2005: swissinfo drohte das Aus
Der angekündigte Abbau von swissinfo hat 2005 zu heftigen Protesten der Auslandschweizer geführt. Auch im Parlament stiessen die SRG-Pläne auf Widerstand.
National- und Ständerat wollen die Finanzierung der Internet-Plattform für Auslandschweizer garantieren, aber die Zukunft von swissinfo bleibt unsicher.
Eigentlich hätte 2005 das Jahre der Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag von swissinfo (ehemals Schweizer Radio International SRI) sein sollen. Doch das Gegenteil trat ein: 2005 geriet eher zum Jahr des Todesurteils für die «Stimme der Schweiz in der Welt».
Am 22. März kündigte die SRG-Generaldirektion an, die neunsprachige Internet-Plattform swissinfo auf Ende Jahr praktisch abschaffen zu wollen. Die SRG ist die Gesellschaft des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens der Schweiz, zu der swissinfo gehört.
Sparprogramm
Die SRG begründete diese Pläne mit notwendigen Sparmassnahmen. Die Gesellschaft erwartet in den kommenden Jahren einen markanten Rückgang der ihr zur Verfügung stehenden Mittel.
Insbesondere als Folge des neuen Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG), das vom Eidgenössischen Parlament seit März 2004 beraten wird, dürfte die SRG Gebührengelder in der Höhe von Dutzenden von Millionen Franken verlieren.
Während der ersten Ratsdebatten zum RTVG ging man übrigens davon aus, dass der Bund nicht mehr – wie bis anhin – die Hälfte des swissinfo-Budgets garantiert hätte.
Daher entschied der SRG-Verwaltungsrat im März, den Auslandsdienst swissinfo massiv zu reduzieren. Es sei nicht Aufgabe der SRG, einen Auslandsdienst alleine zu finanzieren.
Gemäss SRG reicht ein englischsprachiger swissinfo-Dienst künftig aus, um die Schweiz im Ausland bekannt zu machen. Zur Information auf Deutsch, Französisch und Italienisch sollten hingegen die jeweiligen Online-Dienste der sprachregionalen SRG-Sender ausgebaut werden.
Chor an Protesten
Die Abbaupläne stiessen jedoch bei den Auslandschweizern auf heftige Kritik. Vor allem die Eidgenossen im europäischen Ausland protestierten lautstark. Dort leben zirka zwei Drittel der weltweit 620’000 Auslandschweizer.
Die Fünfte Schweiz erwachte: In etlichen Resolutionen äusserten Delegiertenversammlungen ihre «Bestürzung und Empörung» über die Abbaupläne. Die SRG wurde aufgefordert, den Entscheid zu überdenken.
«Um die besonderen Informations-Bedürfnisse der Fünften Schweiz zu berücksichtigen, braucht es eine autonome und spezialisierte Unternehmenseinheit», heisst es etwa in der Resolution der in Italien lebenden Auslandschweizer.
«swissinfo ist unsere Informationsquelle. Die Internet-Plattform muss in ihrer gegenwärtigen Form erhalten bleiben», fordern die Auslandschweizer in Grossbritannien. «swissinfo ist eine Visitenkarte für die Schweiz, auf die man nicht verzichten kann», sagen ihre Landsleute in Spanien.
Ganz ähnlich tönte es am Auslandschweizer–Kongress im September 2005 in Interlaken. Bei diesem Anlass räumte SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Bernard Münch ein, «die emotionale Bindung der Fünften Schweiz an swissinfo unterschätzt zu haben».
Parlament interveniert
Die Reaktionen blieben auch in der Schweiz nicht aus: Etliche Parlamentarier, kantonale Behörden, politische Parteien, Gewerkschaften, Journalistenverbände, Emigranten-Organisationen und Kulturvereine kritisierten den Entscheid. Prominenter Protest kam auch von der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
Das Eidgenössische Parlament hat in diesen Monaten wiederholt die Wichtigkeit von swissinfo als Brücke zwischen der Schweiz und dem Ausland unterstrichen.
Die SRG SSR idée suisse konnte ihrerseits nicht vor der Verabschiedung des neuen RTVG über die Zukunft von swissinfo entscheiden.
Während der parlamentarischen Debatte nahm der Ständerat, die kleine Parlamentskammer, eine Motion von Filippo Lombardi an. Diese verlangte vom Bundesrat, die Internet-Plattform swissinfo in seiner jetzigen Form zu erhalten, eine Auslagerung des Online-Dienstes in die regionalen Radio- und Fernseheinheiten der SRG zu untersagen und sich an der Finanzierung wieder zu beteiligen.
Im September beschloss der Nationalrat, die Grosse Kammer, der Bund müsse die Hälfte zum Budget von swissinfo beisteuern. Im November entschied der Ständerat, dass die Eidgenossenschaft in Zukunft mindestens die Hälfte des Budgets von swissinfo tragen muss.
Die Divergenzen zwischen den beiden Räten in Bezug auf das RTVG sollten im März in der Frühjahrssession bereinigt werden.
SRG SSR idée suisse gibt nicht auf
Trotz der Unterstützung des Parlaments ist die Zukunft von swissinfo nach wie vor unsicher. Die SRG SSR idée suisse will ihren Auslandsdienst offenbar nicht vom Sparprogramm ausnehmen.
Im Dezember hat der SRG-Verwaltungsrat die Direktion von swissinfo aufgefordert, «sämtliche Möglichkeiten zur kostengünstigeren Erstellung eines Online-Angebots, das dem gesetzlichen Auftrag gerecht wird, umfassend zu prüfen».
Gemäss der Mediengewerkschaft SSM ist diese Aufforderung das Vorspiel zu einer definitiven Auflösung von swissinfo. Die SRG missachte den ihr politisch erteilten Auftrag. Die Generaldirektion weist diesen Vorwurf zurück. Die Anfrage sei in Einklang mit der Konzession und den gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgt. Affaire à suivre.
swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen Gerhard Lob)
1935 wurde Schweiz Radio International (SRI), heute swissinfo, gegründet.
Der Auftrag besteht darin, die Schweiz im Ausland bekannt zu machen und die Fünfte Schweiz über das Geschehen im Heimatland zu informieren.
Mehr als 620’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, zwei Drittel davon in europäischen Ländern.
Fast 100’000 Auslandschweizer sind registriert, um an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen.
Am 22. März 2005 kündigt die SRG SSR idée suisse einen Radikalkur von swissinfo an. Demnach soll nur das englischsprachige Online-Portal erhalten bleiben. 70 – 80 Arbeitsplätze würden abgebaut.
Am 9. Juni nimmt der Ständerat eine Motion von Filippo Lombardi an. Diese fordert, das bestehende Angebot von swissinfo zu erhalten und eine Auslagerung des Online-Dienstes in die regionalen Radio- und Fernseheinheiten der SRG zu untersagen.
Am 22. September spricht sich der Nationalrat für einen Vorschlag aus, wonach der Bund die Hälfte des swissinfo-Budgets übernehmen muss.
Am 30. November entscheidet der Ständerat, dass die Eidgenossenschaft in Zukunft mindestens die Hälfte des Budgets von swissinfo übernehmen muss.
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