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Wie ein Schweizer zum Top-Fussballer in Taiwan wurde

Philipp Marda in einem Fussballspiel
Im Trikot der Taipeh City Red Lions: Philipp Marda duelliert sich mit einem Gegenspieler um die Ballhoheit in seinem Mittelfeld. Die Spiele der Premier League, Taiwans Top-Liga, sind im breiten Sportangebot der Insel noch nicht der grosse Publikumsrenner. Philipp Marda

Drei Pässe, abgestempelt in 54 Ländern, acht Sprachen fliessend gesprochen, wohl Hundertausende Pässe auf dem Fussballrasen – und das alles mit 26 Jahren: Philipp Omar Marda ist ein Ausnahme-Auslandschweizer, der sich durch Sport im fernen Taiwan integriert hat.

In Zürich geboren und aufgewachsen, Fussballer im lokalen Erstliga-Klub FC Kosova, Student an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften: Die Kurzbiografie von Philipp Marda tönt verdächtig nach Schweizer Durchschnitt.

Philipp vor einem Tempel in Taipeh
Fühlte sich in Taipeh auf Anhieb zuhause: Philipp Marda Philipp Marda

In Taiwan vollzog er eine Wandlung: Auf der Insel avancierte der Midfielder aus der schweizerischen Zweitliga zum ersten Schweizer Kicker in der Premier League, der taiwanesischen Top-Liga.

Er ist Schweizer und in der Welt zuhause: 54 Länder hat er bereist, sagt er. Diese Welt, zumindest im Kleinen, ist gewissermassen in seiner DNA eingeschrieben: «Mein Vater ist Marokkaner, die Mutter Deutsche. Und kennengelernt haben sie sich in Italien, also sprachen sie Italienisch miteinander», erzählt er.

Vielfalt ist bei ihm auch das Motto punkto Nationalitäten, hat er doch neben dem Schweizer Pass noch einen deutschen und marokkanischen. Die elterliche Konstellation liefert schon mal den sprachlichen Grundstock: Es ist dies Arabisch, Italienisch und Deutsch. Dazu kamen Französisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Serbisch und seit neuestem auch Chinesisch. 

Denn weil er auch Mandarin lernen wollte, absolvierte der Student in Internationalem Management an der Uni Zürich das für den Studiengang obligatorische Auslandjahr in Taiwan. An der renommierten Nationaluniversität von Taipeh. Seit kurzem ist Marda wieder zurück in Zürich, um sein Studium abzuschliessen.

Schwerpunkt Taiwan

swissinfo.ch setzt in diesem Herbst einen kleinen Schwerpunkt zu Taiwan.

Ausgangspunkt ist einerseits ein Austausch-Projekt mit Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen aus Taiwan, andererseits das Weltforum für direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung 2019. Dieses fand vom 2. bis 5. Oktober in Taichung und Taipeh statt.

Philipp Marda ist einer von einigen Auslandschweizerinnen und Schweizern, die wir vor Ort getroffen haben und deren Erfahrungen wir mit Ihnen in den nächsten Wochen teilen. 

Geisterspiele im Riesenstadion

Taiwans Premier League ist nicht zu verwechseln mit jener Englands, der aktuellen Topliga der Fussballwelt, wie Marda klarmacht. «Die Fussballer in Taiwan haben keinen Profi-Status, in unserem Team, den Taipei Red LionsExterner Link, waren wir alle am Studieren oder berufstätig. Null Starallüren, null Glamour», sagt er. «Aber das Studium mit der Erfahrung als Spieler in der Premier League zu verbinden, war ein grosses Geschenk.»

Punkto Sport erlebte Philipp Marda einen starken Kontrast zur Schweiz. «Wir haben einen ungeheuren Reichtum an Sportarten. In Taiwan sind nur wenige solche wirklich populär: Baseball, Basketball, Tennis, Tischtennis, Badminton. Und natürlich die Drachenboot-Rennen.»

Der Fussball fristet da – mit Ausnahme jeweils während einer WM – ein Schattendasein. «Ausserhalb von Taipeh ist Fussball nicht in der Gesellschaft verankert, und es gibt kaum Nachwuchsförderung.»

Obwohl Taiwan ein Fussball-Entwicklungsland ist, hat die Erfahrung bei ihm dennoch Spuren hinterlassen. «Im Süden haben wir in einem topmodernen Stadion mit 55’000 Sitzplätzen gespielt. Das war einmalig, auch wenn nur wenige Hundert Zuschauer kamen.» Zum Vergleich: Zu den Spielen des FC Küsnacht in der zweiten Liga kommen zwischen 200 und 250 Zuschauer. Also praktisch gleich viele.

