Alles andere als eingleisig

Europa will den Güterverkehr auf Schiene aufwerten. Ein Kooperationsvertrag im Infrastruktur-Bereich soll das schlechte Image der Eisenbahnen verbessern.
In der Schweiz sind SBB und BLS mit von der Partie.
«Im Güterverkehr haben die europäischen Eisenbahnen ein schlechtes Image.» So lautet die nüchterne Beurteilung von Hans Martin Schaer, Pressesprecher der BLS Lötschbergbahn. Zwar rede man allerorts von Liberalisierung, doch mache diese jeweils an der Landesgrenze halt.
Unterentwickelter Schienenverkehr
Nicht nur die Schweiz, sondern auch die EU leidet zunehmend unter dem immer dichter werdenden (Strassen-)Verkehr. Laut EU-Kommission werden allein die Güterverkehrtransporte, welche hauptsächlich auf der Strasse stattfinden, bis ins Jahr 2015 um über 50% ansteigen.
Ein verkehrspolitisches Hauptanliegen ist deshalb die Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene. In dieser Frage sind sich die EU und die Schweiz einig.
In der EU ist der Güterverkehr auf Schiene jedoch weit von einer effizienten grenzüberschreitenden Nutzung entfernt. Da erstaunt es nicht, dass der Anteil des Schienengüterverkehrs am Gesamtverkehr in der EU heute weniger als 10% beträgt.
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
Vor allem im Infrastruktur-Bereich sieht Pressesprecher Schaer einen grossen Aufholbedarf. Deshalb habe sich die BLS zusammen mit den SBB und 16 europäischen Eisenbahngesellschaften beziehungsweise Infrastruktur-Anbieter zusammengeschlossen.
Ziel von RailNetEurope (RNE) ist es, den europäischen grenzüberschreitenden Schienenverkehr zu vereinfachen und kundenfreundlicher zu machen.
Damit eine spürbare Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene stattfinden kann, muss sich einiges ändern. «An erster Stelle steht die Pünktlichkeit», sagt Schaer.
«Pünktlichkeit bedeutet Zuverlässigkeit und erlaubt eine bessere und somit effizientere Planung. Diese senkt wiederum Kosten und steigert damit die Attraktivität des Verkehrsmittels.»
Der Kunde wird König
RNE will sein Ziel über den Abbau betrieblicher und administrativer Barrieren und durch gemeinsame Marketing- und Vertriebsstrukturen erreichen. Nationale Netzzugangs-Regelungen werden durch den Vertrag nicht berührt.
Die Kooperationspartner treten neu als «ein» europäischer Schienen-Infrastruktur-Anbieter auf. Laut RNE könne so massiv Zeit gespart werden, im Extremfall bis zu einigen Wochen.
Bisher mussten Eisenbahn-Verkehrsunternehmen bei grenzüberschreitenden Transporten mit jedem einzelnen Land eine Trassen-Vereinbarung treffen. Hoher bürokratischer Aufwand und lange Wartezeiten waren die Folge.
Der Kunde – ein Grossunternehmen oder etwa ein Cargoanbieter – hat nun nur noch einen Ansprechpartner, will er beispielsweise ein Gut von Malmö nach Genua transportieren. Pro Teilnehmerland steht neu ein zentraler Ansprechpartner als sogenannter One-Stop-Shop zur Verfügung, der die Trassen auf ausgewählten Korridoren vermarktet.
Mit den vereinfachten Strukturen versprechen sich die Kooperationspartner bereits ab dem nächsten Jahr eine deutliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Strassenverkehr.
Grosses Potential für die SBB und BLS
Für Danni Härry, Pressesprecher bei der SBB, ist die Kooperation im Bereich Infrastruktur-Nutzung ebenfalls «ein weiterer Schritt zur Stärkung des grenzüberscheitenden Schienenverkehrs».
Da die SBB die Nord-Süd-Achse zur Kernkompetenz erklärt haben, ergeben sich laut Pressesprecher Härry mit dieser Kooperation viele Vorteile für die SBB, sowohl für die Infrastruktur- als auch für die Güterverkehr-Division.
Letztere hat der SBB im vergangenen Jahr einen Verlust von rund 70 Mio. Franken beschert. Der anhaltende Wirtschafts-Abschwung wird voraussichtlich auch in diesem Jahr für rote Zahlen sorgen.
Eine Aufwertung des Güterverkehrs durch effizientere Nutzung der Infrastruktur könnte der Division wieder Auftrieb geben. Auch die BLS glaubt an positive Synergieeffekte zwischen einer effizienteren Infrastruktur und dem Gütertransport.
Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf Schienen kommt SBB und BLS mehr als gelegen. Die Nord-Süd-Achse mit der Schweiz mittendrin gilt heute als der wichtigste Wachstumsmarkt.
swissinfo, Elvira Wiegers
Die Kooperationspartner von RailNetEurope:
BLS (Schweiz)
SBB/CFF/FFS (Schweiz)
BS (Dänemark)
BV (Schweden)
CFL (Luxemburg)
DB (Deutschland)
GySEV/ROeEE (Ungarn, Österreich)
JBV (Norwegen)
ÖBB (Österreich)
Railned (Niederlande)
RAILTRACK (Grossbritannien)
REFER (Portugal)
RENFE (Spanien)
RFF (Frankreich)
RFI (Italien)
RHK (Finnland)
SNCB/NMBS (Belgien) und
SNCF (Frankeich)

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