, welche die hier gezeigten Kunstwerke begleiten, stammen aus der Ausstellung, die bis Ende April in MorgesExterner Link und GenfExterner Link…
Satire in der Schweiz ist nicht einfach «Charlie Hebdo»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
400 neue Abonnenten, viele Zuschriften von Lesern, die ihre Trauer und Solidarität bekunden, verbunden mit der Aufforderung, nicht nachzulassen: Das gestiegene Interesse für Satire zeigt sich nach dem Anschlag mit 12 Toten auch bei «Vigousse»Externer Link. Die Publikation bezeichnet sich bescheiden als «kleines Satiremagazin der Westschweiz» und erscheint einmal wöchentlich. «Zwei Geisteskranke, die diese schreckliche…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch