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Wirbel um Kantonsverfassung im Wallis

Im Kanton Wallis wird über eine neue Verfassung gestritten. Im Bild die berühmte Monte-Rosa-Hütte am Gornergletscher. Im Hintergrund sieht man das Matterhorn. Keystone

Soll die über hundertjährige Walliser Verfassung totalrevidiert werden? Eine Volksinitiative mit diesem Begehren spaltet die Gemüter: Die einen wollen am Bestehenden festhalten, für die anderen muss eine Verfassung des 21. Jahrhunderts zwingend die Gleichheit der Geschlechter, das Recht auf Gesundheit, die Informationsfreiheit, den Datenschutz und ein Stimmrecht für Ausländer vorsehen.

Es bräuchte 6000 Unterschriften, zusammengekommen sind 7895. Am 27. Juli hat das Komitee «Verfassungsrat WallisExterner Link» drei Kartons mit Unterschriftenbögen bei der Walliser Staatskanzlei in Sitten deponiert. Für Jean Zermatten, Co-Präsident des Komitees, sind die Unterschriften ein «kleiner Schatz».

Um was geht es: Eine von fast 8000 Bürgerinnen und Bürgern des Wallis unterzeichnete Initiative fordert eine Totalrevision der über hundertjährigen kantonalen Verfassung.

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Ein Schatz, der nicht einfach zusammenzubekommen war, wie er zugibt. Der ehemalige Jugendrichter und Sohn des Schriftstellers Maurice Zermatten sagt: «Wenn man von der Verfassung spricht, sagt das der Mehrheit der Leute nicht viel. Also muss man erklären. Wenn Sie über ein Schul- oder Steuergesetz abstimmen, versteht jeder, um was es geht, und hat eine Meinung. Bei der Verfassung hingegen geht es um ein abstraktes Thema.»

Archaische Bestimmungen

Die geltende Walliser VerfassungExterner Link datiert von 1907. Die damals 70’000 Einwohnerinnen und Einwohner (heute hat sich die Zahl fast verfünffacht) bestanden hauptsächlich aus Bauern und Berglern. Das erklärt, warum die Walliser Verfassung archaische Bestimmungen zu Zensusabgaben, Viehversicherung, regionale Sanitätsstationen und dem «ordentlichen Richter» (einer, der göttliches Recht spricht) enthält.

Für die Befürworter der Initiative entspricht diese Verfassung nicht mehr einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. So erwähnt die Verfassung beispielweise nirgends die Frauen, Kinder oder Betagten. Sie schweigt sich auch über die Gleichheit der Geschlechter aus, sowie über die Meinungsfreiheit, die Integration der Ausländerinnen und Ausländer, den Datenschutz und vieles mehr.

Die kantonalen Verfassungen

Ein Blick auf die Liste der kantonalen VerfassungenExterner Link zeigt, dass von den 26 Kantonen nur noch das Wallis, Appenzell-Innerrhoden und Zug eine über hundertjährige Verfassung haben.

Elf Kantone haben ihre Verfassung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts totalrevidiert, Nidwalden als Erstes im Jahr 1965 und das Tessin als Letzter im Jahr 1997. Der Kanton Jura, der durch Abspaltung vom Kanton Bern entstand und seine Souveränität offiziell 1979 erhielt, hat eine Verfassung aus dem Jahr 1977.

Elf weitere Kantone haben sich im 21. Jahrhundert eine neue Verfassung gegeben, Neuenburg machte den Anfang im Jahr 2000, und Genf revidierte seine Verfassung als letzter Kanton 2012.

Diese Lücken stören die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) nicht. Sie hat die Initiative von Anfang an bekämpft. Für die Partei genügt die bestehende Möglichkeit der Teilrevision, dass man also mit einer Volksinitiative neue Bestimmungen einfügen oder Bestehende ändern kann. Der Verfassungstext wurde seit Inkrafttreten etwa fünfzehn Mal geändert.

«Natürlich kann man über diesen oder jenen Punkt diskutieren», sagt Cyrille Fauchère, Co-Präsident der SVP Kanton Wallis (Sektion Unterwallis). «Aber unter dem Deckmantel ihrer Argumente wollen die Befürworter der Totalrevision eigentlich zwei andere Dinge: Jeden Hinweis auf Gott entfernen [wie die Bundesverfassung beginnt auch die Walliser Verfassung mit dem Satz «Im Namen Gottes des Allmächtigen!»] und das Stimmrecht für Ausländer einführen. Und da sind wir ausdrücklich dagegen.»

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Doppelte Frage

Nachdem die Initiative nun eingereicht wurde, muss sie durch den Grossen Rat (das kantonale Parlament), der eine Abstimmungsempfehlung abgeben und anschliessend dem Stimmvolk eine doppelte Frage unterbreiten wird: Wollen Sie eine neue Verfassung? Falls Ja, soll sie vom Grossen Rat oder von einer gewählten konstituierenden Versammlung (die sich aus politischen Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammensetzen würde) ausgearbeitet werden?

Das Komitee «Verfassungsrat Wallis» hat auch zur zweiten Frage eine klare Meinung, die SVP hingegen hat grundsätzlich keine Lust, dass sich der Kanton an einem «Scherz» beteiligt, der 20 Millionen kostet, wie es Fauchère mit Blick auf die Kosten der neuen Verfassung des Kantons Genf ausdrückt. Die SVP stört vor allem, dass die Gewählten einer solchen konstituierenden Versammlung ihr Ergebnis nicht vor den Wählern verantworten müssten.

Das Volk entscheidet

Im Wallis gibt es noch viel zu tun. Die nächste Etappe wird die parlamentarische Debatte sein. Die Linken, die Grünen und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) sind für eine Revision durch eine Arbeitsgruppe, die SVP für eine Revision durch den Grossen Rat, falls es nicht anders geht.

Es bleibt abzuwarten, was die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) sagen wird. Die ehemalige Mehrheitspartei besetzt noch 49 von 130 Parlamentssitzen. Bis jetzt zeigte sich die Partei in der Frage uneinig.

So oder so wird das Stimmvolk das letzte Wort haben – bei der Abstimmung, die ab nächstem Jahr stattfinden sollte.

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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