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Alpwirtschaft heute: Stahlharte Romantik

Im Berggasthof Bundalp führen Sennentum und Gastwirtschaft eine ideale Ehe. swissinfo.ch

Leben Sennen auch heute noch wie zu Gotthelfs Zeiten? Ist die sommerliche Arbeit auf der Alp ein Job für Idealisten oder Nostalgie-Romantiker?

swissinfo besuchte eine Sennenfamilie, welche Wanderer und Übernachtungsgäste am heutigen Älplerleben teilhaben lässt und modernes Sennentum vorlebt.

Schon die Reise auf die Bundalp ist ein Erlebnis! Das Kiental im Berner Oberland zeigt sich von seiner sonnigsten Seite, saftige Wiesen, dunkelgrüne Wälder und dahinter schneebedeckte Alpengipfel, überdeckt von einem blauen Sommerhimmel an dessen Rändern langsam Cumulus-Wolken in die Höhe wachsen. Die Strassen werden immer schmäler und steiler, das Kreuzen mit dem Postauto ist verboten.

Andreas und Ruth Steiner führen mit einer ihrer Töchter, einer Angestellten und «Ferienbuben» eine Sennerei mit 28 Kühen, 20 Schweinen, einem Hund, mehreren Katzen und ein paar freilaufenden Kaninchen. Das Berggasthaus bietet rund 100 Übernachtungs-Möglichkeiten.

Eine ganze Menge Arbeit kommt da zusammen. Da ist leicht zu verstehen, dass für Sennenromantik wie alphornblasende Bergler oder einen Jodlerchor hinter jedem Hügel nicht viel Zeit ist. In der heutigen Alpwirtschaft gibt es keine Heidi-Romantik – und hatte es wohl auch früher nicht gegeben.

Kein Job für Morgenmuffel

Wer nicht einigermassen locker früh aus den Federn kommt, wird beim Sennen-Job hart bestraft. Ab sechs Uhr beginnt (ohne Frühstück) das Rücktreiben der Kühe von der Weide in den Stall.

Dann, ab 7 Uhr wird gemolken, mit der Maschine. Andreas Steiner: «Die Maschine ist heute effizienter als die Hand. Der Takt ist elektronisch gesteuert, immer gleich.» Der Mensch dagegen wird mal müde.

Am optimalsten für die Kuh wäre ein saugendes Kalb. «Die Maschine bildet die Saugbewegung nach,» erklärt Steiner. «Mit den Händen gelingt uns das nicht, wir erzeugen damit kein Vakuum, sondern machen Druck.»

Vor dem Käsen gibt es ein kurzes Frühstück: Warme Milch mit Kaffee oder Schokolade, Brot, natürlich eigene Butter und Marmelade. Hier trifft sich die ganze Sennmannschaft zum ersten Mal am Tag.

Übernachtungsgäste halten auf Trab

Und da die Bundalp auch ein Gastbetrieb ist, hat bereits ein guter Teil der Übernachtungsgäste gefrühstückt und macht sich zum Weiterwandern bereit. Der Küchendienst läuft auf Hochtouren, die Gästebetten müssen gemacht und die Zimmer geputzt werden.

Weiter werden das Mittagessen vorbereitet und die anderen Tiere versorgt. Die Kühe verbringen den Tag im Stall, da es hier, über der Baumgrenze, keinen natürlichen Schatten gibt. Und zuviel Sonne ist auch für Kühe ungesund.

Den ganzen Tag über gibt es viel zu tun; derzeit sind die Nachmittage mit Bauarbeiten ausgefüllt. Steiners müssen eine Kläranlage einrichten, ein neues Güllenloch und, da der Boden um den Stall bereits aufgerissen ist, wird auch gleich noch eine Blitzschutz-Anlage installiert.

Vormittag gehört der Käseproduktion

Der Vormittag aber steht für den Sennen ganz im Zeichen der Käseproduktion. Steiners stellen einerseits den Mutschli her, einen Weichkäse, der bereits nach rund zwei Wochen in den Verkauf gelangt.

In der Hauptsache wird aber Alpkäse produziert, der frühestens nach einem Jahr als Schnittkäse verkauft wird. Als Zweijähriger gelangt er dann als würziger Hobelkäse in den Verkauf.

Pro Saison produzieren Steiners rund 2,5 Tonnen Käse. Die tägliche Produktion liegt Anfang Saison bei 60 Kilo pro Tag, gegen Ende bei noch etwa 20. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Kühe vor dem Kalben gegen Jahresende weniger Milch produzieren.

Zauberwort «Direktvermarktung»

Aber egal in welchem Reifezustand Steiners ihren Käse verkaufen, er ist phantastisch gut! «Wir verwerten unseren Käse praktisch selbst», sagt Sennerin Ruth Steiner. «Mit unserem Gastbetrieb ist das auch kein Problem.»

Und ihr Ehemann ergänzt: «In der Regel haben wir eher zu wenig Käse, und das kann nicht jeder in der Schweizer Landwirtschaft sagen.» Ein gewisser Stolz schwingt mit in seinen Worten.

«Vor 9 Jahren, als wir diesen Betrieb übernommen hatten, dachten wir eigentlich nicht daran, auch eine Restauration zu betreiben», erklärt der Senn. «Aber jetzt ist das schon ganz praktisch, da sie uns sehr bei der Direktvermarktung der Milchprodukte hilft.»

Und das macht Sinn in einer Zeit, wo die Preise für Milchprodukte schon jetzt unter grossem Druck stehen und wahrscheinlich weiterem, noch stärkerem ausgesetzt sein werden.

swissinfo, Etienne Strebel, Bundalp

Die Alpbetriebe liegen an Berghängen, auf hohen Terrassen und in Alpmulden.

Älpler wie Familie Steiner auf der Bundalp sind Halbnomaden: im Sommer ziehen sie mit Hab und Gut auf ihren Sömmerungs-Betrieb auf 1840 Meter ü. M.

Dort verbringen sie mit ihren Tieren rund 85 Tage. Mitte September kehren sie wieder zurück auf ihren Hof im Emmental.

Alpkorporationen stellen Senner und Hilfsmannschaften für die Zeit der Vieh-Sömmerung an.

Seit Generationen sorgen in der Schweiz Behörden und Korporationen dafür, dass die Alpen nachhaltig bewirtschaftet werden. Die Alpweiden sind «geseyt», d. h. sie werden nur mit einer beschränkten Anzahl Tiere «bestossen».

Dadurch werden die Alpweiden weder über- noch unternutzt und erhalten sich so seit Jahrhunderten natürlich und funktionstüchtig.

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