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Die Gamelle hat ausgedient

Rekruten bei ihrer Mahlzeit aus der Gamelle. Keystone

Seit 130 Jahren gehört sie zur Grundausrüstung der Schweizer Soldaten. Mit der Armee XXI verschwindet sie nun aus dem persönlichen Kit der Armee-Angehörigen.

Ein Nachruf auf die Gamelle.

Den altgedienten Wehrpflichtigen dürfte die Gamelle (laut Duden Koch- und Essgeschirr der Soldaten) in eher unangenehmer Erinnerung geblieben sein. Das sperrige Ding musste nicht nur bei jedem gefechtsmässigen Einsatz mitgetragen, sondern auch peinlich sauber gehalten werden. Und das war beim häufigem Gebrauch «im Feld», etwa in der Verlegung in der RS oder bei Manövern im WK, gar nicht so einfach.

Jeder Feldweibel, der seinen Mannen wieder einmal den Tarif durchgeben wollte, fand bei der Sauberkeitsinspektion mit Sicherheit eine Rille oder Ritze, die nicht ganz blank geputzt war. Für solche Schikanen gab es natürlich Gegenstrategien, die von einer Rekrutengeneration zur andern weitergereicht wurden.

Etwa aus einem zusätzlich mitgeführten Teller zu essen und die Gamelle als Inspektions-Exemplar sauber verpackt zu halten. Wenn nach einer Abkochübung vor lauter Russ und Dreck alles Schrubben nicht mehr half, konnte die Gamelle «versehentlich» unter die Räder eines Armeefahrzeuges geraten oder sonstwie demoliert und im Zeughaus gegen eine neue, saubere eingetauscht werden.

Ein Souvenir weniger

Nützliche Dienste leistet die Gamelle vor allem im Zivilleben. Als Koch- und Essgeschirr beim – inzwischen verpönten – Campieren in freier Wildbahn, in Pfadi- und andern Lagern eher rustikaler Art, als stabiler Behälter für Lebensmittel auf Rucksacktouren, als Milchkesseli und dergleichen.

Damit ist jetzt Schluss. Mit der Armee XXI soll die so genannte persönliche Ausrüstung, also jene Utensilien, die der Wehrmann nach jeder Dienstleistung wieder mit nach Hause nimmt, reduziert werden. Das betrifft neben der Gamelle und dem Essbesteck auch den Schlafsack, die Kälteschutz-Mütze und -Hose, den Kampfrucksack und den Schutzmaskenfilter.

Diese Ausrüstungs-Gegenstände müssen am Ende der ersten Dienstleistung 2004 im Zeughaus abgegeben werden. Die Gamelle kann also nicht mehr wie bisher nach dem «Abgeben» behalten werden. Eine Ausnahme gemacht wird lediglich für die «demnächst Entlassenen», wie die Logistikbasis der Armee (LBA) mitteilt.

Weniger Aufwand

Mit dem Abbau der persönlichen Ausrüstung sollen der «Aufwand für Wartung und der Lagerumfang» für die Armeeangehörigen reduziert werden. Was die Gamelle betrifft, verweist die LBA zusätzlich auf die veränderten Essgewohnheiten: Primär verpflege man sich heute in der Kaserne.

Zudem soll beim Kampfrucksack die Doppeltasche wegfallen, wo die Gamelle bisher verstaut wurde. Leihweise abgegeben werden Gamellen nur noch, wenn sie für eine Dienstleistung benötigt werden.

Die neue Regelung hat keinen wesentlichen Spareffekt. Es müssen zwar weniger neue Gamellen beschafft werden (Stückpreis 39 Franken), aber es fallen für jeden Reinigungszyklus pro Gamelle rund Fr. 2.70 für Transport, Personal und Energie an.

Die zurückgenommenen Gamellen werden vom Zeughaus ins Textilzentrum Sursee gebracht und dort in einer Ultraschall-Waschanlage gereinigt. Anschliessend werden sie in Einheiten zu 20 Stück verpackt und plombiert. Die Gamelle bleibt so lange im Umlauf, wie die Qualität genügt. Dann kommt sie in einen Liqshop oder wird vernichtet.

Wer also Wert legt auf eine Gamelle für den Privatgebrauch, muss sie in einem der acht Liqshops (unter anderem in Thun und Meiringen) beschaffen. Aktuell liegt der Preis bei rund 15 Franken.

Gamelle: Falscher Name



Gamellen gibt es in der Schweizer Armee seit 1875, und korrekt ist die Bezeichnung genau genommen nur für die erste Version, einen Topf aus verzinntem Stahlblech mit Deckel und Henkel, der sich als untauglich erwies und nach wenigen Jahren durch das «Einzelkochgeschirr 1882» ersetzt wurde.

In der Truppe hielt sich aber die Bezeichnung Gamelle. Erst jetzt erhielt sie die heutige Form, wurde aber in regelmässigen Abständen leicht modifiziert und verbessert. Durch die Verwendung von Aluminium konnte das Gewicht fast um die Hälfte auf 450 Gramm reduziert werden. Das letzte Facelifting erhielt die Gamelle 1920 mit einer verbesserten Halterung des Tragbügels. Seither hat sich ausser dem Farbwechsel von Schwarz auf Grün nichts mehr geändert.

Ob die ausgemusterte Gamelle zum kurzzeitigen Kultobjekt wird wie einst der Kaput, der fürchterliche, aber praktisch unzerstörbare Militärmantel, bleibt abzuwarten.

Franz Hophan
© Berner Zeitung

www. espace.ch

Seit 130 Jahren gibt es die Gamelle, das Ess- und Kochgeschirr der Schweizer Soldaten.
Mit der Armee XXI verschwindet sie aus der Grundausrüstung.
Damit sollen die so genannten persönlichen Utensilien reduziert werden.

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