Die grüne Benzin-Alternative Bioethanol
Kürzlich ist in der Schweiz die erste Tankstelle für Bioethanol (E85) eröffnet worden. Dessen Verbrennung generiert 80% weniger CO2 als herkömmliche Treibstoffe.
Ob sich das bei Umweltorganisationen nicht unbestrittene E85 auf dem Markt durchsetzen wird, hängt von seiner Verfügbarkeit ab und vom Willen der Politiker, Steuererleichterungen zu beschliessen.
Die bislang erste Bioethanol-Zapfsäule der Schweiz steht in Winterthur. Der Biomasse-Treibstoff Bioethanol (Alkohol) kann aus Kartoffeln, Zuckerrüben, Getreide oder Zellulose gewonnen werden. Bevor er in Fahrzeugen seinen Dienst verrichten kann, muss er mit 15% Benzin angereichert werden.
Den gemeinsamen Schritt ins Ungewisse haben die Tankstellen-Betreiberin Agrola, Alcosuisse (das Profitcenter der Schweizerischen Alkoholverwaltung) und der schwedische Autohersteller Saab gewagt.
Denn in der Schweiz verkehren zur Zeit nur ein paar Dutzend Fahrzeuge, die gefahrlos das Gemisch zwischen 85% Bioethanol und 15% bleifreiem Benzin tanken können. Diese fahren auch mit normalem Benzin und sind deshalb rund 1000 Franken teurer.
Billiger als Benzin
Neben Saab will auch Ford noch in diesem Herbst ein entsprechendes Modell auf den Markt bringen. Weitere Marken werden folgen, davon sind die Initianten überzeugt.
Im Moment kostet Bioethanol rund 20% weniger als normales Benzin. Und dieses Verhältnis will Agrola auch in Zukunft beibehalten. Die Firma findet das im Zeitalter der hohen Benzinpreise ein überzeugendes Verkaufsargument und plant, in den nächsten 12 Monaten 14 weitere Tankstellen in Betrieb zu nehmen.
Noch keine Selbstversorgung
In der Schweiz wird momentan noch nicht genügend Bioethanol produziert. Es muss aus dem Ausland importiert werden. Dieser Umstand könnte vielen Schweizer Landwirten, die infolge der laufenden Agrarreformen unter Druck sind, neue Perspektiven öffnen.
Gemäss Schätzungen könnte Bioethanol, produziert aus drittklassigem Getreide, unverkäuflichen Kartoffeln und Zuckerrüben, etwa ein Fünftel des schweizerischen Benzinverbrauchs decken.
Nicht unbedingt umweltfreundlich
Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace und WWF zeigen sich zwar erfreut über die Eröffnung der ersten Bioethanol-Tankstelle. Sie weisen jedoch darauf hin, dass Treibstoffe aus Biomasse nicht in jedem Fall umweltfreundlich seien.
«Unserer Ansicht nach ist das ein guter Ansatz. Eine Reihe von Fragen bleibt jedoch unbeantwortet», sagt Greenpeace-Sprecherin Sibylle Zollinger gegenüber swissinfo.
«Die Produktion und Verteilung dieses Treibstoffs verbraucht viel Energie. Die Schweiz kann keine grossen Mengen an Biomasse produzieren, um viel E85 herzustellen. So wird man vom Ausland zukaufen müssen, was zusätzliche Energie verbraucht.»
Gewisses Risiko
Agrola-Direktor Stefan Feer ist sich bewusst, dass seine Firma mit der Lancierung eines Produktes, nach dem im Moment keine klare Nachfrage besteht, ein gewisses Risiko eingeht.
«Wenn wir die Zapfsäule in Winterthur nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten, dann bringt das im Moment wirklich nichts», erklärt er gegenüber swissinfo.
«Wir sind aber überzeugt, dass die Schweizer Konsumenten die Ethanol-Idee aufnehmen werden und glücklich sind, eine Alternative auf dem Markt zu finden», so Feer.
Für ihn ist es einfacher, die Entwicklung des Ölpreis vorauszusagen als jene der Produktionskosten der Biomasse. Ausserdem könnte sich der Preisunterschied zwischen Ethanol und konventionellem Benzin mit der Zeit verringern, wenn die Biomasse wegen der erhöhten Nachfrage global gesehen im Preis steigt.
Gefragte Politik
Das Schweizer Parlament beschäftigt sich in Kürze mit der Frage, ob die Steuern auf Bio-Kraftstoffen verringert oder gar ganz abgeschafft werden sollen. Denn momentan werden auf alle Kraftstoffe 73 Rappen pro Liter dazugeschlagen.
Ein allfälliger Parlaments-Beschluss kann jedoch frühestens 2007 umgesetzt werden. Deshalb sponsort Agrola Bioethanol mit einer nicht-kostendeckenden Marge.
Die Realisierung des geplanten neuen Bioethanol-Produktionsbetriebs, welcher die Kapazität von gegenwärtig 8 Mio. auf 50 Mio. Liter steigern würde, wäre bei der Aufrechterhaltung dieser Steuer gemäss Alcosuisse-Direktor Pierre Schaller in Frage gestellt.
«Wir können diese Investitionen nicht tätigen, ohne dass die Politiker die richtige Entscheidung getroffen haben. Ohne diese Konzession hat E-85 keine Chance», betont er gegenüber swissinfo.
Denn die jetzige Lösung ist lediglich ein Pilotprojekt und der Bio-Treibstoff ist nur aus diesem Grund von der Mineralölsteuer befreit.
«Ich bin jedoch davon überzeugt, dass E85 in der Schweiz der Weg in die Zukunft ist», so Schaller.
swissinfo, Etienne Strebel
Die in der Schweiz zugelassenen Strassenfahrzeuge konsumieren zu 65% Benzin, 34% Diesel und 1% andere Kraftstoffe.
Der durchschnittliche Preis für unverbleites Benzin liegt momentan bei über 1,80 Fr., unverbleites Premium-Benzin und Diesel kosten noch mehr.
1 Liter Bioethanol kostet rund 1,39 Fr.
Wer Erdgas tankt, zahlt rund 1,05 Fr. für ein Äquivalent von 1 Liter Benzin, Biogas ist sogar schon für 94 Rp. zu haben.
2003 betrug in der Europäischen Union der Anteil von Bio-Treibstoffen rund 0,3%. Bis 2005 stieg er auf 2% und bis Ende 2010 sollte er 5,75% betragen.
In Spanien liegt die Bioethanol-Rate bereits heute bei 3% des gesamten Treibstoffverbrauchs.
Ethanol wird aus landwirtschaftlichen Pflanzen oder aus Holz (Zellulose) gewonnen.
Es ist ein CO2-neutraler Treibstoff, das heisst, während der Verbrennung freigesetztes CO2 trägt in seiner Gesamtheit nicht zur Erhöhung des CO2-Anteils in der Atmosphäre bei, da beim Wachstum der Pflanzen der Atmosphäre CO2 entzogen wurde.
Mit 15% Benzin vermischtes Ethanol lässt sich mit praktisch serienmässigen Benzinmotoren verwenden – dank der modernen Elektronik.
Wegen der grösseren chemischen Aggressivität müssen Benzintank, Leitungen und Ventile aufwändiger beschichtet sein, was Mehrkosten verursacht.
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