Regierungsrat Mustafa Atici – ein Signal an die Schweiz?
40 Prozent der Schweizer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. In der Politik ist dieser Teil deutlich weniger gut vertreten. Doch es gibt eine Entwicklung.
In Basel-Stadt ist am Wochenende erstmals ein Politiker mit Migrationshintergrund in die Regierung gewählt worden. Mustafa Atici ist gebürtiger Kurde, 54-jährig.
Er kam mit 23 Jahren aus der Türkei in die Schweiz. Er sagt: «Ich bin mir sicher, dass ich mit meinem Werdegang schweizweit viele Menschen ermutigt habe: Macht mit, es klappt, es ist gut.»
Im Parlament kaum vertreten
Tatsächlich ist die Wahl des SP-Politikers eine Premiere mit Signalwirkung, auch für die ganze Schweiz. Denn noch immer sind Personen mit Migrationshintergrund in der Schweizer Politik deutlich untervertreten.
Im National- und Ständerat weisen rund fünf Prozent der Politikerinnen und Politiker einen klaren, sichtbaren Migrationshintergrund auf.
Dabei haben laut dem Bundesamt für Statistik etwa 40 Prozent der Wohnbevölkerung in der Schweiz einen Migrationshintergrund. Rund 14 Prozent sind eingebürgert, sie können also wählen, abstimmen oder auch ein politisches Amt bekleiden.
Sozialisierung spielt eine Rolle
Umfragen zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund eine rund zwölf Prozent tiefere Wahlbeteiligung aufweisen als Schweizerinnen und Schweizer ohne Migrationshintergrund.
Woher rührt dieser Unterschied? Einerseits gebe es dafür individuelle Gründe, sagt Anita Manatschal, Professorin für Migrationspolitik an der Universität Neuchatel.
«Eine wichtige Rolle spielt die politische Sozialisierung, etwa durch das Elternhaus oder die Schule.» Seien die Eltern eher politisch aktiv, seien es häufig auch die Nachkommen, so Manatschal. Bei Personen mit Migrationshintergrund finde diese Sozialisierung jedoch häufig weniger stark statt.
Daneben sei auch der Zugang zu politischer Information erschwert, etwa weil es an den dazu nötigen Sprachkenntnissen in einer Landessprache mangle, erklärt Manatschal.
Ausserdem gebe es strukturelle Gründe: «In der Wahrnehmung vieler Menschen sind es vor allem einheimische Schweizerinnen und Schweizer, die als Politiker beziehungsweise Politikerinnen infrage kommen.»
Effekt des langen Verfahrens
Dies habe auch einen Zusammenhang mit existierenden Gesetzen, so Manatschal. Sie verweist auf das vergleichsweise restriktive Einbürgerungsgesetz in der Schweiz. Eine Einbürgerung dauert in der Regel über zehn Jahre.
Ergebnisse aus der Forschung zeigen, dass diese lange Wartezeit nicht zur besseren politischen Integration führe, sondern vielmehr das Bild einer homogenen einheimischen Bevölkerung zementiere.
Mustafa Atici kam in die Schweiz, um Wirtschaft zu studieren, und eröffnete bald seinen ersten Kebabladen. Heute hat der Gastro-Unternehmer rund 30 Mitarbeitende und betreibt mehrere Essensstände im Basler Fussballstadion. Ob Atici auch als Regierungsrat weiterhin Kebab verkaufen wird? Das sei vorbei, sagt er.
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