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Abkommen mit Japan: Mehr Sushi für die Schweiz?

Doris Leuthard mit dem japanischen Aussenminister Hirofumi Nakasone in Tokio. swissinfo.ch

Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard hat am Donnerstag in Tokio ein Freihandels-Abkommen zwischen der Schweiz und Japan unterzeichnet. Damit kommen sich die Schweiz und das Land der aufgehenden Sonne wirtschaftlich bedeutend näher.

swissinfo sprach mit Doris Leuthard am Rande der Unterzeichnung in Tokio.

swissinfo: Sie haben bei der Unterzeichnung erklärt, das Abkommen mit Japan sei nach jenem von 1972 mit der Europäischen Gemeinschaft das wichtigste Abkommen für die Schweiz. Warum?

Doris Leuthard: Weil Japan die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt ist und somit vom Volumen her für die Schweiz von grosser Bedeutung ist.

Ausserdem sind wir das erste europäische Land, mit dem Japan ein solches Abkommen abgeschlossen hat. Das ist wirtschaftlich, gerade in einer schwierigen Zeit, ein Lichtblick für unsere Exportindustrie.

swissinfo: Warum gerade die Schweiz?

D.L.: Das ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Schweiz seit 150 Jahren einen Handels- und Freundschaftsvertrag mit Japan hat und diese Beziehungen immer gepflegt hat.

Vor allem aber ist es auch Botschafter Luzius Wasescha zu verdanken, der innerhalb der WTO mit der Gruppe der G10 eine schweizerisch-japanische Strategie aufgebaut hat, in der man gemeinsam in der WTO die Agrarinteressen verteidigt hat.

Andererseits ist auch in anderen Bereichen die Erkenntnis gereift, dass wir viele Gemeinsamkeiten, gleiche Werte haben. Weshalb also nicht auch eine generelle Marktöffnung auf bilateralem Weg?

swissinfo: Das Abkommen wurde im Vorfeld schon als «Meilenstein» oder Modell-Abkommen bezeichnet. Was ist daran so anders?

D.L.: Es ist ein breites, modernes Abkommen, das nicht nur eine Freihandelszone für Industriegüter und spezielle Agrarprodukte eröffnet, sondern auch Elemente im Bereich der Dienstleistungen hat, eine starke Verankerung im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums und erstmals Elemente von E-Commerce.

Also sehr viele neue Elemente, die vorbildlich sein könnten für künftige Abkommen.

swissinfo: Was gibt die Schweiz preis für das Abkommen?

D.L.: Auch wir senken natürlich noch bestehende Zölle. Weil wir aber gerade im Bereich der Industriegüter schon sehr tief sind, schmerzt uns das nicht sonderlich.

Die Zollreduktionen für Industriegüter werden zu Ausfällen für die Bundeskasse von vielleicht 13 Millionen Franken im Jahr führen, das ist also auf einem sehr tiefen Niveau. Insofern sind wir hier eigentlich auf einer guten Verhandlungsposition gestartet.

swissinfo: Was ist das Besondere am japanischen Markt?

D.L.: Die Japaner sind nach wie vor recht bürokratisch. Sie haben auch nationale Eigenheiten im Bereich von Bewilligungsverfahren, Lizenzen und Standards, um die heimische Bevölkerung möglichst gut zu schützen.

Eigentlich ein ehrenwerter Gedanke, der dann aber oft nicht kompatibel ist mit den uns vertrauten europäischen oder amerikanischen Normen.

swissinfo: Im Agrarsektor sollen besonders Reiswein und Bonsai-Bäumchen leichter in die Schweiz importiert werden können. Hatte Japan keine anderen Wünsche?

D.L.: Es gibt noch ein wenig Kobe-Beef und Grünpflanzen. Aber Japan ist wie wir ein Land, das grundsätzlich Lebensmittel importiert. Insofern eben auch nicht ein Land, von dem wir in grösserem Rahmen Nahrungsmittel importieren.

