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Die Schweizer Regierung, die Abstimmung und die falsche Zahl

Hochzeit mit Brautpaar bei Gegenlicht in der Nacht
Die Schweizer Stimmbürger müssen möglicherweise ein zweites Mal darüber entscheiden, ob Ehepaare steuerlich weiter im Regen stehen müssen. artman1

Erstmals in der Geschichte droht der Demokratie Schweiz, dass die Stimmbürger ein zweites Mal über eine Volksinitiative abstimmen müssen. Der Grund: Im Abstimmungskampf 2016 stützte sich die Regierung auf falsche Zahlen.

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Schluss mit der steuerlichen Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren: Die Vorlage, die das Schweizer Stimmvolk im Februar 2016 mit 50,8% hauchdünn ablehnte, war alles andere als spektakulär. Doch nun könnte die Dutzendabstimmung eine spektakuläre Wende nehmen.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) fordert jetzt eine zweite Abstimmung über ihre Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» (siehe Box).

Um Faktor fünf daneben

Die Partei, die sich traditionell der Familienpolitik widmet, hat in mehreren Schweizer Kantonen eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht. Der Vorwurf: Fehlinformationen durch die Schweizer Regierung.

Dies, nachdem die Schweizer Steuerbehörde letzte Woche einräumte, in den Abstimmungsinformationen falsche Zahlen geliefert zu haben. Die so genannte Heiratsstrafe betraf demnach nicht 80’000 Ehepaare, wie der Bund in seiner Abstimmungsbroschüre schrieb, sondern deren 454’000 – mehr als fünf Mal so viel.

Hätten die Stimmbürger mit den richtigen Zahlen möglicherweise Ja gesagt? Diese Frage wird wohl das Bundesgericht entscheiden müssen.

Wenig belastbare Prognosen

In einer Abstimmungsdemokratie wie der Schweiz gehört das Feilschen um Zahlen zum ABC in Sachen Abstimmungs- und Wahlkampf. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob es sich bei den Zahlen, die Politiker und Parteien ins Feld führen, um mehr oder weniger abenteuerliche Prognosen oder um Grundlagen aus staatlicher Quelle handelt, welche die Bürger für belastbar halten können.

Eine kleine Auswahl von Fehlprognosen in Abstimmungskämpfen:

●  Unternehmenssteuerreform II, Februar 2008, (Ja): Der Bund gibt die dadurch entstehenden Mindereinnahmen für die öffentliche Hand mit 83 Mio. Franken für den Bund und 850 Mio. Franken für die Kantone an. Gegner gehen davon aus, dass die Reform bis 2021 Löcher von bis zu 15 Mrd. Franken in die Kassen der öffentlichen Hand reissen könnte. Ihre Forderung auf Wiederholung der Abstimmung wurde vom Bundesgericht abgelehnt.

 ●  Freier Personenverkehr mit der EU, Mai 2000 (Ja): Prognose des Bundes: 8000-10’000 zusätzliche Personen. Tatsächlich kamen 80’000 in die Schweiz. Dies schreibt Matthias Borner, Mitglied des Solothurner Kantonsparlaments, in einem LeserbriefExterner Link. Er nennt noch weitere Fehleinschätzungen des Bundes:

●  Bilaterale Verträge mit der EU, Mai 2000 (Ja): Der Bund rechnete bei ausländischen Ärzten mit «keiner massiven Zunahme». Ihr Anteil habe sich von damals 17% auf heute 34% verdoppelt, so Borner.

●  Beitritt der Schweiz zu Schengen, Juni 2005 (Ja): Laut Bund sollte der Beitritt 7,4 Mio. Franken pro Jahr kosten – daraus seien 100 Mio. Franken geworden, pro Jahr.

Annullierungen

Auf Stufe der Kantone kam es schon zu Annullationen: 1983 fand im Kanton Bern die Abstimmung über einen Kantonswechsel des Laufentals zu Basel-Landschaft statt. 1989 musste der Urnengang wiederholt werden, nachdem ans Licht gekommen war, dass der Kanton Bern die Bern-Treuen mit Geld aus einer schwarzen Kasse unterstützt hatte.

Ebenfalls im Kanton Bern wurde 2012 eine Abstimmung über Motorfahrzeugsteuern vom Vorjahr wiederholt. Dies, weil mehrere Gemeinden die Stimmzettel vernichtet und somit eine Nachzählung verunmöglicht hatten.

Auf Stufe der Gemeinden schliesslich ist die Wiederholung von Abstimmungen keine Seltenheit.


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