Ein Fest im Schatten des Bundeshauses
Unter dem Motto "Asyl ist Menschenrecht" haben Flüchtlinge und Einheimische am Berner Flüchtlingstag ein Fest der Begegnung gefeiert.
Mit deutlichen Worten kritisierten Rednerinnen und Redner das verschärfte Asylrecht und forderten eine Rückbesinnung auf die humanitäre Tradition der Schweiz.
Wo sonst Kinder beim Spiel unter den neuen Wasserfontänen vorführen, wie leicht es ist, aufeinander zuzugehen, versuchen heute auch Erwachsene ihre Hemmungen zu überwinden und sich von ihrer Neugier leiten zu lassen. Auf dem Bundesplatz in Bern sollen für einmal die Schranken zwischen Einheimischen, Flüchtlingen und Asylsuchenden fallen. Es ist Flüchtlingstag.
Am Morgen wurden hier auf dem Wochenmarkt noch Geranien und Käse verkauft, jetzt gibt es Samosas, Pakora, gebratenen Fisch, Baklava und gebackene Bananen. Der Bundesplatz hat sich in einen Basar verwandelt. Unbekannte Düfte, exotische Musik, leuchtende Farben und ein buntes Durcheinander an Sprachen beleben den Platz.
Für einmal Mensch, und nicht Problem sein
Sichtlich stolz, ausnahmsweise nicht als politisches Problem, sondern als Mensch mit einem besonderen Schicksal und einer entdeckenswerten Kultur wahrgenommen zu werden, haben sich Frauen und Männer aus Sri Lanka, dem Kongo, Eritrea, Palästina, dem Iran und vielen Ländern mehr, herausgeputzt und sind in ihre bunten Trachten geschlüpft.
An unzähligen Ständen verkaufen sie Spezialitäten und Kunsthandwerk aus ihrer Heimat. Ein Lächeln hier, ein Scherz dort – über dem Essen und Trinken wird es plötzlich ganz leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Zum Beispiel Janani
«Guten Tag miteinander», grüsst der dunkelhäutige Mann hinter dem Stand mit den srilankischen Spezialitäten in breitestem Berndeutsch. Er bäckt Omeletts, die er dann mit Linsenmus füllt. «Waday» nenne man das, erklärt seine 15-jährige Tochter.
Janani Sinnarajah war als 18 Monate altes Baby mit ihren Eltern aus Sri Lanka in die Schweiz geflohen. Für sie sei der Flüchtlingstag wichtig. Ihre Familie sei jedes Jahr dabei, und sie helfe gerne mit. «Es bedeutet mir viel, dass man sich auch für Flüchtlinge ein bisschen Zeit nimmt», sagt sie gegenüber swissinfo.
Der Austausch funktioniere gut. «Es kommen viele Schweizer vorbei und fragen, wie die Spezialitäten gemacht werden. Oder manchmal fragen sie, wo man diese Kleider kaufen kann. Sie möchten sich auch ein bisschen anziehen wie wir. Das finde ich ziemlich gut.»
Janani, die sich «halb als Schweizerin und halb als Srilankerin» fühlt, und ihre Familie seien in der Schweiz von Anfang an gut aufgenommen worden.
Der eisige Wind aus dem Bundeshaus
Seither hat sich Einiges verändert in der Schweiz. Am 1. April 2004 wurde das Asylgesetz verschärft. Für Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben werden, wird es immer schwieriger, in der Schweiz Schutz vor Verfolgung, Hunger und Krieg zu finden.
So geht denn der einzige Misston am Fest in Bern auch vom Bundeshaus aus. Als Symbol für die Verschärfungen im Asylrecht überragt es das Treiben auf dem Platz. Unter dem Motto «Asyl ist Menschenrecht» erinnert die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) am Flüchtlingstag 2005 daran, dass jeder Mensch das Recht hat, menschenwürdig behandelt zu werden.
Der Forderung schliesst sich auch alt Bundesrätin Ruth Dreifuss an. In ihrer Rede warnt sie auf dem Bundesplatz vor einer «fortschreitenden Erosion» des Asylgesetzes.
«Die Schweiz steht nicht vor einem Einmarsch. Es besteht kein Anlass, die Grenzen zu schliessen und Kriegsspiele zu inszenieren.» Der Zusammenhalt der Gesellschaft und die Fähigkeit zur Integration seien die beste Gewähr für die Sicherheit der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, betont sie und erntet damit grossen Applaus.
Wider die «Blocherei» im Asylgesetz
Auch die Sozialdirektorin der Stadt Bern, Edith Olibeth, spricht deutliche Worte und stellt fest, dass sich die Asylpolitik in eine Richtung entwickle, die zu Teilen als ausländerfeindlich und als menschenrechtsfeindlich bezeichnet werden müsse.
«Und das liegt nicht nur an jenem Bundesrat, der als Chef des Justiz- und Polizeidepartementes oberster Asylstratege ist und die Verfassung und das Asylrecht nach seinem Gusto zurechtstutzen will. Nein, er hat bei seiner Blocherei gegen das Asylrecht zu viele willige Helfershelfer, Mitstreiterinnen, Mörgelis.»
Erfreut über die unverblümten Reden der prominenten Gäste in Bern zeigt sich Martine Scholer von Integration BE, einer nicht Gewinn orientierten AG, die die anerkannten Flüchtlinge im Kanton Bern betreut.
Scholer hat den Anlass in Bern zum nationalen Flüchtlingstag organisiert und zieht eine positive Bilanz. «Es herrscht eine aussergewöhnliche Stimmung. Der Platz hat sich gefüllt, und es kommen immer mehr Menschen.»
swissinfo, Nicole Aeby
Unter dem Motto «Asyl ist Menschenrecht» fanden am 18. Juni in über 200 Städten und Gemeinden diverse Aktionen zum nationalen Flüchtlingstag statt.
Der Flüchtlingstag wurde 1980 von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) ins Leben gerufen. Seither findet er traditionell am 3. Samstag im Juni statt.
Mit dem Tag will die Flüchtlingshilfe Kontakte zwischen Flüchtlingen und Einheimischen fördern, Spenden für Projekte sammeln und über Fluchtgründe informieren.
Der internationale Tag der Flüchtlinge findet jedes Jahr am 20. Juni statt.
Im letzten Jahr zählte des Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) weltweit 9,2 Mio. Flüchtlinge, der niedrigste Stand seit 1980.
Gleichzeitig fiel in der Schweiz die Zahl der neuen Asylgesuche auf den tiefsten Stand seit 1987. Ende 2004 lebten 24’271 anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz, 1,9% weniger als im Vorjahr. Mit 55’103 sank die Zahl der Personen im Asylprozess gegenüber dem Vorjahr um 14,6%.
Auf Antrag von Justiz- und Polizeiminister Christoph Blocher wurde in der Schweiz das Asylrecht am 1. April 2004 verschärft.
Unter anderem verweigert es Asylsuchenden ohne Papiere den Zugang zum Asylverfahren, schliesst Abgewiesene von der Sozialhilfe aus und schränkt die Nothilfe für Renitente ein.
Kritiker sehen im neuen Asylgesetz einen Verstoss gegen die Bundesverfassung und gegen das internationale Völkerrecht.
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