Warum am 1. Mai nicht alle frei haben
Wer musste am 1. Mai arbeiten? Wer hatte frei? Die offiziellen Feiertage in der Schweiz folgen keiner Logik, sondern kirchlichen, historischen und industriegeschichtlichen Linien.
«Die Freiburger kommen!», heisst es jeweils in der Stadt Bern, wenn im katholischen Nachbarkanton wieder mal ein Feiertag ansteht, der in Bern nicht begangen wird. Dann nutzen viele die Möglichkeit, in der Hauptstadt Einkäufe zu erledigen oder einfach nur den zusätzlichen Freitag zu geniessen.
Die Feiertage in der Schweiz können Sie sich als eine sehr komplexe Excel-ListeExterner Link vorstellen. Denn eine Regel, welcher Kanton wann welchen Feiertag begeht, die gibt es in der Schweiz nicht.
Die einzigen vier FeiertageExterner Link, die in allen Kantonen des Landes gelten, sind Neujahr, Auffahrt, der Weihnachtsfeiertag und der 1. August (Nationalfeiertag). Ostern und Pfingsten fallen sowieso immer auf einen Sonntag.
Starker kirchlicher Einfluss
Ausser dem 1. August und dem 1. Mai (Tag der Arbeit) sind die Feiertage in der Schweiz fast alle kirchlichen Ursprungs. Als Grundregel kann festgehalten werden, dass in katholischen Kantonen einige Tage mehr offiziell blau gemacht werden darf als in reformierten. Denn die Regelung aller anderen Feiertage liegt in den Händen der Kantone. Aber auch innerhalb einzelner Kantone kann es Unterschiede geben.
Ein Blogeintrag des Tages-AnzeigersExterner Link von 2014 stellte fest: «Die Dienste der Kirche werden immer weniger in Anspruch genommen (…).Aber wenn es um Feiertage geht, stellt niemand die Religion infrage.»
Gemäss dem Blog sind Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde Schwyz die Schweizer Meister im Blaumachen. Sie haben pro Jahr 17 offizielle Feiertage – ohne Oster- und Pfingstsonntag. Im Schlusslicht Chur – Kantonshauptstadt von Graubünden – seien es hingegen lediglich acht.
Dank Industrie frei am 1. Mai
Der Tag der Arbeit gilt nur in acht Kantonen als offizieller Feiertag: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Tessin, Thurgau und Zürich. In den Kantonen Aargau und Solothurn wird oft nur bis zum Mittag gearbeitet. In anderen Kantonen feiern gewisse Gemeinden den 1. Mai zwar auch, aber als Gedenktag des lokalen Schutzpatrons.
Der 1. Mai gilt als Tag der Arbeiterbewegung. Er geht zurück auf den Kampf der US-Arbeiter zur Durchsetzung des Achtstundentags im Jahr 1886. In zahlreichen Staaten ist er heute ein gesetzlicher Feiertag. Gemäss dem Historischen Lexikon der SchweizExterner Link (HLS) fand er in der Schweiz erstmals 1890 statt. Ab Mitte der 1890er-Jahre erhielten die Arbeiter einen unbezahlten Freitag, um an Veranstaltungen teilzunehmen.
Auffallend ist, dass der 1. Mai in der Schweiz in solchen Kantonen als Feiertag gilt, die bereits früh industrialisiert wurden und wo die Gewerkschaften deshalb ein stärkeres Gewicht haben. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund bezeichnet den 1. Mai deshalb auch als den «einzigen wirklich weltumspannenden Feiertag».
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