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Kriselnde Gemeindedemokratie: Auch Geschenke helfen nicht

Verhallt in der Schweiz immer mehr: Aufruf der stimmberechtigen Einwohner zur Teilnahme an einer Gemeindeversammlung. Was dagegen tun? Geschenke verteilen kommt nicht gut an, zeigt eine Umfrage von Forschern des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA). RDB/ATP/Hgin

In der Schweiz nimmt durchschnittlich nur noch jeder zehnte Stimmberechtigte an Gemeindeversammlungen teil, Tendenz sinkend. Um mehr Menschen zur Teilnahme an Gemeindeversammlungen zu bewegen, lassen sich Gemeinden mittlerweile einiges einfallen. Zum Beispiel in Form von Geschenken. Das kommt aber gar nicht gut an, wie unsere Befragung zeigt.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

Geschenke sind als Fördermassnahme für die lokale direkte Demokratie ungeeignet. Kontraproduktiv ist es auch, wenn Vereine ihre Mitglieder aktiv zur Teilnahme an der Gemeindeversammlung auffordern. Diese und weitere überraschende Befunde zeigt die erste repräsentative Befragung von Stimmberechtigten zur Beteiligung an Gemeindeversammlungen in der Schweiz. Durchgeführt wurde sie vom Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) in Richterswil im Kanton Zürich. Externer Link

Sind Gemeindeversammlungen noch zeitgemäss? Die Frage, ob Gemeindeversammlungen als demokratische Institution überhaupt noch angemessen sind, wird immer lauter. In vielen Gemeinden der Schweiz entscheidet seit Jahren nur noch eine kleine Minderheit über Angelegenheiten des Dorfes. Wäre es daher nicht legitim, vielerorts Gemeindeparlamente einzuführen?

Befragung in Richterswil

Die Befragung in Richterswil im Kanton Zürich wurde im Frühjahr 2016 im Rahmen einer Masterarbeit in Politikwissenschaft am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA)Externer Link durchgeführt.

Es wurden 5000 Stimmberechtigte der Gemeinde nach einem Zufallsverfahren ausgewählt und angeschrieben, 1638 Stimmberechtigte haben teilgenommen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von rund 33%.

Nein, findet die Mehrheit der Richterswiler Stimmberechtigten. Nur ein Viertel der Befragten, die regelmässig an Gemeindeversammlungen teilnehmen, und auch nur knapp jeder Dritte derjenigen Richterswiler, die praktisch nie an Gemeindeversammlungen teilnehmen, sprechen sich für ein Gemeindeparlament aus.

Grosse Zufriedenheit mit kommunaler Demokratie

Die Richterswilerinnen und Richterswiler sind zufrieden mit der kommunalen Demokratie und haben grosses Vertrauen in die Gemeindebehörden – unabhängig davon, ob sie Gemeindeversammlungen besuchen oder nicht. Es gibt aber Unterschiede zwischen denjenigen, die an Gemeindeversammlungen teilnehmen und denjenigen, die ihnen fern bleiben.

Die teilnehmenden Stimmberechtigten sind im Vergleich zu den Versammlungsabstinenten im Durchschnitt älter, wohnen seit längerer Zeit in der Gemeinde und gehen auch häufiger an die Urne. Hingegen unterscheiden sie sich in Bezug auf Geschlecht, Ausbildung, Einkommen und politische Positionen nicht signifikant von der restlichen Stimmbevölkerung.

Thema, Dauer und Wochentag entscheidend für Teilnahm

Entscheidend für die Teilnahme sind die behandelten Themen, die Länge der Versammlung und der Wochentag – gegen Ende der Woche sinkt die Bereitschaft rapide, sich im Rahmen einer Gemeindeversammlung mit politischen Geschäften auseinanderzusetzen. Das gedruckte Weisungsheft mit Erläuterungen zu den Vorlagen wird mehrheitlich geschätzt. Ein Ersatz des Heftes durch eine Online-Publikation oder durch ein Youtube-Video würde hingegen auf wenig Gegenliebe stossen.

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Nicht-Teilnehmende lassen sich am ehesten durch eine ihnen nahestehende Person zur Teilnahme überzeugen, während bereits Teilnehmende die Versammlungen vor allem aus eigenem Antrieb besuchen

Kein Allerheilmittel, um Interesse an Politik zu wecken

Welche Möglichkeiten gibt es nun, um Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen und die jüngeren Personen im Speziellen dazu zu bewegen, sich wieder aktiver in die Gemeindepolitik einzubringen? Die Studie zeigt, dass die Möglichkeiten bei der Ausgestaltung der Versammlung begrenzt sind.

Die Vermittlung notwendigen Wissens zur Entscheidungsfindung und lebhafte politische Debatten sind wirksamer als Aktionismus in Form von Videofilmen oder die Verteilung von Give-aways. Aber die Gemeindepolitik könnte im Rahmen der politischen Bildung als Anschauungsbeispiel in den Unterricht eingebaut werden, zum Beispiel in Kooperation mit den Gemeindebehörden oder lokalen politischen Akteuren und Schülerbesuchen an Gemeindeversammlungen.

Darüber hinaus liegt es in der Hand der Gemeindebehörden und der politischen Akteure wie Parteien, Verbände und Vereine, bei den Bürgerinnen und Bürgern Interesse an der Gemeindepolitik zu wecken und ihnen die Entscheidungsoptionen so zu erklären, dass sie diese auch verstehen und sich dazu eine Meinung bilden können.


Dieser Beitrag erschien am 29. September 2016 auf Externer LinkDeFactoExterner Link, der Schweizer Plattform für Politikwissenschaft.

Die vollständige Studie: Haus, Alexander; Rochat, Philippe E.; Kübler, Daniel: «Die Beteiligung an Gemeindeversammlungen. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Stimmberechtigten in der Gemeinde Richterswil»Externer Link, Studienberichte des Zentrums für Demokratie Aarau, Nr. 8 (September 2016).


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