Digitalbank ist für die Fünfte Schweiz noch kaum die Lösung
Am Wochenende tagte der Auslandschweizer-Rat. Für Nervosität sorgten die Partnerschaft mit einer Digitalbank und der Krieg in der Ukraine. Auch über Erfolge wurde berichtet.
Das politische Lobbying der Auslandschweizer-Organisation (ASO) hat trotz Pandemie funktioniert. Früchte zeigten sich an der Session des Auslandschweizer-Rats vom Samstag. Das Parlament der Fünften Schweiz tagte online.
Seit Jahren ungelöst sind die Schwierigkeiten der Auslandschweizer:innen mit den Schweizer Banken. Ein Konto bei einer Bank zu annehmbaren Gebühren, das wird ihnen zunehmend verunmöglicht.
Eine Lösung sahen viele mit dem Aufkommen von Digitalbanken, auch die ASO.
Mehr
Sind Neo-Banken die Lösung für Auslandschweizer:innen?
Sie liess sich konkret mit dem Zahlungsdienstleister Yapeal ein, einem Schweizer Start-Up, dem die Partnerschaft mit der Auslandschweizer-Organisation satte 50’000 Franken wert ist.
«In extremis verlieren Sie ihr Geld»
Bald aber folgten Negativ-Schlagzeilen. Weil Yapeal sich neu ausrichtete, kam die Frage auf, ob die Bank überhaupt finanziell gesund sei. Die ASO verlangte Auskünfte. Quästor Lucas Metzger konnte den Auslandschweizer-Rat nun informieren. «Wir wissen, dass die Schweizer Finanzmarktaufsicht Yapeal sehr ernsthaft begleitet», sagt er, und stellte klar: «Yapeal ist keine Bank, sondern ein Zahlungsdienstleister. Es ist dazu da, Rechnungen zu zahlen.»
Dieses Angebot trifft theoretisch ein grosses Bedürfnis vieler Auslandschweizer:innen, haben doch viele noch finanzielle Verpflichtungen in der Schweiz.
Mehr
«Yapeals Strategie hat keine Auswirkungen auf Auslandschweizer:innen»
Die Sache hat aber einige Haken, wie an der Rats-Sitzung am Samstag klar wurde: Zunächst bietet Yapeal seine Dienste laut Lucas Metzger nur in den unmittelbaren Nachbarländern der Schweiz an, für alle andern fällt es aktuell weg. Zudem klärte Metzger auf: «Es ist keine Bank, die der Einlagensicherung untersteht. In extremis verlieren Sie also Ihr Geld.» Dies im Gegensatz zu herkömmlichen Banken, die eingelegte Guthaben bis zu 100’000 Franken in jedem Fall garantieren.
Einen weiteren Pferdefuss schilderte Auslandschweizer-Rat Ivo Dürr. Es sei nicht möglich, so seine persönliche Erfahrung, von einem ausländischen Konto, Geld aus dem Ausland auf ein Yapeal-Konto zu überweisen. Das bedeutet: Zum jetzigen Zeitpunkt stellt Yapeal für Auslandschweizer:innen keine wirkliche Alternative dar. «Darum ist es für uns eigentlich uninteressant», sagte Dürr.
Möchten Sie an den Themen dranbleiben, die in der Schweiz diskutiert werden?
Mit der 📱-App ‹SWI plus› erhalten Sie täglich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Themen und Debatten aus der 🇨🇭:
👉 AndroidExterner Link oder 👉 iPhoneExterner Link
Ukraine: Schweiz plant Vertretung in Moldawien
Johannes Matyassy, der Direktor der konsularischen Direktion im Aussendepartement, informierte die Delegierten des Auslandschweizer-Rats über die Sorgen des Schweizer Aussendepartements im Zusammenhang mit Putins Krieg gegen die Ukraine.
Der Krieg zwang die Schweiz zum Schliessen der Botschaft, gleichzeitig konnten weder das Botschaftspersonal noch ausreisewillige Auslandschweizer:innen per Flugzeug repatriiert werden. Die EU organisierte einen Sonderzug, 18 Auslandschweizer:innen haben laut Matyassy Interesse an dieser organisierten Ausreise gehabt, aber nur vier hätten es bis zum Bahnhof geschafft. «Das Hauptproblem ist, dass die Leute von ihrem Wohnort zum Bahnhof kommen», sagte Matyassy.
Mehr
Ukraine: Auslandschweizer bitten um Hilfe bei Ausreise
Für die laufende Woche werde erneut ein solcher Zug organisiert: «Wir wissen von ein bis zwei ganz schwierigen Fällen im Moment, von Leuten, die gerne ausreisen würden, dies aber nicht mit eigenen Mitteln schaffen.»
Er informierte auch, dass die Schweiz als Ersatz für Kiew bald in Moldawiens Hauptstadt Chișinău eine Aussenstelle eröffnen werde. Zu diesem Zweck werde ein bestehendes Kooperationsbüro mit Diplomat:innen besetzt.
