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Den Globalen Pass für moderne direkte Demokratie andenken

Der Europäische Demokratiepass für eine aktive Bürgerschaft. Im Zentrum der Instrumente der direkten Demokratie, welche die Europäische Union ihren über 500 Millionen Einwohnern bietet, steht die Europäische Bürgerinitative. swissinfo.ch

Die Idee des Initianten Bruno Kaufmann: Ein «Pass» für all jene Menschen auf dem Globus, die sich für die Instrumente und Mechanismen der direkten Demokratie interessieren und diese stärken wollen. In erster Linie aber ist der Pass ein Kommunikations-Tool.

Seit 2013 stellt die schwedische Stadt Falun – initiiert vom dort lebenden Schweizer Bruno Kaufmann, Mitgründer und –Organisator des Global Forum on Modern Direct Democracy – ihren Einwohnrinnen und Einwohnern einen Demokratiepass aus. Kaufmanns Idee: Der Demokratiepass soll mithelfen, ein gemeinsames Verständnis von Instrumenten und Prozessen der direkten Demokratie schaffen.

Diesem Beispiel ist die Europäische Union 2015 gefolgt. Der «Europäische Pass für aktive Bürgerschaft» ist die erfolgreichste Publikation der Erfolg EU, wie Pierluigi Brombo sagte. Der Italiener ist in Brüssel verantwortlich für die Beziehungen der EU mit der Zivilgesellschaft. Anfang 2017 werde der EU-Demokratiepass neu auch in einer interaktiven Online-Version vorliegen, kündigte Brombo an.

Der Erfolg ist aber noch relativ, wie sich herausstellt: Von den knapp 40 Teilnehmenden kennen nur die wenigsten das kleine, handliche Brevier. Dieses informiert die Inhaber über die Volksrechte, die ihnen zur Verfügung stehen. Im Zentrum steht die Europäische Bürgerinitiative, ein transnationales Volksrecht, das also nicht an der Grenze der einzelnen Mitgliedstaaten Halt macht, sondern EU-weit gilt.

Diesen zwei Vorbildern soll nun also auch ein Pass für eine globale aktive Bürgerschaft folgen.

Wer? Welcher Inhalt?

Die Fragen, welche die Teilnehmenden beantworten sollen: Wer soll Trägerin oder Träger eines globalen Demokratiepasses sein? Und welches sind die wichtigsten Punkte, die darin stehen sollen?

Unbestritten war, dass der Pass nicht allen Bewohnern ausgehändigt wird, sondern bestimmten Zielgruppen. Als mögliche solche wurden genannt: Experten, Aktivistinnen, Politiker, Journalistinnen, Gatekeeper.

Was aber soll nun im globalen D-Pass drin stehen?

Andreas Gross, der Schweizer Politikwissenschaftler und Demokratiespezialist:

Er nennt gleich eine Reihe von Grundsätzen, die im Demokratie-Pass verankert sein müssen.

«Direkte Demokratie ist das Instrument all jener, die nicht in den Institutionen repräsentiert sind. Direkte Demokratie ist also die Macht jener, die keine Macht haben», so Gross. «In der Demokratie können Menschen etwas auf die politische Agenda setzen, das die Mächtigen nicht dort haben nicht wollen.»

«Der Rahmen für gute Demokratie ist Zeit. Deliberation und Reflexion sind die Seele der Demokratie. Sie brauchen Zeit. Zeit zum Sammeln Unterschriften für Volksinitiativen, zum Debattieren, zum Diskurs mit den Institutionen. Demokratie erfordert Lernprozesse, Die Gesellschaft muss lernen können. Erst die Zeit macht solche möglich.

Die Eintrittshürden, um mit einer Volksinitiative eine Abstimmung zu verlangen, müssen möglichst niedrig sein. Die dazu nötige Unterschriftenzahl sollte bei höchstens 1% bis 2% des Elektorats liegen. Dies ist in der Schweiz der Fall. 

Demokratie darf nicht durch Hürden erschwert werden. Insbesondere nicht durch ein Quorum, also die Festlegung einer Mindestbeteiligung, damit das Ergebnis bindend ist. Ein Quorum offeriert genau jenen, die nicht debattieren wollen, den Sieg. Das Quorum ist das Gift der direkten Demokratie. Quoren sind übrigens immer von Regierungen festgesetzt, nie vom Volk.»

David Altman, Professor für vergleichende Politik in Santiago, Chile:

2016 war das intensivste Jahr für die direkte Demokratie, seit wir darüber eine Statistik führen. Für einen globalen Demokratiepass müssen wir eine präzise Terminologie festlegen. Wir müssen klar machen, dass ein Plebiszit wie die Urnengänge in Kolumbien oder über den Brexit keine demokratische Abstimmung ist. Ich bezeichne die Schweiz gerne als den «Goldstandard der Demokratie. Tatsächlich gibt es keine Plebiszite in der Schweiz.

Unterstützt wird der Uruguayer Altman vom Amerikaner Paul Jacob: Die Begriffsklärung sei absolut wichtig. Ein Plebiszit ist negativ, eine Volksabstimmung positiv.

Drei weitere Punkte, die vorgeschlagen werden:

1) die Grundbereitschaft, demokratische Instrumente auch dem grössten politischen Gegner zuzugestehen und dessen mögliche Siege bei Abstimmungen und Wahlen anzuerkennen. 2) der Respekt vor den Verlierern einer Abstimmung, um die von Tocqueville beschriebene Gefahr einer «Tyrannei der Mehrheit» zu verhindern. 3) Kontinuität, um direkte Demokratie zur politischen Kultur zu formen.

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