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Wann stimmt Schweiz über gleichgeschlechtliche Ehe ab?

Eingetragene Partnerschaft ja, Ehe nein: Gleichgeschlechtliche Paare wollen die rechtliche Gleichstellung auch in der Schweiz. Keystone

Wegweisende Entscheide in Irland und den USA zur rechtlichen Einführung der Homo-Ehe haben auch in der Schweizer Öffentlichkeit ein grosses Echo ausgelöst. Was aber bewegt sich hierzulande, um gleichgeschlechtlichen Paaren die vollen Rechte als Ehepartner zu bringen?

Die Gay-Community hatte in den letzten Wochen gleich zweimal Grund zum Jubeln: Im Juni erklärte das höchste Gericht der USA die Homo-Ehe in allen Bundesstaaten für legal. Und einen Monat zuvor hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Irlands überraschend deutlich Ja gesagt zur Einführung der Homo-Ehe auf der Insel. Diese konnte noch bis vor kurzem als erzkatholisch apostrophiert werden.

Wie lange wird es dauern, bis die Schweizerinnen und Schweizer an der Urne über die völlige Gleichberechtigung homosexueller Paare befinden können, im Land, das als Hüterin und Modell in Sachen direkter Demokratie gilt?

«Ich hoffe, schon bald», sagt Bastian Baumann, Generalsekretär von Pink CrossExterner Link, der Dachorganisation der Schweizer Schwulengruppen. «In der Schweizer Politik dauert es oft länger, verglichen mit anderen Ländern. Aber wenn man dann darüber abstimmt, hat man einen Entscheid mit grosser öffentlicher Glaubwürdigkeit», sagt Baumann.

Die Entscheide aus den USA und Irland würden helfen, die Öffentlichkeit für das Thema der Schwulenrechte weiter zu sensibilisieren. «Aber politisch lässt sich daraus kaum Kapital schlagen. Politiker lassen sich nicht gern dreinreden. Aber immerhin gibt es Druck», so der Vertreter von Pink Cross.

Harzige Unterschriftensammlung

Trotz des internationalen Rückenwindes aber haben weder Pink Cross noch andere Schwulenorganisationen Pläne in der Schublade liegen, nächstens eine Volksinitiative zur Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen in der Schweiz zu lancieren. Denn solch ein Vorhaben kostet viel Geld und erfordert hohe personelle Kapazitäten.

Externer Inhalt

Stattdessen unterstützen sie den Vorschlag «Ehe für alle» der Grünliberalen. Die kleine Mittepartei will mit ihrer parlamentarischen Initiative im Parlament einem Verfassungsartikel zum Durchbruch verhelfen, der allen Paaren den Schutz einer Ehe von zwei heterosexuellen Partnern garantieren soll. Die seit 2007 verankerte rechtliche Besserstellung der eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Partner bezeichneten die Grünliberalen als «Ehe zweiter Klasse».

Die Schwulenorganisationen ihrerseits haben eine Petition lanciert. Dies ist eine Bittschrift ohne bindenden Charakter, aber mit einigem symbolischen Gehalt, je nach erreichter Zahl der Unterschriften.

«Wir finden es wichtig, dass alle Menschen, egal welcher sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, in der Schweiz heiraten dürfen. Wir fordern die bedingungslose Öffnung der Ehe und die Gewährung aller damit verbundenen Rechte», sagt Maria von Känel, Geschäftsführerin der Dachorganisation RegenbogenfamilienExterner Link. Bisher haben rund 10’000 Personen die Petition unterzeichnet.

Sie wird im November an Vertreter des Ständerats übergeben. Dann wird die Rechtskommission der kleinen Parlamentskammer über die Einführung der Homo-Ehe debattieren.

Die Rechtskommission des Nationalrats, der grossen Kammer des Schweizer Parlaments, behandelte die Vorlage schon im Februar dieses Jahres, und sie sprach sich für die Einführung der Homo-Ehe aus.

Öffentlichkeit übersättigt?

«Das Minimalziel ist erreicht», kommentiert Baumann von Pink Cross die harzige Unterschriftensammlung. «Sehr viel mehr kommt kaum dazu, ausser wir machen nochmals grosse Anstrengungen.»

