Als nicht die Welt, aber immerhin die Swissair stillstand
Am 2. Oktober 2001 blieben alle Flugzeuge des fliegenden Nationalstolzes am Boden. Die Bilder gingen um die Welt. Die Schweiz reagierte gedemütigt und geschockt.
Merh als fünf Jahre später fliegt die Swiss unter den Flügeln der deutschen Lufthansa wieder in die schwarzen Zahlen.
«Ein nationaler Mythos am Boden», «Nichts ist mehr, wie es war», «Schwarzer Dienstag»: Die Medien beschrieben das Grounding als Albtraum, als «nationalen Super-GAU» und damit als das «definitive Ende des Sonderfalls Schweiz».
Die Volksseele war aufgewühlt. «Die Leute haben unsere Swissair ganz einfach geliebt und waren entsprechend sehr traurig», fasst der damalige Personalchef Matthias Mölleney gegenüber swissinfo die Stimmung zusammen.
71 Jahre lang flogen die Maschinen als Botschafterinnen der Schweiz in die weite Welt. Nun lagen sie dort, wo in der Heimat der Stolz war, am Boden. Die Swissair – lange als beste Airline der Welt bewertet – war abgebrannt, die Kerosin-Tanks leer.
Passagiere und ganze Crews sassen fest. Tickets waren Makulatur. Mehrere Grossdemonstrationen machten die Grossbank UBS zum Sündenbock.
Sturzflug war absehbar
Die UBS hätte mit einer Finanzspritze die Gesellschaft noch retten können, kritisierten auch die Swissair-Spitze und Landesregierung.
Doch das Debakel hatte sich spätestens im Frühjahr 2001 angekündet. Damals hatte die UBS-Spitze der Swissair-Führungsriege Schönfärberei über den wirklichen Zustand vorgeworfen und erklärt, das Unternehmen sei betriebswirtschaftlich betrachtet bis zu drei Mrd. Franken überschuldet.
Die Lage hatte sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 noch weiter zugespitzt. «Es war von Anfang an klar, dass für die alte Swissair jede Hilfe zu spät kommt», erklärte UBS Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel wenige Tage nach dem Grounding.
Mit der Hunter-Strategie in den Sinkflug
Der Abstieg des Nationalstolzes begann Ende der 1980er Jahre. Mit dem Wegfall der Preisabsprachen und dem Anstieg der Kerosinpreise wurde der Konkurrenzdruck immer grösser.
1992 sagte die Schweiz Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Die Swissair musste deshalb Nachteile gegenüber Konkurrenten aus EWR-Ländern in Kauf nehmen. So konnte sie keine Strecken zwischen EWR-Ländern mehr anbieten.
In der Folge versuchte sie mit Fusionen, Allianzen und Übernahmen erfolglos ihr Glück. 1993 scheiterte das Alcázar-Projekt, eine Fusion mit KLM, SAS und Austrian Airlines.
Ab 1994 verfolgte die Swissair ihre Hunter-Strategie, beteiligte sich an maroden Fluggesellschaften (Sabena, Air Portugal, Turkish Airlines, AOM, Air Littoral) und scheiterte damit definitiv.
Swiss: Trotz staatlicher Hilfe gescheitert
Nach dem Zusammenbruch musste die öffentliche Hand den Steuerknüppel übernehmen. Mit ungewöhnlichem Tempo wurde die Nachfolge-Gesellschaft Swiss aus dem Boden gestampft. Der Bund und die Kantone beteiligten sich mit mehr als 2 Mrd. Franken an der neuen Airline.
Die Linke argumentierte mit den gefährdeten Arbeitsplätzen für die A fonds perdu-Beträge, die Bürgerlichen sahen den Wirtschaftsstandort Schweiz ohne nationale Fluggesellschaft in Frage gestellt. Einzig die rechtskonservative Volkspartei war dagegen.
Swiss startete an Ostern 2002 und schaffte es trotz massiver Starthilfe, verschiedenen Restrukturierungs-Massnahmen und Neupositionierungen nicht auf die erforderliche Flughöhe. Die Gesellschaft bemühte sich erfolglos um eine Aufnahme in eine der grossen Allianzen. Die Milliarden schmolzen wie der Schnee an der Frühlingssonne.
Flucht unter die Flügel des Kranichs
Im März 2005 einigte sich die Lufthansa mit den Grossaktionären der Swiss auf eine Übernahme. Für 2006 wird die Swiss zum ersten Mal seit ihrer Gründung einen Gewinn ausweisen.
Im Januar 2007 erreichte die Fluggesellschaft bei einem ausgebauten Angebot eine höhere Auslastung und beförderte über einen Fünftel mehr Passagiere als im Vorjahresmonat. Die Auslastung der Maschinen konnte insbesondere im Europageschäft nochmals gesteigert werden.
Andere Probleme, wie die Auseinandersetzung mit den ehemaligen Crossair-Piloten, hat die Swiss bislang nicht gelöst.
Als die Piloten im September 2006 streikten und ein Teil der Europaflotte einen Tag lang am Boden blieb, reagierte die schweizerische Öffentlichkeit allerdings gelassen auf das Mini-Grounding.
Matthias Mölleney erklärt das mit dem verlorenen Glorienschein. «Die Leute betrachten Swiss mehr oder weniger als eine gewöhnliche Firma. Und es gibt ja eine ganze Anzahl grosser Firmen im Land.»
swissinfo, Andreas Keiser
Der Prozess findet vom 16. Januar bis am 9. März vor dem Bezirksgericht Bülach statt.
Die Verhandlungen in der 1500 Personen fassenden Stadthalle Bülach sind öffentlich.
Die Anklageschrift umfasst 100 Seiten. Die Akten füllen 4150 Aktenordner.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat in 40’000 Arbeitsstunden mehr als 300 Personen einvernommen und 20 Haus-Durchsuchungen veranlasst.
Eine erste Version der Anklageschrift vom 30. März 2006 hat das Gericht wegen Mängeln zurückgewiesen. Die überarbeitete Anklageschrift liegt seit dem 31. Dezember 2006 vor.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch