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Der Jura-Konflikt enthielt alle Zutaten für einen Schweizer Bürgerkrieg

Jurakonflikt: 1993 sprengt sich ein junger Separatist in Bern in seinem Auto in die Luft und stirbt.
Spitze der Gewalt im Jurakonflikt: 1993 sprengte sich ein junger Separatist in Bern in seinem Auto in die Luft und starb. Über die Hintergründe des Vorfalls herrscht bis heute Unklarheit. Keystone

Religion, Sprache und soziales Gefälle: Der Konflikt trug alle Gene in sich, die zu einer Eskalation hätte führen können. Nun stimmt die Gemeinde Moutier ab, ob sie im Kanton Bern bleiben oder zum Jura wechseln will. Es ist der letzte Akt der Jurafrage, die weitgehend friedlich und demokratisch gelöst wurde.

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«Da hatten wir Glück in unserer Schweizer Geschichte.» Das sagt Wolf Linder knapp 40 Jahre, nachdem die Schweizer Stimmbürger in einer Volksabstimmung Ja gesagt hatten zur Schaffung eines neuen Kantons JuraExterner Link.

Das Fazit des ehemaligen Professors für Politikwissenschaft an der Universität Bern rüttelt auf: War die Schweiz, die seit ihrer Gründung 1848 intern nur noch den Frieden kennt, vor der historischen Abstimmung 1978 knapp am Bürgerkriegs-Szenario vorbeigeschrammt?

Religion, Sprache und soziale Linien 

Dazu holt der Politikwissenschaftler erst etwas aus: Wie jedes Land ist auch die Schweiz durch Konflikte geprägt. Die grossen Linien waren oder sind bis in die Gegenwart die Gräben punkto Sprache (deutsch/französisch), Religion (katholisch/reformiert), Stadt und Land sowie Kapital und Arbeit (sozialer Konflikt).

Entscheidend für die Eindämmung und friedliche Bewältigung dieser – und neu aufgetauchter – Konflikte ist laut Linder, dass die trennenden Gräben nicht allesamt parallel verlaufen. Tatsächlich ziehen sich in der Schweiz die Konfliktlinien quer durch die Lager.

Neu zum Kanton Jura oder beim Kanton Bern bleiben: Darüber entscheidet Moutier am 18. Juni 2017.
Neu zum Kanton Jura (dunkle Fläche) oder beim Kanton Bern bleiben? Am 18. Juni 2017 entscheiden darüber die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Moutier (schraffierte Fläche). swissinfo.ch

Mit einer Ausnahme: dem Konflikt um die Autonomie des Juras. «Da kämpfte eine arme, katholische und französischsprachige Minderheit für die Loslösung vom Kanton Bern.» Die Jurassier fühlten sich von der deutschsprachigen, reformierten und wirtschaftlich soliden Berner Mehrheit diskriminiert. In den 1960er- und 1970er-Jahren formierten sie sich zu einer starken separatistischen Volksbewegung, deren Losung «Jura Libre» lautete, «Freier Jura».

Die Jurafrage hätte in jenen Tagen also auch in Akte massiver Gewalt gegen Menschen oder gar ein Blutvergiessen eskalieren können. Dass dies – glücklicherweise, wie Linder explizit sagt – nicht der Fall war, hat weitere Gründe. Es sind dies die Prinzipien der Moderation und der demokratischen Abstützung. Beides, also Suche nach einer ausgleichenden Lösung am Verhandlungstisch und die Legitimation von Zwischenergebnissen durch Volksabstimmungen, ist grundlegend für das politische System der Schweizer Demokratie.

Fehlen diese Mechanismen, kann es zur Katastrophe kommen. Dies zeigt das Beispiel Ex-Jugoslawiens, auf das Wolf Linder verweist. Dort seien sämtliche Konfliktlinien – wie in der Jurafrage – parallel verlaufen. Als im multi-ethnischen Balkanland noch die ethnischen Trennlinien hochgekocht wurden, fiel das Resultat fürchterlich aus: in den 1990er-Jahren kam es zum blutigen Bürgerkrieg, der schliesslich das Ende Jugoslawiens besiegelte.

Am 18. Juni entscheidet die «Frontstadt»

Moutier liegt unmittelbar an der Grenze zwischen dem Kanton Bern und dem 1978 gegründeten Kanton Jura.

Der Stadt kommt in der Jurafrage eine historische Sonderstellung zu: Obwohl seit Jahrzehnten politisch in der Hand der Separatisten, gehört sie nach wie vor zum Kanton Bern.

Dies soll nach dem Willen der Jurassier, die in Moutier seit der Gründung des Jura 1978 den Kantonswechsel fordern, anders werden: Am 18. Juni 2017 entscheiden die Stimmbürger, ob ihre Gemeinde künftig zum Kanton Jura gehören oder beim Kanton Bern verbleiben soll.

Der Urnengang verspricht Hochspannung, denn Prognosen über dessen Ausgang sind so gut wie unmöglich.

Damit beim Volksentscheid keine Seite das Gefühl hat, sie werde benachteiligt, schickt die Schweizer Regierung Beobachter vor Ort.


Der Autor auf Twitter: @RenatKuenziExterner Link

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