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Der tiefe Graben zwischen Volk und Politik bei der eID

SBB-Chef Andreas Meyer unterschreibt die Vereinbarung zum Joint Venture der SwissID
Analoge Unterschrift für die digitale Identität: SBB-Chef Andreas Meyer unterschreibt die Vereinbarung zum Joint Venture der SwissID. Daran sind staatsnahe Betriebe wie Privatunternehmen beteiligt. © Keystone / Ennio Leanza

Auszug aus dem Betreibungsregister downloaden, Versicherung upgraden, mit E-Voting über die Volksinitiative abstimmen – alles online und mit zentralem Login. Das Zauberwort heisst elektronische Identität, kurz eID. Das ist anderswo Realität, in der Schweiz aber noch Zukunftsmusik. Regierung und Parlament wollen aufholen. Mit einem Gesetz, welches das Volk so nicht will.

Die Länder Europas haben sie alle, die Schweiz dagegen nicht: die eID, die elektronische Identität. 

Die Schweiz will den Gap schliessen – mit dem neuen Gesetz über «elektronische Identifizierungsdienste»Externer Link. Der Ständerat, die kleine Kammer des Schweizer Parlaments, hat der neuen Richtlinie am Dienstag zugestimmtExterner Link. Der Nationalrat, die grosse Kammer, hatte bereits im Frühling Ja gesagt.

Private vor, Staat nein danke! Dies ist die Stossrichtung des neuen Gesetzes über die Ausstellung der elektronischen Identitäten in der Schweiz.

«SwissID»Externer Link

Bei der eID handelt es sich nicht um einen elektronischen Pass, der Reisenden das Passieren von Grenzen erleichtern soll.

Vielmehr ist sie ein zentrales Login, mit dem Nutzerinnen und Nutzer die Dienstleistungen von staatlichen Behörden, Post, Banken, Versicherungen oder Mobilfunkanbietern, Bahnen etc. beanspruchen können.

Mit der SwissID besteht bereits ein solcher kostenloser, gesicherter Online-Zugang für Bürgerinnen und Bürger zu diversen Dienstleistungen des Alltags.

Anbieter ist die SwissSign Group, ein Joint Venture aus den staatsnahen Betrieben Post, SBB und Swisscom, den Grossbanken UBS und Credit Suisse, der Zürcher Kantonalbank sowie Versicherungsgesellschaften und Krankenkassen.

Das Konsortium will mit der SwissID künftig die offiziell zertifizierte eID der Schweiz anbieten.

eIDs gibt es in allen Ländern Europas. Einer der Pioniere war u.a. Litauen.

Staat nur im Hintergrund

Einzige Aufgabe des Staates soll es sein, die eIDs zu regulieren. Aber auch das will der Bund nicht selbst tun. Vielmehr soll eine unabhängige Expertenkommission die Handhabung der eIDs durch die Privatfirmen beaufsichtigen und dabei insbesondere die Datensicherheit im Auge behalten.

Dies also die klare Haltung der Politik

Nun zum Volk. Das neue Gesetz ist alles andere als in dessen Sinn. Dies zumindest, wenn man den Ergebnissen einer vor wenigen Tagen publizierten Umfrage glaubt. Darin wollten 87% der Befragten bei der Ausgabe der eID einzig dem Staat vertrauen. Nur gerade zwei Prozent setzten auf Privatfirmen.

Der Auftrag zur Umfrage stammte von einer Allianz, die gegen das neue Gesetz das Veto einlegen, sprich, das Referendum ergreifen könnte. Dazu zählen verschiedene Organisationen des Konsumentenschutzes, die digitale GesellschaftExterner Link sowie WecollectExterner Link, einer digitalen Kampagnen-Plattform von Daniel GrafExterner Link, einem der aktivsten Protagonisten der Digitalisierung der Demokratie in der Schweiz. Auch dabei ist Crowdlobbying SchweizExterner Link, eine weitere digitale Kampagnen-Plattform. Erhalten sie innerhalb von 100 Tagen die Unterstützung von 50’000 Bürgern, stimmt das Volk über das neue Gesetz ab.

Externer Inhalt

«Ich denke, der Graben zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern hat damit zu tun, dass Letztere die eID primär für staatliche Dienstleistungen nutzen wollen und nicht für Einkaufszwecke wie E-Commerce», sagt Adrienne Fichter, Journalistin beim Republik Magazin und Expertin für digitale Demokratie.

Die Politiker dagegen argumentierten, dass die elektronische Identität ohne kommerzielle Funktionen für die Bürgerinnen und Bürger nicht attraktiv sei und es deshalb eine One-For-All-Lösung brauche. «Doch offenbar will das eine Mehrheit nicht. Aus Datenschutzgründen will sie kein solches Klumpenrisiko eingehen, denn bei der eID ist aufgrund der eindeutigen Registrierungsnummer alles zentralisiert», sagt Fichter.

Eine Frage des Vertrauens

Als mögliche Ursache der breiten Skepsis gegenüber privaten Ausstellern ortet die Digital-Spezialistin verschiedene Datenraub-Skandale von Tech-Konzernen aus der jüngsten Zeit. «Ausserdem finden es viele befremdend, wenn man einen elektronischen staatlichen Identitätsnachweis bei privaten E-Commerce-Plattformen oder Banken bestellen muss. Ein Passbüro oder ein Gemeindehaus sind für diese Aufgabe wohl vertrauensfördernder.»


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Adrienne Fichter hat jüngst in einem Artikel mit dem Titel «Das Märchen des unfähigen Staates»Externer Link aufgezeigt, dass die grosse Mehrheit der europäischen Länder bei der eID auf ein rein staatliches oder zumindest ein Nebeneinander von staatlichem und privatem Angebot vertraut. Die Schweiz ist mit Dänemark und Grossbritannien das einzige Land, in dem der Staat aussen vor bleibt. 

Mit SuisseID die Finger verbrannt

Woher aber rührt die Weigerung der Schweizer Behörden, eine eID mit staatlichem Gütesiegel herauszugeben? «Ich denke vor allem wegen des SuisseID-Debakels. Das war eine Marke, die zwar vom Bund initiiert worden war, aber von Privaten herausgegeben wurde. Sie fand kaum Akzeptanz. Die Lesson learned: ‹Der Bund soll sich ganz raushalten, nur die Minimalaufgaben übernehmen.'»

Was heisst das für die Gegenwart? «Wenn jetzt ein Modell durchgesetzt wird, das ebenfalls nicht auf Akzeptanz stösst oder nicht vertrauensstiftend ist, würde man besser vorher über die Bücher gehen», rät die Expertin. Gut möglich aber auch, dass das privatisierte Modell mangels staatlicher Alternativen «gezwungenermassen» auf Akzeptanz stosse.

Entscheidend wäre für Fichter aber vor allem, dass die Lösung der Schweiz von der EU akzeptiert und zertifiziert würde, dies im Rahmen der entsprechenden eIDAS-RichtlinieExterner Link. «So kann man mit seiner eID auch auf den Websites ausländischer Anbieter oder Behörden surfen und Dienstleistungen in Anspruch nehmen.»

Folgen Sie Renat Kuenzi auf TwitterExterner Link.

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