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Der Stachel im Fleisch von UBS und US-Regierung

Bradley Birkenfeld 2009 nach seiner Verurteilung zu 40 Monaten Gefängnis. Keystone

Bradley Birkenfeld: Der Mann, der in den USA die UBS-Steueraffäre ins Rollen brachte, sitzt seit Januar in Haft. Diese verdanke er der "Korruption", die zwischen Bankensektor und politischen Kreisen herrsche, sagt er im Interview mit swissinfo.ch.

Es ist das erste Interview, das der Whistleblower einer ausländischen Journalistin gewährt, seit er am 8. Januar seine Gefängnisstrafe angetreten hat.

swissinfo.ch: Sie sind seit Januar in Haft. Welches Ihrer Gefühle dominiert?

Bradley Birkenfeld: Es ist eine Ungerechtigkeit. Angesichts dessen, dass ich der berühmteste Whistleblower der USA bin, der den grössten Steuerbetrug in der Geschichte des Landes aufgedeckt hat, mache ich das Beste daraus.

swissinfo.ch: Weshalb sitzen Sie im Gefängnis?

B.B.: Wegen eines gewaltigen Justizirrtums. Das US-Justizdepartement (Department of Justice DOJ) schickte im Fall UBS nur mich ins Gefängnis. Die Frage aber ist: Wo war das Justizdepartement in all den Jahrzehnten, in denen vor der Nase der Behörde die illegalen Geschäfte stattfanden? Entweder waren die Beamten unfähig oder sie wollten nichts davon wissen.

swissinfo.ch: War es Ersteres oder Letzteres?

B.B.: Ich denke, das Justizdepartement ist korrupt. Martin Liechti (Birkenfelds ehemaliger Vorgesetzter bei der UBS, damals Boss der Vermögensverwaltung für UBS-Kunden, die Red.) wurde das verfassungsmässige Recht gewährt, sich unter Eid vor dem Kongress nicht selbst zu belasten (Fifth Amendment, die Red.). Er wurde nach kurzer Haft entlassen, ohne dass je gegen ihn Anklage erhoben wurde.

Die UBS erhielt von der US-Regierung fünf Milliarden Dollar innerhalb des TARP-Programms (Troubled Asset Relief Program, Beiträge an Finanzinstitute zur Minderung der Finanzkrise, die Red.).

Weiter gibt es den Vertrag zwischen den Regierungen der USA und der Schweiz zur Aushändigung von UBS-Daten von US-Kunden. Aber die Bank hat bisher keine Namen herausgerückt, wurde aber mit 780 Mio. Dollar gebüsst.

Ich sitze auch deshalb im Gefängnis, weil ich das US-Justizdepartement schlecht aussehen liess. Es brauchte einen Whistleblower, um den grössten Steuerbetrug der US-Geschichte aufzudecken, während das DOJ dazu nicht in der Lage war, oder nicht willens.

swissinfo.ch: Was bewog Sie, mit den Details an die Öffentlichkeit zu gehen?

B.B.: Weil es falsch war, was bei der UBS vor sich ging. Präsident Kennedy sagte einmal: «Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst.» Ich habe diese Aufforderung mehr als eingelöst.

swissinfo.ch: Hat der Fakt ihren Fall belastet, dass Sie mithalfen, Vermögen von UBS-Kunden vor dem US-Fiskus zu verstecken? Immerhin blieb von Ihnen das Bild haften, wie Sie Diamanten in Zahnpasta-Tuben transportierten.

B.B.: Ich hätte das nicht tun sollen. Aber wir sprechen von 19’000 UBS-Kunden und Steuerbetrug im Umfang von 20 Milliarden Dollar. Der Anstoss dazu kam nicht von mir. Es begann 1965, bevor ich überhaupt geboren war, und vor 2001, als ich zur UBS stiess.

swissinfo.ch: Spielen die Namen von vermögenden US-Bürgern auf den Kundenlisten der UBS eine Rolle in Ihrem Fall?

