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Arbeitnehmer gegen Sozialabbau

1. Mai-Kundgebung 2005 vor dem Bundeshaus in Bern. Keystone

Kritik an überrissenen Managerlöhnen und die Angst vor Lohndumping waren die dominierenden Themen an den Schweizer 1. Maifeiern.

Trotz kleinerer Zwischenfälle verlief der 1. Mai ruhig. Vor allem Rechtsextremisten störten die Feiern.

Bei sommerlichem Wetter nahmen in der ganzen Schweiz Tausende von Gewerkschaftern an den zahlreichen 1.-Mai-Umzügen unter dem Motto
«Nein zum Lohndruck – Ja zur Personenfreizügigkeit» teil.

In Zürich kritisierte der Freiburger SP-Nationalrat und Gewerkschafter Christian Levrat vor gegen 4000 Teilnehmenden die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen und rief zu Widerstand gegen Sozialabbau auf.

In Basel beteiligten sich über 2000 Menschen an der 1. Mai-Feier. VPOD-Präsidentin Christine Goll warnte in ihrer Rede vor einer Demontage des Sozialstaates.

In Bern wandte sich Stadtpräsident Alexander Tschäppät vor gegen 1500 Gewerkschaftern gegen Sozialdumping. Schuld daran sei nicht die Personenfreizügigkeit, sondern die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern.

Reichtumssteuer

Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Paul Rechsteiner kritisierte in Einsiedeln im Kanton Schwyz und in Solothurn die Bereicherung der Reichen. Er forderte nationale Mindestlöhne für alle prekären Branchen. «Wir müssen dafür sorgen, dass in der Schweiz nicht nur über Managerlöhne gesprochen wird, sondern auch über die Löhne der Bauarbeiter, der Büroangestellten und des Pflegepersonals», sagte er.

Auch SP-Präsident Hans-Jürg Fehr prangerte in Thun (Bern) und Baden (Aargau)
die Top-Gehälter der Manager an und kündigte Widerstand dagegen an. Die Schweiz sei zu einer Hochlohninsel verkommen, wo jegliches Mass verloren gegangen sein.

Deshalb propagierte in Interlaken und Thun alt Bundesrat Otto Stich eine Reichtumssteuer. Auch mit einer Erbschaftssteuer zur Finanzierung der AHV könne mehr Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich geschaffen werden.

Stich warf auch die Frage auf, ob es nicht vernünftiger wäre, auf das Obligatorium der Zweiten Säule zu verzichten und dafür mit den AHV-Renten das Existenzminimum zu sichern.

Lohnschere immer grösser

SGB-Vizepräsident Vasco Pedrina sagte in Biel, es gebe langfristig keine soziale Stabilität ohne soziale Gerechtigkeit. Das Auseinanderklaffen der obersten und unteren Einkommen sei für die Betroffenen mit bescheidenen Einkommen eine existenzielle und menschliche Tragödie und für die Gesellschaft ein tickende Bombe.

Der Zuger linksalternative Grüne Jo Lang kündigte an, die Zuger Linke werde gegen jegliche weitere Steuersenkung zu Gunsten von Privilegierten das Referendum ergreifen. Zug ist der steuergünstigste Kanton der Schweiz.

Der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Serge Gaillard, warf in Schaffhausen und Berschis bei Sargans dem Bundesrat vor, den sozialpolitischen Kompass verloren zu haben.

So habe er allen Ernstes vorgeschlagen, das Einkommen der Manager weniger zu besteuern. «Wir müssen uns ernsthaft überlegen, was wir tun können, damit nicht bei den Elektrizitätswerken, den Krankenkassen, den Chirurgen an den Spitälern immer mehr Vasellas gross werden», sagte er.

Rechtsextremisten

In Aarau kam es am Samstag parallel zum 1.-Mai-Umzug zu einer Versammlung von gegen hundert Rechtsextremisten. Die Polizei erstattete Anzeige gegen den als Vertreter der rechten Szene bekannten Bernhard Schaub, der auch antisemitische Parolen geäussert habe.

In Zürich kam es im Anschluss an die offizielle 1.-Mai-Feier am Sonntag-Nchmittag auch dieses Jahr wieder zu Ausschreitungen. Links- und rechtsextreme Gruppierungen bewarfen sich gegenseitig mit Flaschen und Feuerwerkskörpern.

Auf der Luzerner Seebrücke kesselte die Polizei am Sonntag rund 100 Autonome ein und blockierte deren Weitermarsch. Der Aufmarsch der Autonomen hatte sich gegen einen von den Behörden für den 1. Mai verbotenen Aufmarsch der rechtsextremen «Partei national orientierter Schweizer» (PNOS) gerichtet.

Auch in Solothurn kam es im Vorfeld der Maifeier am Sonntag-Nachmittag zu einem Polizeieinsatz gegen rund 100 Rechtsextreme. Die Polizei setzte Gummischrot ein, drei Personen wurden verletzt, gegen 30 wurden verhaftet.

swissinfo und Agenturen

An den von den Gewerkschaften organisierten 1. Maifeiern nahmen über 10’000 Personen teil.

In Zürich, Basel und Bern waren es je rund 6000.

Vor allem rechtsextreme Gruppierungen störten die Kundgebungen.

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