Höhere Unterschriftenzahl zum Schutz der Volksrechte
Die Reform der Volksrechte ist in der Schweiz ein politisches Tabu. Jetzt unternimmt die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) einen neuerlichen Vorstoss: Für eine Volksinitiative sollen bis 250'000 Unterschriften nötig sein. Was sich die BDP davon erhofft, erläutert Präsident Martin Landolt.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
3 Minuten
Martin Landolt, Nationalrat und Präsident BDP Schweiz
Français
fr
Plus de signatures pour protéger les droits populaires
Die Fraktion der Bürgerlich-Demokratischen Partei der Schweiz (BDP) lanciert den Vorschlag, die Unterschriftenzahlen für Volksinitiativen und Referenden in der Schweiz spürbar zu erhöhen und diese künftig nicht mehr als absolute Zahlen zu definieren, sondern als Prozentangabe in Relation zu den Stimmberechtigten. Der Kanton Genf beispielsweise hat die Unterschriftenzahl für Initiativen bei 4 Prozent der Stimmberechtigten fixiert.
Das Wichtigste vorweg: Über Verfassungsänderungen, also auch über höhere Hürden für die Volksrechte, befindet niemand anders als das Stimmvolk selbst. Und genau das ist ja das Faszinierende an unserer direkten Demokratie: Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheiden selber über ihre eigenen Rechte und Pflichten.
Da aber Denk- und Diskussionsverbote in einer direkten Demokratie schädlich sind, will die BDP nun genau diese Fragestellung thematisieren und zu gegebener Zeit dem Stimmvolk unterbreiten. Im Gespräch mit Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern häufen sich nämlich die Sorgen über den inflationären Anstieg von Abstimmungen und den – aus ihrer Sicht – missbräuchlichen Einsatz der Volksrechte zu reinen Marketingzwecken.
Mehr
Mehr
Höhere Unterschriftenzahl? Mehr digitale Demokratie!
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
In der Schule lernen wir, dass eine Volksinitiative 100’000 Unterschriften benötigt. Diese Zahl ist nicht in Stein gemeisselt, wie die Forderung von BDP-Präsident Martin Landolt zeigt. Er verlangt eine Erhöhung auf 150’000 bis 250’000 Unterschriften. Wer wie BDP-Präsident Martin Landolt die Latte höher legen will, warnt vor der «Initiativenflut», die das reibungslose Funktionieren der Schweiz…
Ebenso sorgen sich zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer darüber, dass die Schweiz ihre Erfolgsfaktoren inzwischen fast vierteljährlich zur Disposition stellt. Es geht ihnen dabei nicht um die Tatsache, dass dies möglich ist, sondern um die Kadenz und Häufigkeit. Die Schweiz hat bisher Stabilität und Rechtssicherheit als Erfolgsfaktoren ihres Wirtschaftsstandortes angepriesen. Unterschätzen wir deshalb nicht die schleichende Gefahr, zunehmend unberechenbar zu werden…
Bei der Einführung der Volksinitiative im Jahr 1891 wurde die Mindestzahl bei 50’000 Stimmberechtigten festgelegt, was damals 8 Prozent entsprach. Die letzte Anpassung fand im Jahr 1977 statt. Heute genügen weniger als 2 Prozent, für ein Referendum nicht einmal 1 Prozent der Stimmberechtigten… Die Frage muss erlaubt sein, ob damit der Bedeutung unserer Volksrechte gebührend Rechnung getragen wird.
In einer breiten Diskussion über den künftigen Umgang mit unseren Volksrechten gehören auch noch weitere Themen auf den Tisch: Zum Beispiel die Fristen, die Namensgebung von Initiativen, Kriterien der Ungültigkeit usw.. Eine direkte Demokratie darf und muss sich periodisch dieser Diskussion stellen, und das Parlament soll diese nicht verhindern. Stets in der Gewissheit, dass diejenigen das letzte Wort haben werden, welche davon betroffen sind: Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
Frage an Sie: Finden Sie gut, dass für eine Volksinitiative künftig beispielsweise 250’000 Unterschriften gesammelt werden müssten? Schreiben Sie uns.
Beliebte Artikel
Mehr
Bundespolitik
Schweizer Stimmbevölkerung könnte Autobahnausbau ablehnen
Wie kann die Monopolisierung der KI durch mächtige Länder und Unternehmen verhindert werden?
KI hat das Potenzial, viele Probleme der Welt zu lösen. Aber die reichsten Länder und Technologieunternehmen könnten versuchen, diese Vorteile zu beanspruchen.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
An Volksrechten herumzuschrauben, löst das Grundproblem nicht
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wie das Unkraut nach dem Sommerregen spriessen in der letzten Zeit im helvetischen Gärtchen die Verschwörungstheorien: Geheimpapiere, heimliche Absprachen, geheime Arbeitsgruppen, unheimliche Machenschaften. Populistische Politiker setzen sie in die Welt, willfährige Medien machen damit ihr Geschäft, und leichtgläubige Menschen fallen darauf herein. Wir sollten die Inhalte solcher Gerüchte nicht allzu ernst nehmen, ernster jedoch das…
Die Volksinitiative, eine kaum reformierbare heilige Kuh
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Fünfzehn Initiativen, über die das Schweizer Stimmvolk noch abstimmen muss, ungefähr noch einmal so viel, deren Unterschriftensammlung noch läuft: Kaum je gab es in der Schweiz eine solch grosse Anzahl an Volksinitiativen. Dazu kommt, dass die Annahmequote in den vergangenen zehn Jahren markant zugenommen hat. Von den 22 Initiativen, die seit 1891 angenommen wurden, hiess…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Was genau macht die Volksinitiative aus? Ist sie ein Unikum oder hat sie Verwandte in anderen Ländern? Die swissinfo.ch-Animation gibt die Antworten.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Samstagnachmittag auf dem Bärenplatz in Bern. An diesem belebtesten Platz der Schweizer Hauptstadt rechnen sich Unterschriftensammler für verschiedenste Volksinitiativen die besten Chancen auf einen Erfolg aus. Für die unterschiedlichsten Anliegen wurden auf diesem Platz in Sichtweite des Parlamentsgebäudes bereits Unterschriften gesammelt. Andy Tschümperlin kennt diese Szene gut. Oft war er einer dieser Unterschriftensammler. «Ich habe…
«Man sollte sich nicht in Verfassungsreformen stürzen»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Nach einer Ämterlaufbahn, die ihn von seiner Gemeinde Martigny im Wallis bis an die Spitze des Bundesstaates führte, ist Pascal Couchepin ein ausgewiesener Kenner des politischen Lebens in der Schweiz. Seit er 2009 aus der Regierung zurückgetreten ist, äussert er sich bis heute häufig zu dem Thema. Das Interview wurde unterwegs zum Europa Forum in…
Wie aus Wahlkampf-Lokomotiven Rohrkrepierer wurden
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Schluss mit Wahlkampinitiativen», fordert der Blick und stellt fest, dass «die Mitte seit Jahren neidisch nach rechts» schiele: Auf die Schweizerische Volkspartei (SVP), die mit ihren Kampagnen immer wieder Mehrheiten im Volk finde. «Das möchten alle andern auch, aber sie können es nicht wirklich.» Ausgerechnet die Mitteparteien, die «sich gerne rühmen, Mehrheiten zu schaffen und…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch