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Ferienort lernt den Umgang mit Klimakatastrophen

Engelberg hat pro Jahr rund 750'000 Logiernächte zu verzeichnen.

Der Obwaldner Kurort Engelberg unternimmt viel, um nicht wieder Opfer einer katastrophalen Flut oder von Medienberichten zu werden, die das Ausmass eines Desasters überzeichnen.

Niemand bezweifelt, dass die Schönheit der Alpen die Trumpfkarte des Schweizer Tourismus ist. Die Natur hat aber auch eine hässliche Seite, wie 2005, als Fluten Engelberg vom Rest der Welt abschnitten.

Die Unwetter der letzten Tage verschonten diesmal den Ferienort Engelberg.

Doch auch fast zwei Jahre nach den Unwettern vom August 2005 sind dort noch heute Arbeiten im Gang, um das Strassenstück am Dorfeingang wieder definitiv in Stand zu setzen, das wie ein Teil der Eisenbahn-Gleise weggespült worden war.

Die Schweiz war damals zum zweiten Mal innert sechs Jahren von extremen Unwettern heimgesucht worden.

Wegen der Zerstörung des kurzen Strassen- und Bahnabschnitts am Eingang des Dorfes waren Engelbergs einzige Verbindungen zur Aussenwelt auf dem Landweg während mehr als zwei Wochen unterbrochen.

Massive Umsatzeinbussen

Engelberg war der einzige Schweizer Ferienort, der von den Fluten so schwer betroffen war, was auch Journalisten in Scharen anzog. Etwa 200 Medienschaffende flogen mit dem Helikopter ein, andere nahmen den beschwerlichen Weg zu Fuss über die Berge, um zu ihrer Geschichte zu kommen.

Der materielle Schaden der rund 4000 Menschen, deren Einkommen meist direkt oder indirekt vom Tourismus abhängt, hielt sich in Grenzen. Es gab vor allem überflutete Keller und Erdgeschosse; die Schäden waren zu einem grossen Teil durch Versicherungen gedeckt.

Was Engelberg zu schaffen machte, war der Umsatzausfall von rund 18 Mio. Franken im Tourismusgewerbe. Viele Reiseunternehmen hatten ihre Gäste nicht nur während der 16 Tage, in denen Engelberg von der Umwelt abgeschnitten war, umgebucht, sondern gleich für den Rest der Sommer- und Herbst-Saison.

«Ich verbrachte Tage und Wochen damit, Touroperatoren zu überzeugen, zurückzukommen», erklärt Tourismusdirektor Fredy Miller gegenüber swissinfo.

Medienberichte hätten den Eindruck hinterlassen, Engelberg werde nie wieder sein wie früher, obschon die meisten Aufräumarbeiten nach wenigen Monaten abgeschlossen waren, so Miller.

Rückkehr zur Tagesordnung

Nach den Überschwemmungen pendelte sich die Zahl der Touristen in der Wintersaison auf dem normalen Stand ein, wie auch im Sommer darauf.

Engelberg generiert zwar noch immer rund 70% seines Einkommens während der Skisaison, doch in den letzten Jahren ist die Sommersaison wichtiger geworden.

Engelberg hatte vor einigen Jahren beschlossen, zu einem Ganzjahres-Ferienort zu werden; Hotels, Läden und Bergbahnen sind heute elf Monate in Betrieb. Dies war ein wichtiger Schritt, um vermehrt Gäste aus Asien anzuziehen, die oft ausserhalb der Hauptsaisons reisen.

Die Marketing-Bemühungen haben sich offenbar ausgezahlt. Laut Miller verbringen etwa Touristen aus Indien mehr Nächte in Engelberger Hotels als in andern Schweizer Destinationen, das gelte auch für Städte wie Zürich und Genf.

Doch je mehr Engelberg zur internationalen Destination wird, umso schwieriger wird es sein, im Fall einer neuen Katastrophe, egal welchen Ausmasses, nicht im Scheinwerferlicht internationaler Medien zu stehen.

Falls es ein nächstes Mal geben sollte, möchte Miller mehr Kontrolle haben über die Berichterstattung der Medien. «Das Ziel wäre, anfangs nur wenig zu sagen, dann nach und nach mehr, um dann auf positive Kommunikation umzustellen», sagt er. «Etwa, dass die Strasse innerhalb von zwei Wochen wieder offen sein wird.»

Aktionsplan

Martin Odermatt, Mitglied des Gemeinderates und Chef des Engelberger Krisenstabs, will, dass sich eine Situation wie beim letzten Mal gar nicht wiederholt. «Wir konnten damals einiges tun, aber es reichte für einen solch extremen Fall nicht aus.»

Nach dem Hochwasser vom August 2005 hat Engelberg unter Odermatts Oberaufsicht sein Krisenmanagement überarbeitet und Risikoanalysen durchgeführt, um in Zukunft für die schlimmstmöglichen Naturkatastrophen wie Lawinen, Bergstürze, Überschwemmungen besser gewappnet zu sein.

Um die Risiken zu vermindern, wurde beim Wiederaufbau einerseits der beim Unwetter 2005 zerstörte Strassen- und Bahnviadukt verstärkt. Daneben investierte Engelberg mehr in Sofortmassnahmen und in weitere langfristige Massnahmen.

So werden in Zukunft Notfall-Teams bereit stehen, um bei Flutgefahr niedrige Brücken zu demontieren und Treibholz und anderes Geschiebe aus den Fliessgewässern zu entfernen. Damit soll verhindert werden, dass Flüsse und Bäche gestaut werden und über die Ufer treten.

Zudem wurden Pläne zur Verbesserung der Uferverbauungen gutgeheissen, um eine erneute Überflutung des Dorfkerns zu verhindern; in weniger stark bebauten Gebieten sollen dafür Überflutungszonen geschaffen werden.

Ein weiterer wichtiger Pfeiler ist die Kommunikation. «Man darf nicht überreagieren, muss aber das Wetter immer gut im Auge behalten», sagt Odermatt zu swissinfo.

«Wir müssen sicherstellen, dass Gäste, die nie zuvor einer potenziell gefährlichen Lage ausgesetzt waren, sich sicher fühlen. Die Natur hat zwei Seiten – mit dieser Tatsache müssen wir leben.»

swissinfo, Dale Bechtel, Engelberg
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Engelberg liegt auf 1050 Metern über Meer in den Innerschweizer Alpen, rund 35 km von Luzern entfernt.
Die meisten der 3975 Einwohnerinnen und Einwohner haben direkt oder indirekt mit dem Tourismus zu tun.
Engelberg entwickelte sich rund um ein Benediktiner-Kloster, das bis heute Einfluss auf das Leben im Dorf hat, von Schulen bis hin zu kulturellen Veranstaltungen.
Zum Kloster gehören auch Handwerksbetriebe, unter anderem eine Käserei.

Zu den Überschwemmungen von 2005, die weite Teile der Schweiz betrafen, gibt es nach Angaben der Behörden in der neueren Geschichte des Landes keine Parallele.

Innerhalb von 48 Stunden fielen in Teilen des Alpennordhangs mehr als 100 mm Regen. Insgesamt sechs Menschen kamen in den Fluten um. Der Schaden belief sich auf schätzungsweise 3 Mrd. Franken.

Nach Ansicht des Umweltamtes und anderer Regierungsstellen könnte der globale Klimawandel dazu führen, dass die Schweiz in Zukunft vermehrt mit extremen Wetter-Ereignissen rechnen muss.

Für das ganze Land sollen daher bis ins Jahr 2011 neue Gefahrenzonen-Karten erstellt werden, um festzulegen, wo welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen zu mindern.

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