Adecco und die zornigen Aktionäre
Wird der weltgrösste Zeitarbeits-Konzern zur Kasse gebeten? In den USA haben die Aktionäre bereits Schadenersatz-Klagen eingereicht
Anfang Januar musste Adecco die Bekanntgabe des Jahresergebnisses 2003 verschieben. Der Aktienkurs stürzte zeitweise um 48% ab.
Die Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen auf den Finanzplätzen hindert die Börse nicht daran, dass die Aktienkurse einzelner Firmen weiterhin in schwindelerregender Weise zusammen brechen können.
Adecco, hat am 12. Januar angekündet, man müsse wegen nicht näher genannten Problemen bei der amerikanischen Tochter die Bekanntgabe des Ergebnisses 2003 verschieben. Das hat dazu geführt, dass die Firmenspitze zusehen musste, wie der Aktienkurs in den Keller sauste.
Adecco verlor an der Börse binnen Minuten rund 7 Mrd. Franken. Bereits einige Tage später wurden an amerikanischen Gerichten diverse Klagen gegen die Firma deponiert. Dies war möglich, weil die Adecco-Titel auch in den USA kotiert sind.
Schweizer Börse zurückhaltender
Während sich die amerikanischen Aktienbesitzer fragen, ob sie für ihren Verlust entschädigt werden, reagiert die Schweizer Börse SWX viel zurückhaltender.
Trotzdem wurde aber eine Voruntersuchung gegen Adecco eröffnet. Dabei geht es um die Frage, ob der Konzern die Ad-hoc Publizitäts-Regeln unterwandert hat.
Die Vorabklärungen beziehen sich ausschliesslich auf den Handel mit Derivaten und sollen allfällige Kursmanipulationen, Insidergeschäfte und andere Reglementverstösse aufdecken.
Sind damit die verschiedenen Justizsysteme alleine für die unterschiedlichen Einschätzungen der Sachlage zuständig?
«In den USA klagen Aktionäre, schon bevor sie den Unfang des erlittenen Schadens kennen», sagt Dominique Biedermann, Direktor der Stiftung Ethos in Genf.
«Generell argumentieren die europäischen Investoren in solchen Fällen anders. Sie wollen zuerst wissen, was wirklich passiert ist, bevor sie juristische Schritte unternehmen», sagt Biedermann weiter.
Die Anlagen und ihre Risiken
Die amerikanischen Gerichte brauchen noch Wochen, um zu entscheiden, ob die Klagen gegen Adecco begründet sind. Doch lässt der Aktiensturz auch die Schweizer Investoren darüber nachdenken, ob sie sich um eine Entschädigung vor Gericht bemühen sollen.
Jede Geldanlage birgt ein gewisses Risiko. Niemand kann eine Garantie auf die getätigten Investitionen abgeben. Die Kapitalmärkte haben diese Binsenwahrheit in den vergangenen vier Jahren mehrmals drastisch vor Augen geführt.
«Jedermann weiss, dass ein Flugzeug abstürzen kann und doch fliegen fast alle», sagt Carlo Lombardini, ein Genfer Rechtsanwalt, der sich auf das Bankrecht spezialisiert hat.
Das Problem ist, dass vor allem die kleinen Anleger die Risiken ihrer Geldanlagen oft unterschätzen oder gar ignorieren. Für Lombardini hat es viel damit zu tun, dass sich kleine Anleger oft nicht um die Mechanismen der Finanzwelt kümmern.
«Die Banken leihen viel weniger Kredite aus. Um die dadurch fehlenden Zinserträge zu kompensieren, werden heute dem Publikum viel mehr Finanztitel verkauft», vermutet Lombardini.
Betrug ist immer möglich
Wenn die Geschäfte an der Börse schlecht laufen, dann sei der Investor der Leidtragende. Er riskiere sein Geld zu verlieren. Die Banken würden meist diskret im Hintergrund bleiben, um nicht für den Verlust verantwortlich gemacht zu werden.
Kein Unternehmen – und sei es noch so renommiert – sei vor der Gefahr gefeit, dass einer seiner Verantwortlichen ein Delikt begehe. «Keine noch so strenge Gesetzgebung hat jemals einen Betrug verhindern können», argumentiert Lombardini.
Im Fall Adecco liegt genau hier des Pudels Kern. «Man müsste wissen, was genau geschehen ist, um die richtigen Schlüsse zu ziehen», sagt Hans Jacob Heitz, der Präsident der Schutzvereinigung für Schweizer Anleger (SVSA).
Die Justiz wird entscheiden
Zwei Annahmen kommen nun im Fall von Adecco in Betracht: Das Unternehmen könnte falsche Informationen verbreitet haben. Dann müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Oder aber die Gesellschaft hat schlecht kommuniziert und sich für eine schlechte Informationsstrategie entschieden. Für diesen Irrtum könnte sie juristisch nicht verfolgt werden.
So oder so haben die Aktionäre den Börsenverlust zu tragen. Der gerichtliche Weg ist jedoch nicht immer die beste Form für die Aktionäre, um zu einer Entschädigung zu kommen.
«Die Aktionäre können auch den Weg über eine ausserordentliche Generalversammlung gehen. Ein Verfahren, das transparenter und vor allem viel schneller ist, als ein langwieriges Gerichtsverfahren», stellt Heitz fest.
swissinfo, Jean-Didier Revoin
(Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer)
Am 12. Januar verloren die Adecco-Aktien vorübergehend 48% ihres Wertes.
Die Gesellschaft musste die Bekanntgabe der Jahresergebnisse verschieben.
Durch den massiven Kurssturz fühlten sich etliche Aktionäre betrogen.
In den USA laufen bereits verschiedene Sammel-Klagen gegen den Schweizer Zeitarbeits-Konzern.
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