Dreissig Mannschaften haben am Genfer "Demokratie-Rallye" vom 23. September mitgemacht. Der Wettkampf fand in den Strassen des Zentrums statt, vorbei an symbolischen Orten der politischen Institutionen und der Geschichte von Stadt und Kanton. Ein spielerischer Wettbewerb, der die Demokratiewoche 2017 mit einer Note partizipativem Enthusiasmus abschloss.
Jean Revillard/rezo (Fotos) und Sonia Fenazzi (Text)
«Demokratie zwischen Vernunft und Gefühl»: Das war das Motto der DemokratiewocheExterner Link, die vom Kanton Genf in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern seit 2015 zum dritten Mal organisiert wurde. Das Thema habe sich angesichts des wachsenden Populismus auf fast natürliche Art aufgedrängt, erklärte am Samstag die Genfer Staatskanzlerin Anja Wyden Guelpa an der Abschlussfeier.
«Gefühl und Vernunft» haben auch die «Demokratie-Rallye» charakterisiert, der vorletzte von 60 Events der Demokratie-Woche. Die Konkurrenten konnten heiteren Gefühlen freien Lauf lassen, mussten aber auch den Verstand benutzen, um Lösungen zu finden, die Punkte gaben und ins Ziel führten.
Es gab kein Dröhnen von Motoren: Trotz dem Namen mussten die 130 Teilnehmer der «Demokratie-Rallye» den Parcours zu Fuss absolvieren. Und für den Sieg zählte nicht die Geschwindigkeit, sondern die Kenntnisse der Staatsbürgerkunde sowie der Genfer und Schweizer Geschichte. Ausserdem ein bisschen Geschicklichkeit in einigen Spielen, die auch für Kinder geeignet waren.
Frauen, Männer, Familien mit Kindern, junge Erwachsene, Schweizer, Ausländer: Auch wenn die Motivationen unterschiedlich waren, zeigten sich alle Teilnehmenden mit der Erfahrung sehr zufrieden und viele wünschten, es gäbe mehr solche Veranstaltungen.
Lernen und Spass haben
«Dieser Wettlauf ist ein gutes Mittel, um die Institutionen und die Geschichte kennenzulernen: Es macht Spass, diese zusammen mit Freunden zu entdecken, und sich dabei nicht allein zu fühlen», sagt Katia, eine 21-Jährige portugiesischer Abstammung, die kürzlich eingebürgert wurde und am Tag nach dem Anlass zum ersten Mal auf Bundesebene abstimmen konnte. Der Umstand, die Schweizer Bürgerschaft zu haben, hat sie motiviert, sich für das politische System zu interessieren. Und die Rallye war eine hervorragende Gelegenheit, das Thema zu vertiefen.
«Unterhaltsam» und «nützlich» sind Adjektive, die von den Teilnehmenden, mit denen wir sprechen, immer wieder genannt werden. Zum Beispiel Morgane, die mit ihrem Partner und dem sechzehnjährigen Sohn eine Mannschaft bildete. Sie betont, dass solche Veranstaltungen nützlich sind, um nachzudenken. «Wir sind uns so gewöhnt, Demokratie zu haben und vergessen häufig, dass sie nicht selbstverständlich ist. Wir müssen uns bewusst sein, dass die demokratischen Rechte nicht in Stein gemeisselt sind, sondern bewahrt werden müssen. Deshalb wollte ich, dass mein Sohn mitkommt.»
Dieser findet hingegen, dass es nicht die beste Art sei, seine Altersgenossen zu begeistern. «Wenn sie nicht gezwungen werden, nehmen die Jungen nicht teil», sagt er. Er fände es besser, einen Staatskundeunterricht als obligatorisches Schulfach ab Mittelstufe einzuführen.
Anderer Meinung ist der 15-jährige Aron, der mit seinem Vater, einem Mitglied der Kantonsregierung, am Rallye teilgenommen hat. In der Mannschaft waren ein Kollege des Vaters aus der Regierung, drei Abgeordnete sowie die Kanzlerin. Der Junge versichert uns, dass er viel gelernt habe und dass es häufiger solche Veranstaltungen geben sollte. Sogar die Politiker haben etwas gelernt: Der Abgeordnete Jean-Marc Guinchard vertraut uns an, dass er und seine Mannschaftsfreunde sich nicht an das Datum der Herabsetzung des Stimmalters auf 18 Jahre auf Bundesebene hätten erinnern können. Das hat den Parlamentarier nicht daran gehindert, die «intelligenten Fragen» und die gute Atmosphäre des Wettkampfs zu schätzen. Dieses Gefühl war auch im Moment des Abschieds zu spüren: Viele Personen äusserten die Hoffnung, auch nächstes Jahr wieder am Anlass teilnehmen zu können.
Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi
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