«Magie für unser Spiel»

Spielerisch konnte Marda durchaus Akzente setzen: Als im Mittelfeld hielt er die Spielfäden in der Hand, suchte und fand auch den Weg zum Tor. «In der neuen Saison bin ich mit drei Treffern immer noch bester Torschütze des TeamsExterner Link«, freut er sich. 

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«Philipp kreierte Gefahr für den Gegner und Magie für unser Spiel,» sagte Mao CortesExterner Link, dem Klubpräsidenten der roten Löwen, auf Nachfrage von swissinfo.ch. Marda habe «das Team zusammengeschweisst,» sagte Yuki InoueExterner Link, der japanische Captain der Taipei Red Lions. «In der Meisterschaftspause organisierte er einen Ausflug mit dem Team, was das gegenseitige Vertrauen und den Zusammenhalt förderte.»

Philipp Marda mit dem Team der Taipeh City Red Lions
Mitten drin als Spieler in der Premier League Taiwans: Philipp Marda (2. Reihe, 2. von rechts) mit den Mannschaftskollegen der Taipeh City Red Lions. Philipp Marda

«Bei den Red Lions waren wir ein komplett durcheinander gewürfeltes Team», erinnert sich Marda. «Ein Drittel waren Taiwanesen, die anderen Spieler kamen aus England, Frankreich, Italien, Spanien, den USA, Gambia und Burkina Faso» – und der Schweiz.»

«Sport verbindet, das Spiel funktioniert nicht trotz, sondern gerade wegen der grossen Diversität».

Taiwan

Die Insel nennt sich Republik China und zählt rund 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.

1949, nach der Niederlage im chinesischen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten, hatte sich die unterlegene Partei Kuomintang unter Führer Chiang Kai-Sheck nach Taiwan abgesetzt.

Die meisten Staaten inkl. der Schweiz verfolgen die Ein-China-Politik, d. h. sie anerkennen nur die Volksrepublik China. Taiwan wird nicht als Staat anerkannt.

Peking, das die Insel stets als integralen Bestandteil ihres Territoriums betrachtet hatte, hat in den letzten Jahren den Ton verschärft: Das Verteidigungsministerium in Peking liessen wiederholt verlauten, dass China die Insel notfalls mit militärischen Mitteln eingliedern werde.

Vor diesem Hintergrund ist die rasante Demokratisierung Taiwans auch als Gegenstrategie zum Säbelrasseln des übermächtigen Giganten China zu sehen.

Beeindruckt haben ihn nicht nur die Teamkollegen aus fast allen Ecken der Welt, sondern auch die Taiwanesinnen und Taiwanesen. «In ihrer Kultur ist das Gemeinschaftsgefühl zentral. Das zeigt sich gerade auch beim Essen: Man kocht nicht bei sich zu Hause, sondern isst fast immer gemeinsam mit Freunden und Familie auswärts.»

Das Klima Taiwans bringt dem Fussballer ganz besondere Herausforderungen. «34 Grad und 85% Luftfeuchtigkeit machen Fussball praktisch zu einer neuen Sportart.» Ohne vorher vier bis fünf Liter Flüssigkeit zu trinken, sei eine Spieldauer von 90 Minuten kaum zu überstehen, sagt er.

Zum Leben des Fussballers gehören auch die Reisen zu den Auswärtsspielen. So hat Marda die ganze Insel kennengelernt. «Taiwan ist extrem vielfältig, mit Sandstränden im Osten und Süden, fast 4000 Meter hohen Bergen und sogar Regenwald. Nur eine Viertelstunde ausserhalb von Taipeh bist du im Dschungel.»

Taiwan befindet sich gerade mitten in einem heftig umfochtenen Wahlkampf. Dieser könnte grossen Einfluss auf die Zukunft der Insel haben wird, die von den Vereinten Nationen, der Schweiz und einem Grossteil der Staaten als Teil China angesehen wird. 

Über Politik wollte er aber nicht sprechen, sagte Marda, merkte aber an: Die Einführung von Volksabstimmungen mit Ähnlichkeiten zur Schweiz hätten bei seinen Mitmenschen einen hohen Stellenwert gehabt und seien stark diskutiert worden.

Was er im Gepäck mit nach Hause genommen hat? «Das Jahr in Taiwan hat mir sehr viel gebracht – vor allem bin ich viel offener geworden.»

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