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Alpentransitbörse: Ständerat tritt auf die Bremse

Die rollende Autobahn durch die Schweizer Alpen rollt noch zaghaft. Keystone

Der Ständerat zweifelt an der vom Bundesrat angestrebten Alpentransitbörse, die eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene vorsieht.

Das Ziel, dass jährlich nur noch 650’000 Lastwagen die Schweizer Alpen queren, kann damit voraussichtlich erst 2019 erreicht werden.

Der Ständerat, die kleine Parlamentskammer, hat am Mittwoch abgelehnt, im Güterverkehrs-Verlagerungsgesetz (GVVG) jetzt schon das Fundament dafür zu legen.

Gemäss dem Ende 2010 auslaufenden alten Verlagerungsgesetz dürften bereits 2009 nur noch 650’000 Lastwagen die Alpen auf der Strasse queren.

Dieses Ziel ist in weiter Ferne, denn nach den jüngsten und neuerdings wieder steigenden Zahlen dürften es heuer noch immer gut 1,2 Millionen sein.

Ziel hinausgeschoben

Die 650’000 LKW-Fahrten sollen «spätestens zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels» erreicht sein, das heisst 2019.

Die Kommissionsminderheit von der Sozialdemokratischen Partei (SP) plädierte für das Endziel 2012, blitzte aber klar ab. «Hat es den 20. Februar 1994 nie gegeben?», fragte Ernst Leuenberger.

Laut dem damals vom Souverän angenommenen Alpenschutzartikel hätte die Verlagerung 2004 abgeschlossen sein müssen. Wer bremse, müsste ehrlicherweise die Verfassung ändern, hiess es.

Ein Annäherungsprozess

Das wollte im Ständerat niemand. Mit dem GVVG verpflichtete man den Bundesrat vielmehr auf den von Kommmissionspräsident Thomas Pfisterer von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) beschworenen «Annäherungsprozess».

Der Bundesrat soll demnach die Wirksamkeit des Gesetzes regelmässig überprüfen und alle zwei Jahre einen Bericht mit Zwischenzielen und Massnahmen vorlegen.

Angesichts der beschränkten Instrumente zur Belastung der Strasse und zur Förderung der Schiene könne der Bundesrat «nicht das Blaue vom Himmel versprechen», sagte Verkehrsminister Moritz Leuenberger.

Der Trend immerhin sei gebrochen: Ohne die bisherigen Massnahmen würden heute jährlich 400’000 LKW mehr durch die Alpen fahren.

Die Priorität setzte der Ständerat ausdrücklich bei der Förderung des unbegleiteten kombinierten Verkehrs über grosse Distanzen.

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Offene Fragen

Gross war die Skepsis gegenüber der vom Bundesrat angestrebten Alpentransitbörse, mit der Durchfahrtsrechte versteigert werden könnten. Obschon sich auch zahlreiche Votanten für die Börse stark machten, zog die kleine Kammer der Schaffung gesetzlicher Grundlagen eine blosse «Verhandlungsermächtigung» für den Bundesrat vor.

Mit der Kommission kam man zum Schluss, dass noch zu viele Fragen offen und die Realisierungschancen fraglich seien. Die Verlagerung sei auch ohne die nur europäisch denkbare Alpentransitbörse zu erreichen, sagte Pfisterer. Andere hielten fest, ohne Kontingentierung lasse sich das Ziel nie erreichen.

Alpeninitiative enttäuscht

Der Verein «Alpen-Initiative» bezeichnete die Entscheide des Ständerats als respektlosen Umgang mit dem Volkswillen. Er beharrt darauf, dass eine Alpentransitbörse bis spätestens 2009 eingeführt und das Verlagerungsziel bis 2012 erreicht wird.

Der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonalverband (SEV) warf der kleinen Kammer vor, falsche Hindernisse aufgebaut zu haben.

swissinfo und Agenturen

1981 haben 312’000 Lastwagen die Schweizer Alpen durchquert.
1990 stieg die Zahl des alpenquerenden Transitverkehrs auf 731’000 LKW.
Im Jahr 2000 erreichte der alpenquerende Transitverkehr mit über 1,4 Mio. die Spitze.
2006 ging die Zahl der alpenquerenden Lastwagen auf 1,1 Mio. zurück.

Die Alpentransitbörse ist ein Instrument zur Bewirtschaftung der knappen Strassenkapazitäten mit Hilfe von Marktmechanismen. Sie dient als Grundlage für die Verlagerung des Alpen-Transits von der Strasse auf die Schiene.

Dabei wird eine maximale Anzahl Transitfahrten auf der Strasse durch die Alpen festgelegt. Die Durchfahrtsrechte können versteigert werden.

Die Durchfahrtsrechte gelten für alle alpenquerenden Strassen in der Schweiz. Um eine Umfahrung durch die angrenzenden Länder zu verhindern, sieht die Alpentransitbörse eine gemeinsame Koordination im Alpenraum vor.

Laut Hans-Jörg Bertschi, dem Verwaltungsratspräsidenten der Transportfirma Hupac, braucht es nach der Eröffnung der Gotthard-Achse der NEAT keine Subventionen mehr für den alpenüberquerenden Schienenverkehr.

Dieser könne dann rentabel betrieben werden, sagte er in einem am Mittwoch publizierten Inteview mit dem «Tages-Anzeiger».

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