B.B.: Absolut! Darunter sind sehr reiche und politisch einflussreiche Personen. Seit Februar 2009 hat die US-Justiz 14 Fälle behandelt, das macht einen pro Monat. In diesem Tempo würde es 400 Jahre dauern, die Inhaber derjenigen 4500 Konten vor den Richter zu bringen, für welche die Schweizer Regierung die Daten aushändigen will.

swissinfo.ch: Robert Wolf, Präsident der UBS in den USA, ist ein Vertrauter von Präsident Obama. Das Weisse Haus sagte, dass die Beziehung kein Thema sei, da Wolf nicht am UBS-Hauptsitz in der Schweiz arbeite. Hatte diese Verbindung einen Einfluss auf Ihren Fall?

B.B.: Das müssen Sie Robert Wolf fragen. Aber ein Anschein von Ungehörigkeit liegt darin, dass Wolf bei der UBS angestellt ist und sein Salär von Zürich bezieht. Seine Boni stützen sich direkt auf Bankgeschäfte.

swissinfo.ch: Am 15. April, dem US-Steuertermin, baten Sie Präsident Obama, Ihnen zu vergeben oder die Strafe zu vermindern. Haben Sie eine Antwort erhalten?

B.B.: Meine Bitte wird geprüft. Ich muss allerdings betonen, dass die Regierung Obama das UBS-Problem von der Administration Bush geerbt hat. Präsident Obama, der ja auch ein guter Jurist ist, wird meine Beweggründe sicherlich verstehen.

swissinfo.ch: Sie verlangen die Umwandlung Ihrer Strafe. Ist dies als Schuldgeständnis zu verstehen?

B.B.: Ich habe mich bereits in einem Anklagepunkt der Konspiration für schuldig befunden. Was ist aber mit den Bankdirektoren und ihren 19’000 Kunden, welche gegen das Gesetz verstiessen?

Stattdessen schickt man einen Whistleblower ins Gefängnis, einen aus dem unteren Kader, der erst seit vier Jahren bei der UBS war. Banker und Kunden dagegen bleiben auf freiem Fuss. Mir kommt es wie politische Prostitution vor. Und welche Botschaft sendet dies an potenzielle Whistleblower in der ganzen Welt aus?

swissinfo.ch: Hat sich seit Ihrem Gang an die Öffentlichkeit etwas geändert im Bankgeschäft?

B.B.: Rein gar nichts. Bei der UBS hatten die Kunden genügend Zeit, ihr Geld zu einer anderen Bank zu bringen, die anderen Gesetzen unterliegt. Oder sie konnten ihre US-Bürgerschaft aufgeben.

Das Justizdepartement liess ihnen genügend Spielraum, Steuerzahlungen und Strafen zu umgehen. Sie kommen auch nicht ins Gefängnis. Der Grund ist der, dass es unter den 19’000 UBS-Kunden aus den USA zu viele sensible Namen hat.

Marie-Christine Bonzom, swissinfo.ch, Washington
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Ungeachtet der Probleme in der Schweiz bei der Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, geht die US-Justiz rabiat gegen Steuersäumige vor.

Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz das Abkommen einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.

Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.

Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt. Er hat bei US-Präsident Barack Obama ein Gnadengesuch eingereicht.

Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.

Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben. Weil gilt seither als Flüchtling vor der US-Justiz.

Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen (Staatsvertrag) mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen.

Den Anzeigen gegen Amerikaner mit UBS-Konten, die sich dem Fiskus entziehen, hat das Abkommen indes keinen Abbruch getan: In regelmässigen Abständen bringen die Behörden weiter Klagen gegen Steuersteuersünder vor.

Im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal. Über die Gültigkeit des umstrittenen Staatsvertrages stimmt das Schweizer Parlament in dieser Sommersession ab.

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