Zum Vergleich: für eine Volksinitiative benötigt man 100’000 gültige Unterschriften. Das lässt die bisher erreichte Resonanz für die Petition doch etwas mager aussehen.

Baumann spricht denn auch von einer gewissen Sättigung, was das Thema Gleichberechtigung angehe. Auch konstatiert er einen Mangel an politischem Engagement seitens der schwulen und lesbischen Gemeinde.

Dies sei sinnbildlich für deren Situation in Schweiz: Die Gesellschaft sei offen gegenüber Schwulen, aber es gebe keine rechtlichen Sicherheiten.

Andere Länder hätten auf diesem Gebiet viel grössere Fortschritte erzielt, derweil die Schweiz an Terrain eingebüsst habe. «Die Schweiz ist noch dort, wo sie vor 10 Jahren stand, andere Länder dagegen haben uns überholt.»

2005 noch erwiesen sich die Schweizer Stimmbürger als Pioniere, als sie an der Urne gleichgeschlechtlichen Paaren die eingetragene Partnerschaft erlaubten.

Die Geschichte der Homosexuellen-Bewegung in der Schweiz wurde im letzten Jahr im international mehrfach ausgezeichneten Film «Der Kreis» aufgerollt. Er zeigt die Entwicklung von einer äusserst repressiven Politik in den 1950er-Jahren hin zu einer offeneren und liberaleren Gesellschaft um die Jahrtausendwende.

Der zivile Solidaritätspakt (PACS)

Die Bezeichnung PACS stammt aus Frankreich und verweist auf einen zivilrechtlichen Status der eingetragenen Partnerschaft zwischen zwei erwachsenen Personen.

PACS bedeutet für die beiden Partner Rechte und Verpflichtungen. Diese gehen aber nicht so weit wie bei der Ehe. Dies insbesondere nicht im Bereich Adoptionen.

Obwohl auch von gleichgeschlechtlichen Paaren genutzt, besteht der grösste Teil der PACS zwischen heterosexuellen Partnern.

Rund 20 Länder kennen heute Formen der eingetragenen Partnerschaft, vor allem in Europa und Nordamerika.

In der Schweiz ist die gleichgeschlechtliche Ehe bis heute nicht möglich. Seit 2007 gibt es aber die eingetragene Partnerschaft als eine Art «PACS light». Dafür hatte sich der Souverän 2005 ausgesprochen.

Wahlkampf als Lokomotive?

Trotz des schleppenden Echos auf die Petition sind Baumann und von Känel überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, ihren Forderungen politischen Nachdruck zu verleihen. Sie stützen sich auf eine Umfrage vom Mai 2015, in der sich 71% der Befragten zugunsten der Homo-Ehe in der Schweiz aussprachen. Das sind immerhin fast drei Viertel.

Die Kampagnen der Kandidaten für die Eidgenössischen Wahlen vom kommenden Oktober bieten eine willkommene Plattform, um das Fundament an Unterstützern zu verbreitern.

Gemäss von Känel haben nicht nur linke Parteien, sondern auch solche aus der Mitte die gleichen Rechte für Homosexuelle in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Sie versprechen sich davon nicht zuletzt eine Vergrösserung der Wählerschaft.

Bastian Baumann seinerseits ist überzeugt, dass die Bewegung die erhöhte Aufmerksamkeit für ihre Ziele nutzen könne. Beispielsweise, indem sie Politiker unterstütze, die sich für Minderheiten einsetzten.

Aktivität auch im Bundesrat

Aber auch die Regierung hat sich in die Diskussion eingeschaltet, mit einem Bericht, den Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga im März vorstellte. Darin schlug der Bundesrat den so genannten zivilen Solidaritätspakt, kurz PACS, als legalen Paar-Status zweier Erwachsener vor. PACS bedeutet nichts anderes als die eingetragene Partnerschaft.

Der Dachverband Regenbogenfamilie unterstützt die Initiative der Regierung. «Es braucht die Öffnung der Ehe, damit wir Lesben, Schwule und Transmenschen in der Schweiz endlich gleichberechtigt leben können», sagt Maria von Känel.

So oder so: Das letzte Wort werden wie immer bei Verfassungsänderungen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben. Zuerst aber müssen nach den vorberatenden Kommissionen erst einmal die beiden Parlamentskammern Ja sagen zur Homo-Ehe.

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