Adecco versucht, die Wogen zu glätten
Die weltweite Nummer 1 der Zeitarbeits-Vermittlung bestätigt, dass es zu keinen breitangelegten Unterschlagungen gekommen sei.
Adecco sieht keinen Grund, dass dies grössere finanzielle Konsequenzen nach sich zieht. CEO Jérôme Caille bleibt im Sattel.
Der weltgrösste Zeitarbeits-Vermittler Adecco hat im Zuge seines Bilanzskandals in einigen Ländern lokale Fälle von Unterschlagungen und Unregelmässigkeiten auf Filialebene festgestellt.
Noch befinde sich zwar die Untersuchung der Buchführung, der internen Kontrollen und der Handhabung der sog. Compliance, der Einhaltung der Regeln, in einem frühen Stadium.
«Der Verwaltungsrat glaubt jedoch nicht, dass sich diese Fälle als bedeutend für das Gesamtunternehmen herausstellen werden», teilte Adecco am Freitag mit.
Unabhängiger Beobachter eingesetzt
Die Unregelmässigkeiten sollen nun mit Unterstützung der New Yorker Anwaltskanzlei Paul, Weil, Rifkind, Wharton and Garrison LLP untersucht werden. Der Verwaltungsrat von Adecco hat den Briten Richard Kilsby zum unabhängigen Beobachter ernannt, um die Unabhängigkeit der Untersuchungen sicher zu stellen.
Das Unternehmen habe Schritte eingeleitet, um seine Kontrollsysteme weltweit zu stärken.
Die Börse quittierte diese Mitteilung am Freitag Vormittag mit einem Sprung der Aktie um 15 Prozent nach oben, bei sehr hohen Umsätzen.
Am 12. Januar hatte das Unternehmen überraschend bekannt gegeben, dass es die Veröffentlichung des Jahresabschlusses verschieben muss. Darauf fielen der Kurs der Adecco-Aktie und das Rating des Unternehmens stark, und in den Medien führte die «fortgesetzten Kommunikationspanne» des globalen Konzerns zu vielen Spekulationen.
Neuer Chef für Nordamerika, aber Konzernchef bleibt
Jetzt ist der Chef für das Nordamerikageschäft ausgewechselt worden. Der neue CEO für Adecco Nordamerika heisst Ray Roe und ist dem Konzernchef Jérôme Caille unterstellt, hiess es.
Der 36-jährige Caille aber bleibt oberster Chef von Adecco, was aber laut dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» dem Grossaktionär Klaus J. Jacobs nicht passt. Laut Beobachtern werde Caille von einem der beiden Hauptaktionäre, dem Ecco-Gründer Philippe Foriel-Destezet (18% des Kapitals) gestützt, wie die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» am Freitag schreibt. Foriel-Destezet ist der Taufpate von Jérôme Caille.
Mit Cailles Entlassung war in den letzten Tagen spekuliert worden. Am Donnerstag hatten aus diesem Grund die Adecco-Aktien etwas fester tendiert.
«Letztlich muss Caille als CEO das Desaster verantworten, durch das an einem Tag 5,4 Mrd. Franken Börsenwert vernichtet wurden, so viel wie nie zuvor in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte», schreibt das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» in seiner Februarausgabe.
Der andere Adecco-Grossaktionär, Klaus J. Jacobs, der von Adia her kommt, hatte am Dienstag in einem Interview erklärt, falls es Caille nicht gelinge, innert kürzester Zeit wieder das Vertrauen von Kunden, Investoren und Mitarbeitern herzustellen, werde er abgesetzt.
Auch nach Ansicht von Analysten wackle der Stuhl von Caille, seit ihn Klaus J. Jacobs unter Beschuss genommen habe.
Schulden von 1,4 Mrd. Franken
Erste Abklärungen in Nordamerika hätten keine Hinweise auf «breit angelegte Unterschlagungen oder ähnliche Unregelmässigkeiten festgestellt, welche für das Gesamtunternehmen von finanzieller Bedeutung wären», schreibt Adecco.
Das Unternehmen sei finanziell gesund. Die Nettoverschuldung einschliesslich ausserbilanzlicher Verpflichtungen habe sich per Ende 2003 auf 900 Mio. Euro belaufen (rund 1,4 Mrd. Franken).
2002 stand der Konzern noch mit 2 Mrd. Franken in der Kreide. Die Reduktion der Verschuldung im vierten Quartal stamme vor allem aus betrieblicher Tätigkeit. Auch sei die Nachfrage nach Dienstleistungen grösser als im Vorjahr, gab Verwaltungsrats-Präsident John Bowmer bekannt. Das Geschäft entwickle sich wie erwartet.
Dennoch bleibt eine Skepsis bestehen. Ein Händler wies darauf hin, dass immer noch nicht bekannt sei, wann der Konzern nach der Verschiebung der Publikation seiner Bilanz vor zwei Wochen diese nun veröffentlichen wolle.
swissinfo und Agenturen
Adecco ging 1996 aus der Fusion von Adia und Ecco hervor. Der Konzern hat seinen Direktionssitz in Chéserex bei Lausanne und den Hauptsitz in Glattbrugg bei Zürich.
Durch Wachstum und milliardenteure Firmenkäufe ( v.a. TAD, USA und die britische Delphi Group) wurde der Umsatz seither mehr als verdoppelt.
Mit 25 Mrd. Fr. Umsatz, 28’000 Angestellten und 5800 Filialen in 68 Ländern ist Adecco der grösste Personalvermittler der Welt.
Grösste Aktionäre sind der schweizerisch-deutsche Financier Klaus J. Jacobs (16%) und die französische Familie Foriel-Destezet (18%).
Der Verwaltungsrat und das Management um Präsident John P. Bowmer und Generaldirektor Jerome Caille halten gut einen Drittel der Aktien.
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