Ein Votum zwischen Emotion und Vernunft
Das Ja zur Unverjährbarkeits-Initiative ist die grosse Überraschung des Abstimmungs-Sonntags. Mit dem Betäubungsmittelgesetz erhält die bisherige Politik das grüne Licht des Stimmvolks. Das flexible Rentenalter wurde als zu teuer abgelehnt.
Die Annahme der Initiative für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern kommt einerseits überraschend, andererseits aber auch nicht.
Emotionale Themen haben an der Urne die besseren Chancen. Besonders, wenn sie Tabuthemen wie Pädophilie oder Schwerverbrechen betreffen.
Dies zeigte zuletzt 2004 die Initiative zur lebenslangen Verwahrung von extrem gefährlichen Sexual- und Gewaltstraftätern.
Ohne grosse Unterstützung der Politik hatte diese Initiative die Hürde von Volks- und Kantonsmehr genommen. Der Gesetzgeber beisst sich seither die Zähne an den strengen Vorgaben des Volksbegehrens aus.
Nun kommt eine weitere Initiative in dieser Richtung dazu, die umgesetzt werden muss. Juristen bemängeln besonders den unklar formulierten Text der Vorlage.
Auch diese Initiative hatte kaum Unterstützung aus der Politik. Einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) hatte die Kinderschutz-Organisation Marche Blanche unterstützt.
Vernünftig
Das deutliche Ja zum revidierten Betäubungsmittelgesetz hingegen erstaunt nicht. Es ist ein Ja zu einer pragmatischen Drogenpolitik und ein Vertrauensbeweis an Parlament und Regierung, welche diese in den letzten fünfzehn Jahren auf den heutigen Weg gebracht haben.
Im Stimmvolk scheint der Konsens zu herrschen, dass die in den letzten Jahren praktizierte Drogenpolitik, eingeschlossen die Heroinabgabe an Schwerstsüchtige, vernünftig ist.
Damit erhält ein jahrelanges Provisorium eine legale Basis, stand die Drogenpolitik bisher doch nur auf dringlichen Bundesbeschlüssen, die zudem von Zeit zu Zeit verlängert werden mussten.
Die Bilder aus den 90er-Jahren mit den offenen Drogenszenen waren damals in alle Welt gegangen und hatten der Schweiz geschadet. Diese sind mit der aktuellen Drogenpolitik weitgehend verschwunden. Es gibt weniger Drogentote. Das Experiment scheint gelungen.
Keine Überraschung
Dass die Hanf-Initiative derart klar abgelehnt wurde, spricht ebenfalls für das Betäubungsmittelgesetz. War doch dieses vor vier Jahren im Parlament wegen der Hanf-Problematik gescheitert.
Deshalb wurde sie aus den Gesetz ausgeklammert und auf später verschoben. Für viele ging sie zu weit, was nun vom Stimmvolk klar bestätigt wurde.
Denn Cannabis wird nicht wie Alkohol als ein Genussmittel angesehen, sondern immer noch als eine Droge, für viele sogar als Einsteiger-Droge.
Die Vorstellung einer Legalisierung hat eine Mehrheit der Stimmenden abgeschreckt. Kommt dazu, dass in der Vorlage nach der Meinung vieler der Jugendschutz zu wenig berücksichtigt wurde.
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Volksinitiative
Zu teuer
Mit der Initiative zur Flexibilisierung des Rentenalters, welche einen Bezug der vollen Rente aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ab 62 Jahren ermöglichen wollte, ist erneut eine Initiative zu diesem Thema beim Stimmvolk abgeblitzt.
Sozialpolitische Vorlagen haben es in der deutschsprachigen Schweiz immer schwerer als in den lateinischsprachigen Kantonen. Auch bei der AHV-Initiative ist dieses Abstimmungsverhalten zu beobachten, wenn auch etwas abgeschwächt.
Vielen Stimmenden dürften die Mehrkosten in Zeiten von Finanzkrisen zu hoch gewesen sein. Obwohl 1,5 Milliarden Franken gegenüber den gegenwärtig in aller Welt versprochenen Hilfspaketen eher gering wirken.
swissinfo, Christian Raaflaub
Volksinitiative «Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz»:
36,8% Ja, 63,2% Nein
Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz):
68,0% Ja, 32,0% Nein
Volksinitiative «Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern»:
51,9% Ja, 48,1% Nein
Volksinitiative «Für ein flexibles AHV-Alter»:
41,4% Ja, 58,6% Nein
Volksinitiative «Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz!»:
34,0% Ja, 66,0% Nein
Stimmbeteiligung: 46,1%
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