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Die Verschärfung bewegt die europäische Presse

Unterkunft für Asylbewerber. Keystone

Das massive Ja des Schweizer Volks zu den Ausländervorlagen hat in der europäischen Presse ein relativ grosses Echo ausgelöst. Man sorgt sich über Konsequenzen für Europa.

Angesichts der drängenden Migrations-Probleme vermuten verschiedene Kommentatoren, dass die Verschärfung in Europa Schule machen könnte.

«Die Schweiz bekommt eines der schärfsten Asyl- und Ausländergesetze in Europa», stellt die Süddeutsche Zeitung fest. Und die linke Berliner tageszeitung bedauert den Volksentscheid: «Humanitäre Tradition ade».

Dagegen bezeichnet die rechtsliberale Tageszeitung Die Welt die Asylrechtsrevision als «vernünftig und vergleichsweise harmlos». Diese war für den Kommentator – den Schweizer Roger Köppel – «seitens der Linken mit einer an Hysterie grenzenden Verteufelungskampagne bekämpft worden Der in der Schweizer Linken militant zuckende Anti-Blocher-Reflex trübte den Blick auf die Realitäten. Das Stimmvolk, oft klüger als seine Führer, sah es nüchterner – und realistischer.»

Folgen für Deutschland?

Für den Südkurier bleibt hingegen ein Unbehagen. «Gewiss hat jede Nation das Recht, klare Regeln zu erlassen, damit das Gastrecht nicht ausgenutzt wird», kommentierte das Blatt.

Doch: «In jedem Flüchtlingsstrom gibt es verfolgte Menschen, denen man unbürokratisch helfen muss. Die Schweiz macht auch vor ihnen die Schotten dicht – im Vertrauen darauf, dass andere ihnen schon bestehen werden. Die Deutschen beispielsweise.»

Für Die Presse aus Österreich traf der «Rechtspopulist» Christoph Blocher «instinktsicher die Stimmungslage im Volk – und das ein Jahr vor der Neuwahl des Bundesparlamentes».

Zentral für den Abstimmungsausgang waren für den Standard die täglichen Bilder afrikanischer Bootsflüchtlinge, «die eine Bedrohung der europäischen Normalität im Allgemeinen und des Wohlstandsmodells Schweiz im Besonderen suggerieren».

Europa sei noch weit von einer gemeinsamen Antwort auf das Asyl- und Migrationsproblem entfernt, kritisierte das Blatt weiter. Ohne «starken europäischen Rückenwind» werde es kaum reichen, um «Signalen wie jenem aus der Schweiz gegenzusteuern».

Die Abschottung wird bedauert

Auch die linksliberale französische Tageszeitung La Libération stellt besorgt fest: «Die Schweiz verriegelt ihre Grenzen vor den nicht-europäischen Ausländern.»

Beim TV-Sender BBC World kam neben der Korrespondentin aus Genf einzig der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) zu Wort. Die Abschottung wurde primär kritisch bewertet.

Und die rechtsliberale spanische Zeitung El Mundo erklärte: «Amnesty International und die UNO-Flüchtlingsorganisation haben die Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts in der Schweiz mit Kritik aufgenommen.»

Doch das Blatt ergänzte: «Das Ergebnis wird jedoch verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass jeder fünfter Einwohner der Schweiz ausländischer Abstammung ist. Damit ist der Ausländeranteil weit höher als der Durchschnittswert in der Europäischen Union. Es ist, wie ein Minister es ausdrückte, nicht Platz für alle da.»

Kaum Reaktionen aus Italien

In Italien haben die Abstimmungen in der Schweiz kaum Reaktionen ausgelöst. Die Repubblica hat nur gerade eine kurze Meldung verbreitet, während der Corriere della Sera das Thema gar nicht erst erwähnt.

Immerhin schreibt der Giornale etwas mehr und stellt fest – in Übereinstimmung mit anderen europäischen Blättern -, dass das Resultat «einen Sieg auf der ganzen Linie für die rechte Regierung und insbesondere für Christoph Blocher, den Vater des neuen Gesetzes» bedeute.

swissinfo und Agenturen

Die Abstimmungsergebnisse:
Ausländergesetz: 68% Ja
Asylrecht: 67,7% Ja
Stimmbeteiligung: 48,2%

Am Sonntag äusserten sich die Stimmberechtigten zu zwei Referenden (gegen das Ausländer- und das Asylgesetz).

Das revidierte Ausländergesetz stellt für Ausländer von ausserhalb des EU-Raums härtere Bedingungen bei der Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt. Nur noch besonders Qualifizierte sind erwünscht.

Das neue Asylgesetz will die Zahl der Missbräuche und «falschen Flüchtlinge» reduzieren und sieht daher striktere Personenkontrollen vor. Wer innerhalb von 48 Stunden keine gültigen Identitätspapiere vorweisen kann und dafür keine triftigen Gründe angibt, wird abgewiesen.

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