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Der Walliser Raphaël Wicky über den Cup-Mythos

(Keystone-SDA) Mit dem FC Sion schaffte Raphaël Wicky (38) in den Neunzigerjahren den Cup-Hattrick. Heute ist er Angestellter des FC Basel. Vor dem Cupfinal vom Sonntag kramt er in seinen Erinnerungen.

Raphaël Wicky hat als Spieler mit dem FC Sion dreimal den Cupfinal gewonnen. Als Oberwalliser Kind hat er die Sittener Cup-Festspiele in der Fan-Kurve gesehen. Und er hat später als Beobachter oder Experte Finals der Sittener von den Kommentatorensitzen aus verfolgt. Der frühere Mittelfeldspieler und 75-fache Schweizer Internationale hat den Walliser Cup-Mythos gelebt und erlebt, in gewissem Sinne sogar mitgeprägt.

Doch auch er tut sich schwer, das Phänomen in Worte zu fassen. «Man sitzt im Stadion und spürt einfach die Kraft, die auf das Spiel wirkt. Und man wird sich bewusst, dass Sion das Spiel gewinnen wird.» Der Zuschauer fühle dies sogar noch stärker als der Spieler, so Wicky. «Ich hatte mein stärkstes Cupfinal-Erlebnis 2009. Sion spielte gegen die Young Boys, war Aussenseiter und lag vor der Pause 0:2 zurück. Aber es war klar, dass das Spiel noch kippt. Die Verunsicherung bei YB war ebenso mit Händen greifbar, wie der grosse Siegeswille von Sion. Am Ende gewann Sion tatsächlich wieder 3:2.»

3:2 nach 0:2 hiess es am Ende auch nach den Cupfinals 1991 und 1996. Vor 24 Jahren hat Wicky den Walliser Triumph im mit 50’000 Fans ausverkauften alten Wankdorf als Fan miterlebt. 14 Jahre alt war er und mit seinen Eltern nach Bern gereist. Er erinnert sich an eine Autofahrt von Steg nach Bern mit Strassen die von rot-weissen Fahnen gesäumt waren und an Menschen, die ihr Gesicht mit dem Walliser oder dem Sittener Klub-Wappen bemalt haben.

In den Wochen vor dem Spiel habe es im Rhonetal nur ein Thema gegeben an den Stammtischen, im Einkaufszentrum oder beim Schwatz auf der Strasse: den Cupfinal. An jenem 20. Mai 1991 kamen schliesslich rund 35’000 Walliser ins Stadion. Der Zuschauerdurchschnitt in der Meisterschaft lag in der Saison 1990/91 dagegen bei knapp 9000. Cupfinal mit dem FC Sion ist Walliser Festtag.

Fast exakt fünf Jahre später, am 19. Mai 1996, war Raphaël Wicky mittendrin statt nur dabei. Cupfinal Nummer 8 für den FC Sion. 0:2 lagen die Sittener gegen Servette zurück, etwas weniger als eine halbe Stunde vor dem Ende. Wicky: «Dann schossen wir innerhalb von einer Viertelstunde drei Tore. Wahnsinn! (Servettes 2:0 fiel nach 62 Minuten. Nach 73 Minuten führte Sion 3:2. – Red.)» Wicky, der für den FC Sion in knapp vier Saisons in der Meisterschaft ganze zwei Tore erzielte, traf ausgerechnet im Cupfinal, zum 2:2. «Mit dem Absatz!», wie Wicky betont. Auch solches nährt den Walliser Cup-Mythos.

Den Cupsieg von 1996 stellt Wicky über die Triumphe von 1995 (4:2 gegen die Grasshoppers) und 1997 (Sieg im Penaltyschiessen gegen Luzern). «Gegen GC hatte ich im Team noch keine wichtige Rolle. Aber 1996 gegen Servette war ich Führungsspieler. Es war die Saison meines Durchbruchs. Deshalb war dieser Triumph für mich so speziell.» Nach dem Cupsieg gegen Luzern verliess Wicky den FC Sion und das Wallis als Doublegewinner in Richtung Werder Bremen. Wenige Monate später war der Klub pleite. Präsident Christian Constantin hatte ihn in den Ruin getrieben.

Die Rettung durch eine Nachlass-Stundung (1998), den sportlichen Abstieg (1999), die Rückkehr in die Nationalliga A (2000) und die Zwangsrelegation (2002) verfolgte Wicky aus der Ferne. 2007 kehrte er nochmals für ein paar Wochen zurück zum FC Sion. Doch zog es ihn rasch wieder fort und er beendete seine Karriere in den USA bei Chivas Los Angeles. Mit Wicky verliess der letzte bedeutende Walliser Fussballer den Sittener Klub. Ein halbes Jahr zuvor war Gelson Fernandes zu Manchester City transferiert worden.

So ist der FC Sion längst kein FC Wallis mehr. In dieser Saison spielen mit Léo Lacroix, Michael Perrier, Edimilson Fernandes und Daniel Follonier immerhin vier Einheimische mehr oder weniger regelmässig. Es gab aber Jahre, da stand kein einziger Walliser im Kader des FC Sion. «Ich bin mit der Klub-Politik von Christian Constantin nicht immer einverstanden», sagt Wicky dazu.

Viele denken im Wallis gleich wie Wicky. Das Tourbillon ist keine Festung mehr, weil meistens mehr als die Hälfte der Plätze leer bleibt. Doch wenn der Cupfinal ansteht, spielt das keine Rolle mehr. Dann lebt der Mythos. Der Walliser Mythos. Auch wenn auf dem Rasen vornehmlich Letten und Ungarn, Genfer und Zürcher, Afrikaner und Portugiesen stehen.

Auch die Familie von Raphaël Wicky reist am Sonntag nach Basel. Alle seine Freunde ebenfalls. «Beim Cupfinal ist jeder Walliser Fan des FC Sion – ohne Wenn und Aber.» Und so wird sich auch Wicky von der Walliser Festgemeinde mitreissen lassen. Obwohl er sagt: «Die Mannschaft des FC Basel steht mir eigentlich näher.»

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