Das ist aber für die Schweiz wiederum nicht besonders tragisch, weil es uns gleich geht und wir natürlich auch froh waren, dass die Forderungen im Bereich der Agrarprodukte relativ bescheiden ausgefallen sind.

swissinfo: Was bringt das Abkommen den Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz?

D.L.: Erstens einmal sichert es Arbeitsplätze und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit. Für Unternehmen der Exportindustrie, vor allem für die chemische, pharmazeutische, Uhren- und Maschinenindustrie ist dieses Abkommen wichtig.

Dass es billigere Preise gibt, würde ich jetzt nicht in den Vordergrund stellen, weil beide Staaten eher hochwertige und damit eben auch hochpreisliche Güter produzieren.

Aber wir haben etwa im Bereich der Autoindustrie umweltschonende Fahrzeuge, welche die Schweiz aus Japan importiert. Hier könnte es sich durchaus auch positiv auf den Verkaufspreis auswirken.

swissinfo: Das Abkommen ist unterzeichnet. Was muss jetzt noch politisch geschehen, damit es in Kraft tritt?

D.L.: Ich werde bereits im März dem Bundesrat eine Botschaft unterbreiten, wo er dieses Abkommen genehmigen muss. Wenn dem so ist, wird das Parlament sich in den Kommissionen damit befassen.

Mein Ziel ist es, dass beide Parlamentskammern bis Ende Sommer darüber befunden haben, dann könnten wir dieses Abkommen bereits zwischen August und Oktober in Kraft treten lassen. Jeder Monat würde Kosten einsparen und der Exportwirtschaft verbesserte Bedingungen bringen.

swissinfo: Auf japanischer Seite muss es aber auch noch genehmigt werden.

D.L.: Die Minister haben mir heute bestätigt, dass auch für sie ein rasches Inkraftsetzen zentral ist. Ich hoffe deshalb sehr, dass sich der skizzierte Fahrplan ziemlich deckungsgleich ergibt, so dass beide Staaten ab dem Sommer davon Nutzen ziehen könnten.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub, Tokio

Japan ist für die Schweiz nach der EU und den USA und knapp vor China der drittwichtigste Handelspartner.

In Japan liegt die Schweiz unter den ausländischen Investoren auf dem achten Platz.

2008 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 7,1 Mrd. Franken nach Japan.

Die japanischen Exporte beliefen sich im selben Zeitraum auf 4,1 Mrd. Franken.

Die wichtigsten Schweizer Produkte, die nach Japan eingeführt werden, sind chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Uhren und Maschinen.

Japan exportiert Autos, Edelmetall, Bijouterieartikel, Maschinen und chemische Produkte in die Schweiz.

Das Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft (FHWPA) wurde am 19. Februar 2009 unterzeichnet.

Insgesamt dauerten die Verhandlungen 2 Jahre. Verhandelt wurde in 8 Runden, je viermal in der Schweiz und in Japan. Leiter der Schweizer Delegation war Botschafter Luzius Wasescha.

Es ist das erst Mal, dass Japan ein solches Abkommen mit einem europäischen Land abschliesst.

Das Hauptabkommen umfasst 94 Seiten, dazu kommen 20 Seiten Umsetzung und rund 900 Seiten mit verschiedensten Listen.

Wann genau das Abkommen in Kraft tritt, hängt von den Parlamenten der beiden Länder ab.

Im Oktober ist eine Reise mit einer Wirtschafts-Delegation geplant, um die Kontakte zu vertiefen.

Neben der Unterzeichnung des Freihandels-Abkommens mit dem japanischen Aussenminister Hirofumi Nakasone hat Doris Leuthard am Donnerstag in Tokio noch weitere Minister getroffen.

So führte sie Gespräche mit Wirtschaftsminister Toshihiro Nikai und Landwirtschafts-Minister Shigeru Ishiba.

Am Freitag fliegt die Volkswirtschaftsministerin weiter nach Hongkong, wo sie Rita Lau Ng Wai-lan, Ministerin für Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung, treffen wird.

Daneben steht auch ein Höflichkeitsbesuch bei Donald Tsang, dem Verantwortlichen für die Administrativ-Region Hongkong, auf dem Programm.

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