Einsamer Tod eines wirtschaftskritischen Managers
Der Manager, ehemalige Leiter des Gottlieb Duttweiler Instituts, Wirtschaftskritiker und freie Publizist Hans A. Pestalozzi ist tot.
Mit Sachbuch-Bestsellern wie «Nach uns die Zukunft» oder «Auf die Bäume ihr Affen» wurde Pestalozzi einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Hans A. Pestalozzi wurde 1929 als Sohn eines Theologen und einer Frauenrechtlerin geboren. Nach dem Abschluss an der Hochschule St. Gallen kam er 1955 als persönlicher Sekretär zum Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler.
1966 bis 1979 leitete er das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI)in Rüschlikon und machte es zu einer international bekannten Denkfabrik, heute als Think Tank bezeichnet. Seine Aufgabe bestand darin, Schwachstellen der Wachstums- und Konsumgesellschaft aufzuspüren und «Alternativen zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen» zu entwickeln. Als er dies, ab 1977 auch in Vorträgen immer kompromissloser und radikaler tat, wurde er entlassen.
In einem Film von Franz Deubzer sagte Pestalozzi später: «Wir waren die Hofnarren der Wirtschaft, hoch angesehen. Aber der Hofnarr hat den Nachteil, dass er die Wahrheit immer nur dem König sagen durfte.»
Zweite Karriere
Nun begann der Ex-Manager seine zweite Karriere als «freier Publizist und autonomer Agitator». Der Film «Pestalozzi» von Roman Brodmann machte ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Seine erstes Buch «Nach uns die Zukunft – Von der positiven Subversion» wurde ein Bestseller.
Pestalozzi legte sich auch mit dem nationalen Heiligtum an, der Schweizer Armee. 1982 gab der ehemalige Bataillons-Kommandant das Buch «Rettet die Schweiz, schafft die Armee ab» heraus.
Als autonomer Agitator engagierte er sich Anfang der 80er-Jahre im «Migros-Frühling». Diese Oppositionsgruppe wollte im Juni 1980 offene Migros-Wahlen erzwingen und eigene Kandidaten und Kandidatinnen aufbauen, und damit über die Verwendung des «Sozialen Kapitals» mitbestimmen.
«Edel-Aussteiger»
Neben der Tätigkeit als Sachbuchautor hielt Pestalozzi bis 1996 Vorträge im In- und Ausland.
«Hans A. Pestalozzi. Schweizer Rebell» definierte ihn das alternative Online-Projekt Coforum.de, «Alt Revoluzzer» apostrophierte ihn die Presse, gelegentlich auch als «Edel-Aussteiger». In den letzten Jahren äusserte sich Pestalozzi nur noch selten in der Öffentlichkeit. Er zog sich immer mehr zurück.
Vom Erlös seines Erstlings kaufte sich Hans A. Pestalozzi das «Heimetli» im Steintal bei Wattwil im Toggenburg. Dort versorgte er sich seit 1984 praktisch selbst und starb vorige Woche als Einsiedler.
swissinfo und Agenturen
Geboren 1929
1966 – 1979 Leiter des GDI
1980er-Jahre: Freier Publizist und Buchautor
Ab 1996: Rückzug ins Privatleben
14. 7. 2004 Tod in Wattwil (SG)
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