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Alfred Escher – Bundesbaron und Eisenbahnkönig

Alfred-Escher-Denkmal vor dem Hauptbahnhof Zürich. imagepoint

"Bundesbaron", "Zar von Zürich", "Eisenbahnkönig": Das sind einige der Übernahmen von Alfred Escher, Gründer der Grossbank Credit Suisse (Schweizerische Kreditanstalt).

Escher war einer der mächtigsten und einflussreichsten Männer im 1848 entstandenen Bundesstaat. Als Wirtschaftspionier war er Besitzer der grössten Eisenbahngesellschaften und Förderer des Gotthard-Bahntunnels.

Alfred Escher vom Glas wurde am 20. Februar 1819 in Zürich geboren. Als Sprössling einer mächtigen Bankiers- und Kaufmannsfamilie engagiert er sich bei den liberalen Kräften, die in Zürich wie auch in der Schweiz einen politischen Wechsel anstreben.

Für Escher hatten liberale Institutionen und nationale Einheit vor allem wirtschaftliche Bedeutung: Vereinheitlichung des Marktes, industrielle Entwicklung mittels Privatinitiative.

Von der Politik zur Wirtschaft

Alfred Escher häufte rasch wichtige politische Ämter an: Mitglied des Zürcher Grossen Rates (Kantonsregierung), den er mehrmals präsidierte, Nationalrat (grosse Kammer des Schweizer Parlamentes) von 1848 bis zu seinem Tod 1882.

Bundesrat war er allerdings nie – ein zu wenig interessantes Mandat für einen Menschen, mit seinem Temperament: Escher wollte über die Politik des Landes eine Vormachtstellung ausüben, ohne in ein System der Kollegialregierung gebunden zu sein.

Von 1856 an, nach seinem Austritt aus der Zürcher Kantonsregierung, wandte er sich noch mehr der wirtschaftlichen Aktivität zu. Er wurde Direktor der von ihm 1853 gegründeten Nordostbahn, eine der grössten Bahngesellschaften der Schweiz.

1856 gründete Escher die Schweizerische Kreditanstalt (heute Credit Suisse), die erste grosse Schweizer Handelsbank. Mit diesem Schritt sollte genügend Kapital zur Finanzierung des Eisenbahnbaus zur Verfügung gestellt werden, ohne auf ausländische Banken zurückgreifen zu müssen.

Zürich als Schwerpunkt des Landes

Mit seinen wirtschaftlichen Initiativen und seinem politischen Einfluss trug Escher dazu bei, den Schwerpunkt des Landes gegen Nordosten zu verschieben und Zürich zum wichtigsten Industrie- und Finanzzentrum der Schweiz zu machen.

Es ist symbolisch, dass das Alfred-Escher-Denkmal am Eingang der Bahnhofstrasse von Zürich steht, wo sich die Geschäfts- und Finanzwelt mit jener der Industrie und Eisenbahn trifft.

Escher war bekannt für seine Intelligenz und seine Arbeitsenergie, bewundert und benieden wegen seiner Fähigkeit, grosse Projekte zu verwirklichen – und das in einem Land mit Hang zu Kompromissen und zur Nivellierung der Persönlichkeit.

Gleichzeitig erwuchs Escher aber auch starke Opposition wegen seinem autokratischen Hang zur Zusammenfügung von politischem Einfluss und wirtschaftlich-finanzieller Macht.

Mit Hilfe von zahlreichen Treuhändern, die er strategisch einsetzte, gelang es Escher, in Zürich während fast 20 Jahren das politische Leben zu kontrollieren. Erst 1868 gelang es der demokratischen Bewegung, die sich für die Erweiterung der Volksrechte einsetzte, dem «System Escher» ein Ende zu setzen.

Mehr Demokratie und weniger Machertum

Auf Bundesebene bedeutete die fortschreitende Stärkung der demokratischen Instrumente den Untergang des repräsentativen und elitären Modells, das Escher verkörperte. Die grösseren Misserfolge, die ihn zutiefst quälten, erlitt Escher ausgerechnet in seinem eigensten Bereich: bei den grossen Bahngesellschaften.

1876 brachten Konkurrenz und Wirtschaftskrise sein Bahnunternehmen in grosse Schwierigkeiten. Auch der Bau des Gotthard-Tunnels war infolge fehlender Finanzen gefährdet. Das Riesenprojekt konnte nur dank Bundessubventionen gerettet werden – eine Ohrfeige für einen Mann wie Alfred Escher, für den Privatinitiative alles war.

Escher musste, zumindest vorübergehend, sowohl das Präsidium der Kreditanstalt wie auch die Direktion der Gotthard-Bahn verlassen. Er nahm an den Feierlichkeiten zur Eröffnung der Gotthard-Linie im Frühjahr 1882 nicht teil. Noch im gleichen Jahr, am 6. Dezember 1882, starb er.

Mäzen

Alfred Escher gehörte zu jener Schicht von reichen und mächtigen Leuten, die ihren Einfluss und ihre privilegierte Position zynisch ausnutzten. Allerdings nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil sie überzeugt davon waren, dass der wirtschaftliche Fortschritt allgemeines Wohlergehen und Vorteile für alle bringt. Sein autoritärer und elitärer Charakter, der wenig für Populismus oder demokratische Gepflogenheiten übrig hatte, unterstrich diese Haltung.

Escher war indessen nicht nur ein Industrieller und Financier. Er ermunterte und unterstützte die Aktivitäten des Schweizer Schriftstellers Gottfried Keller.

Und Eschers Tätigkeit im Kulturbereich wurde von seiner Tochter Lydia ergänzt: Die einzige Erbin seines Riesenvermögens ist die Gründerin der Gottfried-Keller-Stiftung.

swissinfo, Marco Marcacci
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

2006 feiert Credit Suisse, die zweitgrösst Schweizer Bank, ihr 150-Jahr-Jubiläum.

Alfred Escher (1819-1882) war einer der mächtigsten und einflussreichsten politischen Persönlichkeiten im neu entstandenen schweizerischen Bundesstaat (1848).

Er trug wesentlich zum Entstehen des Gesetzes bei, das Privatunternehmungen im Bau des schweizerischen Eisenbahnnetzes begünstigte (1852), sowie zur Gründung des Polytechnikums in Zürich, die heutige Eidgenössische Technische Hochschule ETHZ (1855).

Eschers grosses Projekt war der Bau des Gotthard-Bahntunnels, zu dessen Finanzierung er einen wesentlichen Teil der Finanzen zusammenbrachte. Der Bund trug mit Subventionen aber auch zur Verwirklichung des Projektes bei.

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