Apelle an die Eigenverantwortung
Zudem kündigte Matyassy an, dass seine Abteilung in diesem Jahr eine Informationskampagne unter dem Titel «Aging abroad» durchführen werde. Im Zentrum steht dabei die Eigenverantwortung. Die Pandemie hat dem Aussendepartement offenbar aufgezeigt, dass nicht wenige Auslandbürger:innen teils nicht einlösbare Erwartungen an die Schweiz stellten.
«Wir haben gesehen, dass das Thema der Eigenverantwortung ein sehr schwieriges ist, und dass diese in der Krise vielfach ausgeblendet wird», sagte der Diplomat. «Darum haben wir beschlossen, diese Informationskampagne zu starten. Ich bin mir bewusst, es ist heikel, aber wir machen es.»
Abstimmungspost beschleunigen – aber wie?
Dass Auslandschweizer: innen an oft Abstimmungen und Wahlen nicht teilnehmen können, weil der Postweg für die Abstimmungsunterlagen zu lange dauert, ist ein Dauerbrenner in der Agenda der Organisation. Seit Versuche mit E-Voting aus Sicherheits- und Kostengründen aus dem nahen Blickfeld verschwunden sind, wird auch diskutiert, wie die bestehende Versandpraxis optimiert werden kann.
Und hier tut sich was: In der Frühlingssession der eidgenössischen Räte schlug FDP-Nationalrat Laurent Wehrli vor, dass zumindest der Hinweg der Abstimmungsunterlagen per E-Mail erfolgen könnte. Einen direkten Erfolg hatte er mit seiner Interpellation zwar nicht. Der Bundesrat antwortete, dass die «elektronische Zustellung von druckbaren Abstimmungsunterlagen ein erhebliches Manipulations- und Missbrauchspotential birgt.»
Wehrli sitzt aber auch im Vorstand der Auslandschweizer-Organisation – und hier gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein. So versprach die Landesregierung in ihrer Antwort auch, sie werde sich noch in diesem Jahr «breitgefächert und ergebnisoffen mit Verbesserungsmöglichkeiten der Zustellung der Abstimmungsunterlagen und der Stimmabgabe im Ausland auseinandersetzen». Konkret geht es dabei um Versuche, die Abstimmungsunterlagen per Diplomatenkurier schneller in die Briefkästen aller Welt kommen zu lassen.
Mehr
Fünfte Schweiz: Abstimmen per Diplomatenpost?
Ein erster Versuch hat stattgefunden und wird nun ausgewertet, ein zweiter ist geplant.
Mit Kantonen auf Lösungssuche
Impulse verspricht sich die Auslandschweizer-Organisation zudem durch ihre Teilnahme an der Konferenz der kantonalen Staatsschreiber. Es sind nämlich die Kantone, die den Versand der Unterlagen handhaben. «Alles ist von den Kantonen abhängig, wir versuchen es an der Quelle anzupacken», sagte ASO-Präsident Filippo Lombardi. Und Direktorin Ariane Rustichelli führte aus: «Die ASO will der Staatsschreiber-Konferenz eine Arbeitsgruppe vorschlagen, um nach Wegen zu finden, welche die Zustellung der Unterlagen effizienter machen.»
Im Zentrum steht dabei ein Vorschlag, den swissinfo.ch im letzten Frühling zur Debatte stellte. Die Abstimmungsunterlagen könnten früher versendet werden, wenn die gesetzlichen Fristen ausgedehnt oder zumindest systematisch ausgereizt würden. Lesen Sie mehr dazu hier:
Mehr
Verspätete Abstimmungs-Post: Die Lösung liegt im früheren Versand
Lebensbescheinigungen: Fall gelöst
Es gibt auch Themen, die in dieser Session definitiv abgehakt werden konnten. Eines davon ist die Problematik der Lebensbescheinigungen. Diese sind nötig, um zu verhindern, dass die Schweizer Ausgleichskassen weiterhin Renten ins Ausland überweisen, auch wenn die Empfänger:innen gestorben sind. Für Schweizer Rentner:innen im Ausland war das Organisieren einer solchen Lebensbescheinigung oft mühsam, nicht selten war dafür ein Gang zum Konsulat erforderlich. Neu reicht als Nachweis auch der Eintrag ins Auslandschweizer-Register.
Weiterer Kampf gegen Antisemitismus
Erfolgreich abgeschlossen ist auch die Initiative der Auslandschweizer-Organisation zur Errichtung einer Holocaust-Gedenkstätte in der Schweiz. Dieses Projekt hat in der aktuellen Frühlingssession in entsprechenden Motionen National- und Ständerat durchlaufen. Es liegt zur Konkretisierung nun beim Bund.
Den Kampf gegen Antisemitismus, den die Organisation schon lange führt, geht aber weiter. Am Ende ihrer Versammlung griff sie mit einem Votum in eine aktuell laufende politische Debatte ein. Mit 69% Ja verabschiedete sie eine Motion die besagt: «Wir möchten den Bundesrat und das Parlament bitten, den öffentlichen Gebrauch von Nazisymbolen unter Strafe zu stellen.»
Mehr
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch