Angriff auf Schweizer Bankgeheimnis
Die Schweizer Grossbank UBS gerät in den USA wegen Verdachts auf Komplizenschaft in einer Steuerbetrugsaffäre unter zunehmenden Druck. Ein Experte befürchtet Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz.
Ausgangspunkt der Affäre ist der ehemalige UBS-Vermögensverwalter Bradley Birkenfeld. Dieser bekannte sich am Donnerstag vor einem Bundesgericht in Florida der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig.
Er gestand, einem reichen Immobilien-Unternehmer geholfen zu haben, 200 Mio. Dollar vor den Steuerbehörden zu verbergen. Die UBS habe ihm einen hohen Lohn gezahlt und Anreize für die Tätigkeiten geschaffen, die zu der Anklage geführt hätten.
Der Staatsanwalt beschuldigte Birkenfeld und andere UBS-Angestellte, diese hätten der Bank zu jährlich 200 Mio. Dollar Gewinn verholfen, indem sie 20 Mrd. Dollar an Geldern an den US-Steuerbehörden vorbei in Steuerparadiese geschleust hätten.
Birkenfeld hatte zunächst alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Das Urteil gegen den 43-Jährigen soll am 13. August verkündet werden. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die UBS will sich zum Fall Birkenfeld weiterhin nicht äussern.
Fatale Auswirkungen
Die US-Untersuchungen seien Teil eines koordinierten Angriffs auf die umstrittene Praxis der Schweizer Banken, sagt Teodoro Cocca, Banken-Experte am Johannes Kepler-Institut in Linz.
Cocca, der früher am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich lehrte, vergleicht die amerikanischen Untersuchungen mit der Prüfung von Steuerhinterziehung in Liechtenstein. Er glaubt, dass die USA und die EU-Länder einen Angriff auf Steueroasen lancieren, die nicht mehr zu stoppen sei.
«Dies ist ein direkter und koordinierter Angriff aufs Herz des Schweizer Finanzsystems. Es ist eine langfristige Bedrohung, und die Schweiz kann nicht viel dagegen tun», sagt Cocca weiter.
Knackpunkt: Kriminialisierung der Steuerhinterziehung
Der Knackpunkt zwischen den beiden Seiten ist die Ablehnung der Schweiz, Steuerhinterziehung zu kriminalisieren. Dies erlaubt es Institutionen, sich hinter dem Bankgeheimnis zu verstecken, solange nicht Behörden anderer Staaten nachweisen können, dass Betrug vorliegt.
«Vor zehn Jahren wurde es noch akzeptiert, dass einige Offshore-Gesellschaften in Drittstaaten als Steuerparadiese fungierten. Aber die Welt hat sich verändert und im globalen Dorf von heute ist es gefährlich, sich mit unterschiedlichen Gesetzen abzusondern», sagt Cocca,
2001 vereinbarte die UBS, Einzelheiten von US-Kunden an die amerikanischen Steuerbehörden weiter zu geben, während der 2005 zwischen der Schweiz und der EU ausgehandelte Quellensteuervertrag die Schweizer Banken dazu zwingt, Zinserträge auf den Sparkonten von in der EU ansässigen Kunden zu erheben, wenn diese nicht freiwillig ihrem Heimatland Auskunft geben.
Radikaler Strategiewandel nötig
Cocca aber ist der Meinung, dass diese kleinen Kompromisse die Kritiker des Schweizer Finanzsystems nie befriedigen werden, insbesondere dann nicht, wenn die Banken Schlupflöcher nutzen.
«Früher oder später wird in der Schweiz die seltsame rechtliche Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug verschwinden oder abgeändert werden müssen.»
Wenn das geschehe, würden die Banken zu einem radikalen Strategie-Wandel gezwungen werden, weil die Steueroasen nutzenden Offshore-Banking-Kunden ihre Geschäfte eben anderswo tätigen würden, fügt Cocca hinzu.
«Die grösseren Banken wie UBS und Credit Suisse haben bereits erkannt, dass sie sich auf gefährlichem Terrain bewegen und haben begonnen, ihre Tätigkeiten den strengeren nationalen Bestimmungen (Onshore) zu unterwerfen. Kleinere Privatbanken haben eher ein Problem, da sie sich nicht mehr Investitionen in Onshore-Aktivitäten leisten können», sagt Cocca.
Am Fiskus vorbei geschleust
Wegen der Steueraffäre der Grossbank UBS in den USA haben die Schweizer Behörden eine Delegation nach Washington geschickt. Diese spricht mit den US-Justizbehörden über die geforderte Zusammenarbeit.
Die USA hatten die Schweiz am 11. Juni wegen der angeblichen Mithilfe der UBS zu Steuerhinterziehung von amerikanischen Bürgern um Zusammenarbeit ersucht.
Die US-Steuer- und Justizbehörden verlangen von der UBS die Kundendaten von bis zu 20’000 reichen US-Amerikanern. Die Behörden hegen laut der «New York Times» den Verdacht, dass sich auf der Liste Amerikaner befinden, die in den vergangenen Jahren über Schweizer UBS-Konten Geld am US-Fiskus vorbei geschleust haben.
swissinfo, Matthew Allen in Zürich
(Übertragung und Adaption aus dem Englischen: Susanne Schanda und Etienne Strebel)
Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug hat direkte Konsequenzen bezüglich der Rechtshilfe.
Steuerhinterziehung, die darin besteht, aus Versäumnis oder Absicht Einkünfte bei den Steuerbehörden nicht zu deklarieren, gilt in der Schweiz nicht als Verbrechen. Sie rechtfertigt die Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht.
Daher akzeptiert die Schweiz prinzipiell kein Gesuch um Rechtshilfe eines anderen Staates, wenn es sich um Steuerhinterziehung handelt.
Umgekehrt wird Steuerbetrug, also Fälschung von Dokumenten, um die Steuerbehörden zu täuschen, strafrechtlich verfolgt. In diesem Fall kann das Bankgeheimnis durch einen Schweizer Richter aufgehoben und Rechtshilfe vereinbart werden.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch