Überfremdungs-Initiativen haben lange Tradition
Das Schweizer Stimmvolk hat erstmals eine Volksinitiative zur Einschränkung der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte angenommen, ein Thema, das in der helvetischen Politik seit einem halben Jahrhundert immer wieder auf den Tisch kommt. Seit den ersten Volksinitiativen in den1970er- Jahren wurde die Schweiz vom Ausland des Öftern wegen angeblicher Fremdenfeindlichkeit kritisiert.
Die ersten Versuche zur Beschränkung der ausländischen Bevölkerung stammen aus der Zeit des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit, als die Schweiz die grösste Zuwanderungswelle ihrer Geschichte erlebte. Im Zuge des schnellen Wachstums der Schweizer Wirtschaft, insbesondere des Industriesektors, strömten hunderttausende ausländische Arbeiter aus Südeuropa ins Land, insbesondere aus Spanien und Italien.
Die Landesregierung versuchte, den Zustrom ausländischer Arbeitskräfte zu bremsen, indem sie Kontingente einführte: 1963 für Unternehmen und 1970 auf nationaler Ebene, jedoch mit wenig Erfolg. Zwischen 1950 und 1973 stieg der Anteil der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz von 6 auf 17%.
Infolge des steigenden Unbehagens gegenüber Ausländern entstanden zwei kleine Parteien: die Nationale Aktion (heute Schweizer Demokraten) und die Republikanische Bewegung, die sich vor allem für die Verteidigung der nationalen Identität stark machten. In der nationalen Politik spielten diese Gruppierungen immer eine marginale Rolle, dennoch gelang es ihnen, vier Volksinitiativen gegen die «Überfremdung» und «Überbevölkerung» in der Schweiz zur Abstimmung zu bringen. Dabei erhielten sie weit mehr Stimmen als nur von ihrer kleinen Wählerbasis.
1968
Zurücknahme der ersten Überfremdungs-Initiative.
1970
Die Volksinitiative gegen die Überfremdung (Schwarzenbach-Initiative) wird abgelehnt. Ja-Stimmenanteil: 46%.
1974
Die Initiative «gegen Überfremdung und Überbevölkerung» wird mit 34,2% Ja-Stimmen verworfen.
1977
Die «4. Überfremdungs-Initiative» wird abgelehnt. Ja-Stimmen-Anteil: 29,5%.
1984
Die eidgenössische Volksinitiative «gegen den Ausverkauf der Heimat« kommt auf 48,9 Ja-Stimmen.
1987
Die Überfremdungs-Initiative kommt wegen ungenügender Unterschriften nicht zustande.
1988
Die Initiative «für die Begrenzung der Einwanderung» wird verworfen bei 32,7% Ja-Stimmen.
1996
Die Initiative «gegen illegale Einwanderung» wird abgelehnt. Ja-Stimmen: 46,3%.
1997
Die Initiative «Masshalten bei der Einwanderung» scheitert im Sammelstadium.
2000
Die Initiative «für eine Regelung der Zuwanderung» (18%-Initiative) kommt auf einen Ja-Stimmen-Anteil von 36,2%.
2014
Die Volksinitiative «gegen Masseneinwanderung» wurde mit knapp über 50% angenommen.
Grosses Echo in Europa
Die erste dieser Art, die «Schwarzenbach-Initiative» (genannt nach dem Leader der Nationalen Aktion), verlangte eine Begrenzung der Ausländerzahl auf 10% der Gesamtbevölkerung. 1970 kam sie vors Volk und erhielt bei einer Rekordstimmbeteiligung von 74% einen Ja-Stimmen-Anteil von 46%, was in ganz Europa ein enormes Echo auslöste.
Aufgrund dieses Resultats doppelten die Nationale Aktion und die Republikanische Bewegung kurz später mit zwei ähnlichen Initiativen nach, die allerdings weniger Zustimmung erhielten: 34,2% Ja-Stimmen 1974 und deren 29,5% 1977.
Grund für die abnehmende Akzeptanz waren die gewaltige Mobilisierung eines Teils der grossen politischen Parteien sowie der Intellektuellen, von Leuten, die vom Ausgang der ersten Abstimmung schockiert waren. Vor allem aber war es die Rezession zwischen 1974 und 1976, die dazu führte, dass rund 300’000 ausländische Arbeitskräfte die Schweiz verliessen.
Auch mit ihrer letzten Initiative gegen die Einwanderung hatte die Nationale Aktion kein Glück: Sie wurde 1988 bei einem Ja-Stimmenanteil von 32,7% verworfen. Ähnlich war das Ergebnis im Jahr 2000 bei der Abstimmung über eine Initiative von Philipp Müller, dem jetzigen Präsidenten der Freisinnigen Partei, welche die Zahl der Ausländer auf 18% beschränken wollte. Sie kam auf 36% Ja-Stimmen.
Trotz dieser ziemlich klaren Abstimmungsresultate lösten die «Überfremdungs»-Initiativen in den 1970er-Jahren harsche Kritik im Ausland aus, insbesondere in den Nachbarstaaten.
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In den Medien, in Filmen und in der Literatur wurde die Schweiz mehrfach als ein fremdenfeindliches Land dargestellt.
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Die Auferstehung des Saisonnier-Statuts
Aufstieg der SVP
In den letzten 20 Jahren wurde die Ausländerdebatte hauptsächlich von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) angestachelt, die sich bis bislang vor allem der Asylpolitik verschrieben hatte. Die rechts-konservative Partei schlug eine Reihe von Verschärfungen im Asylgesetz vor, kämpfte gegen die europäische Integration und gegen jegliche Annäherung an die EU. Diese Themen führten zu einem spektakulären Aufstieg der SVP, die ihre Wählerschaft seit Anfang der 1990er-Jahre quasi verdreifachen konnte.
Die wählerstärkste Partei der Schweiz wurde bis jetzt bei allen Abstimmungen über die bilateralen Verträge mit der EU und zur Personenfreizügigkeit, die sie regelmässig bekämpft hatte, geschlagen.
Allerdings konnte die SVP in den letzten Jahren zwei wichtige Siege erringen, nämlich mit der Initiative «gegen den Bau von Minaretten», die 2009 angenommen wurde, sowie mit der Initiative über die «Ausschaffung krimineller Ausländer», welcher der Souverän 2010 zustimmte.
Diese beiden Erfolge und die wachsende Zuwanderung von Arbeitskräften aus der EU veranlasste die SVP 2011, ihre erste Initiative zur Eindämmung der Immigration ausländischer Arbeitskräfte zu lancieren, über die an diesem Sonntag abgestimmt wurde.
Eine Vorlage, die in den letzten 20 Jahren zur politisch-konservativen Vision dieser Partei wurde, die noch in den 1970er-Jahren die Volksinitiativen gegen die Überfremdung als «menschlich und wirtschaftlich unannehmbar» definiert und sich über die klaren Absagen durch das Schweizer Stimmvolk gefreut hatte.
In naher Zukunft kommt zudem eine weiterer Vorschlag an die Urnen, der die Zuwanderung in die Schweiz begrenzen will, nämlich die Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Gemäss dem Initiativtext darf die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz infolge Zuwanderung im dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen. Zudem dürfte die Eidgenossenschaft künftig keine internationalen Abkommen mehr abschliessen, welche diesen Bestimmungen widersprechen.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)
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