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Volksmacht für Pedalkraft

Mehr Power für das Velo, aber nicht in der Luft, sondern auf dem Boden, sprich vor allem in den Städten: Das fordert die Velo-Initiative. pro-velo.ch

Das Fahrrad rückt ins Zentrum der Volksrechte: Verfechter einer velo- und umweltfreundlichen Mobilität fordern die Schweizer Regierung mit einer Initiative auf, bei lokalen Behörden mehr Dampf aufzusetzen, damit das Fahrradfahren attraktiver und sicherer wird. 

Das Alpenland Schweiz als Paradies für Velofahrerinnen und Velofahrer? Zwar gibt es nicht weniger als neun offizielle nationale Velorouten, die das Land durchqueren. Dazu kommen über 120 regionale und lokale VelostreckenExterner Link. Sie sind alle hervorragend ausgeschildert und werden touristisch mehr oder weniger vermarktet.

Auch gibt es einen Vergleich von sechs Schweizer Städten in Sachen Velofreundlichkeit. Aber in der Schweiz, wo jeder Hund registriert sein muss, gibt es nirgends Angaben darüber, wie viele Kilometer Fahrradwege es gibt.

Unterstützer des Fahrradverkehrs sind sich einig, dass es in der Schweiz in Sachen Veloförderung noch viel Luft nach oben gibt, um den Verkehr velofreundlicher zu gestalten. Dies gilt insbesondere für die West- und die Südschweiz, wo die Menschen traditionell stärker am Auto hängen.

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Marco Romano, Mitglied des InitiativkomiteesExterner Link, spricht vom Kanton Tessin, aus dem er stammt, denn auch augenzwinkernd von einem «Entwicklungsland». Dabei wäre der Südkanton gut beraten, die Velo-Infrastruktur stark auszubauen, insbesondere für Touristen, so Romano.

Jean-François Steiert, Präsident von Pro Velo SchweizExterner Link, bestätigt die regionalen Unterschiede in Sachen Velo-Bewusstsein. «In der West- und Südschweiz ist die typische Haltung etwas anders als in der Deutschschweiz. Aber sie verändert sich auch dort», sagt der Leiter des Dachverbandes der lokalen und regionalen Organisationen für die Interessen der Velofahrenden.

In Lausanne wie auch in einigen Städten im benachbarten Frankreich würden die Interessen und Bedürfnisse der Velofahrer heute stärker in die Verkehrsplanung einbezogen, sagt Steiert, der für die Sozialdemokraten im Nationalrat sitzt, der grossen Kammer des Schweizer Parlaments.

Mit Radwegen allein ist es nicht getan

Verglichen mit Dänemark und den Niederlanden ist die Topographie der Schweiz auf den ersten Blick für Radfahrer, sportliche ausgenommen, suboptimal: Hügel und Berge bedeuten, dass es schnell mal bergauf geht. Tatsächlich ist nur ein Drittel der gesamten Fläche des Landes mehr oder weniger eben.

Dennoch: Für den Ausbau des Veloverkehrs besteht Potenzial, dies insbesondere in den Ballungszentren der Agglomerationen und in den Tourismusgebieten. Über dem Durchschnitt dürfte die Schweiz hingegen in Sachen Verpflegung, sprich Gastronomie für die radelnden Gäste liegen.

Für Jean-François Steiert ist die hügelige Topographie kein Argument gegen den Einsatz des Velos als Verkehrsmittel. Jede zehnte Person habe einen Arbeitsweg von weniger als fünf Kilometern, also eine ideale Distanz für das Fahrradfahren, sagt er.

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Schicke Räder sind wieder aus Stahl

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Ein Rahmen aus dünnem Stahlrohr, zwei Räder, zwei Pedalkurbeln, Kette, Sattel, Stummellenker: Starrlaufvelos ohne Gangschaltung – Fixed Gear Bikes oder Fixies genannt – stehen für die Reduktion des Velos auf das technische und ästhetische Minimum. «An einem Fixie gibt es nicht mehr viel, was man weglassen kann», sagt Marius Graber, Technikredaktor beim Fachmagazin Velojournal, gegenüber…

Mehr Schicke Räder sind wieder aus Stahl

Abgetrennte Velowege sind aber nicht alles. Velo-Pendlerinnen und -pendler benötigen auch genügend sichere Parkplätze, sicherere 30km/h-Zonen in den Innenstädten, ein abgestimmtes System von schnellen und langsameren Velo-Fahrbahnen und weniger Ampeln. Grundlegend aber ist ein erhöhtes Bewusstsein für die Bedürfnisse des nicht-motorisierten Zweiradverkehrs in der urbanen Verkehrsplanung.

Nur Durchschnitt

Evi Allemann, ebenfalls Mitglied des Schweizer Parlaments und Präsidentin des ökologisch ausgerichteten Verkehrsclubs der Schweiz (VCS), sieht vor allem im urbanen Raum im flacheren Mittelland grosse Möglichkeiten.

«Es benötigt ein ganzes Paket von grösseren und kleineren Massnahmen, um das Velofahren attraktiver zu machen.» Den Schlüssel sieht Allemann klar in einer velofreundlicheren Infrastruktur.

Hügeligere Gebiete haben es da schwerer. Aber das anhaltend starke Aufkommen der E-Bikes, Velos mit elektrischer Motorunterstützung, eröffnet ganz neue Perspektiven.

Die Velo-Initiative

Die Initianten wollen die Förderung des Veloverkehrs in der schweizerischen Verfassung verankern. Damit läge die letzte Verantwortung für die Umsetzung bei der Regierung.

Im Frühling reichten die Initianten bei der Bundeskanzlei in Bern 105’000 Unterschriften ein. Nötig gewesen wären 100’000.

Regierung und Parlament müssen sich noch zur Initiative äussern, bevor diese zur landesweiten Abstimmung kommt.

Bis es soweit ist, dauert es in der Regel zwei bis drei Jahre.

Aktuell sind rund 20 Volksinitiativen hängig, die verschiedenste Themen betreffen.

«Mit einem E-Bike lassen sich Berge erklimmen», sagt Steiert. Tatsächlich setzen immer mehr alpine Tourismusdestinationen auf Angebote für E-Mountainbikes.

Mit der Velo-Initiative will das Komitee die Regierung in die Pflicht nehmen, und zwar aufgrund eines neuen Artikels in der Schweizer Verfassung zur Förderung des Veloverkehrs.

Dies analog dem Verfassungsartikel zum Fussverkehr, aus dem auch der Unterhalt des Wanderweg-Netzes hervorgeht.

Swiss Topo, die Behörde des Bundes für die Landestopographie, ist für die Erhebung und Aufbereitung geografischer Daten verantwortlich. Dort weiss man ganz genau, wie lang das Netz der Schweizer Wanderwege ist. Allein die Wanderwege in den Schweizer Bergen messen insgesamt stolze rund 24’000 Kilometer!

Gutes Echo von der Strasse

Die Initianten der Velo-Initiative hatten die nötigen 100’000 Unterschriften von Stimmbürgern innert acht Monaten beisammen. Sie können auf den Support von Politikern von links bis hinein in die Mitte zählen.

Die Reaktionen der Menschen auf den Strassen sei generell sehr positiv gewesen, sagt Daniel Bachofner, der die Kampagne für die Velo-Initiative leitet. «Unser Vorschlag scheint selbst für Automobilisten vernünftig zu sein. Wir erklärten ihnen, dass es auch in ihrem Interesse sei, wenn es weniger Velofahrer auf den Strassen habe.»

Besonders erfolgreich verlief die Unterschriftensammlung laut Bachofner in den Regionen Zürich West und Bern. Dort seien die Initianten stark verankert.

Bevor die Schweizer Stimmbürgerinnen und –bürger über die Velo-Initiative abstimmen können, muss diese noch durchs Parlament.

Ob das Begehren aber bei der Mehrheit des Souveräns Anklang findet, ist alles andere als sicher. Die entscheidende Frage wird sein, wie sich die ländliche Schweiz dazu stellt. In den urbanen Räumen rund um die Städte dagegen dürfte die Zustimmung am höchsten ausfallen, so die Einschätzung von Politexperten. 

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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