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EU stellt Rechnung für Rumänien und Bulgarien

Schweizer Aufbauhilfe auch für die beiden neuen EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien? Keystone

Die Europäische Union (EU) wird die Schweiz demnächst offiziell auffordern, auch für die neuesten EU-Staaten Rumänien und Bulgarien Finanzhilfe zu leisten.

Bern dürfte sich mit der Antwort Zeit lassen. Der Bundesrat hat weitere Hilfe bisher weder ausgeschlossen noch zugesagt

Die Post mit der Forderung wird Bundespräsidentin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in den kommenden Tagen oder Wochen wahrscheinlich gleich doppelt erhalten: Von EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und vom deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier für die EU-Präsidentschaft.

Obwohl keine Summe erwähnt sein wird, ist es kein Geheimnis, wie viel die EU für Rumänien und Bulgarien wünscht: Zwischen 300 und 350 Mio. Franken für fünf Jahre.

In der Antwort auf eine Interpellation von Nationalrat Hans Fehr von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) schrieb die Landesregierung Mitte Dezember: «Ein allfälliges weiteres Begehren seitens der EU wäre im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen.

Das Osthilfegesetz enthält keine Verpflichtung für zusätzliche Leistungen, lässt solche jedoch zu.» Entscheiden würde das Parlament, ein Referendum wäre diesmal also nicht möglich.

Regierung wartet ab

Die Schweiz wolle eigenständig entscheiden, betonte Calmy-Rey in einem Interview mit der Sonntags-Zeitung: «Wir lassen uns nichts diktieren. Über die Milliarde haben wir nicht verhandelt. Wir gedenken dies auch bei einer weiteren Forderung nicht zu tun.»

Tatsächlich hatte der Bundesrat 2004 die Kohäsionsmilliarde von sich aus offeriert – falls die Verhandlungen über die Bilateralen II erfolgreich abgeschlossen würden. Eine Anfrage aus Brüssel hatte Bern zuvor ein Jahr lang unbeantwortet gelassen.

Auch diesmal dürfte es Bern mit einer Antwort nicht eilen. Zuerst wird der Bundesrat wohl abwarten, wie viel die EWR-Länder für Rumänien und Bulgarien aufwenden.

Steuerstreit

Zwar zahlt das grösste EWR-Land Norwegen viel mehr als die Schweiz, aber seine Leistungen sind eine Referenzgrösse. Oslo will jetzt für Rumänien und Bulgarien weniger zahlen als für die zehn früheren EU-Neulinge. Der Ausgang der Verhandlungen ist noch offen.

In der Schweiz wird sich die SVP natürlich gegen weitere Zahlungen verwahren. Parteipräsident Ueli Maurer verwies im Tages-Anzeiger auf den Steuerstreit mit Brüssel: «Solange die EU unser Steuersystem nicht anerkennt, ist es abwegig, nur schon daran zu denken, für Bulgarien und Rumänien Geld zu verlangen.»

Bisher verknüpfte der Bundesrat diese Themen jedoch nicht. Denn eine Verknüpfung würde in Brüssel als Signal verstanden, dass Bern im Steuerstreit verhandeln will.

Falls aber der Steuerstreit eskalieren sollte, hätte eine zusätzliche Finanzhilfe im Schweizer Parlament wohl tatsächlich wenig Chancen – erst recht nicht im Wahljahr 2007.

Simon Thönen, Brüssel

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Im November 2006 haben die Stimmberechtigten in der Schweiz das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas («Osthilfegesetz») angenommen.

Darauf gestützt kann die Schweiz die Aufbauhilfe der zehn Ländern, die 2004 der EU beitraten, mit 1 Mrd. Franken, der sogenannten «Kohäsionsmilliarde», in den kommenden zehn Jahren unterstüzten. Dies hatten die Schweiz und die EU schon zu einem früheren Zeitpunkt in einer Absichtserklärung (Memorandum) mit der EU festgehalten.

Die EU strebt nun aus Gründen der Gleichbehandlung für Bulgarien und Rumänien eine Ergänzung zum Memorandum an. Ein Betrag wird nicht genannt; Forderungen von 300 bis 350 Mio. Franken machen aber die Runde.

Im Abstimmungskampf um die Kohäsionsmilliarde hatte der Bundesrat einen Beitrag auch an die Entwicklung von Rumänien und bulgarien nie kategorisch abgelehnt.

Über einen allfälligen Beitrag im Rahmen der Osthilfe müsste das Parlament entscheiden.

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