Arbeitskonflikt im Baugewerbe findet kein Ende
Der Schweizerische Baumeisterverband will nach dem Nein seiner Delegierten zum Kompromiss für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag neue Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufnehmen.
Die Gewerkschaften Unia und Syna sind vom Nein der Baumeister enttäuscht und erzürnt. Sie drohen mit Kampfmassnahmen.
Man stelle sich nicht gegen einen neuen Vertrag, sagte Werner Messmer, Präsident des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV).
«Wir wollen möglichst schnell einen neuen Landesmantelvertrag», wird er in einer Mitteilung zitiert.
Die SBV-Delegierten hatten am Donnerstagnachmittag den im Dezember ausgehandelten Kompromiss massiv mit einem Stimmenverhältnis von 91 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt.
Die Ablehnung bedeute «ein Nein zum jetzigen Vorschlag – kein Nein zu einem Vertrag», wird Messmer weiter zitiert. Es handle sich also um «ein konstruktives Nein».
«Wir müssen nicht bei Null anfangen», heisst es weiter. «Aus unserer Sicht müsste es möglich sein, in den strittigen Punkten rasch zu einer vernünftigen Einigung zu kommen.»
Teilweise lägen die Probleme auch nicht weit auseinander. «Andernfalls sind wir vorbereitet auf eine längere Auseinandersetzung», hiess es.
Kompromiss nicht goutiert
Der Kompromiss befriedigte die Baumeister vor allem bezüglich der Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht. Aber auch die Mitfinanzierung der Bildungs- und Vollzugsfonds goutierten die Delegierten nicht.
Die Lohnfrage dagegen stehe nicht im Vordergrund. Bis zum Abschluss eines neuen Landesmantelvertrages (LMV) hat der SBV sich bereits im vergangenen Jahr verpflichtet, die Bestimmungen des ausgelaufenen Vertrages weiterhin einzuhalten und die für 2008 abgegebene Lohnempfehlung in den Betrieben umzusetzen.
EVD und Mediator bedauern
Im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) wird der Entscheid der Baumeister bedauert.
Man vertraue aber weiterhin darauf, dass ein Ausweg aus dem Arbeitskonflikt möglich sei und hoffe, dass beide Parteien eine Lösung fänden, sagte EVD-Sprecherin Evelyn Kobelt.
Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard war schon nach dem Zustandekommen des Kompromisses am Verhandlungstisch am vergangenen 19. Dezember zuversichtlich gewesen. Er bringe Sicherheit für beide Seiten, hatte sie kommentiert.
Auch der im Baukonflikt eingesetzte Mediator Jean-Luc Nordmann bedauert sehr, dass die Delegierten der Baumeister den von ihrem Verband selbst mitgestalteten Kompromiss abgelehnt haben.
Er bedauere das Nein zum Erreichten aus Sicht jedes einzelnen Unternehmens der Baubranche, aus Sicht der Arbeitsplätze und der Arbeitnehmer, aber auch aus Sicht des Wirtschaftsstandorts Schweiz und mit Blick auf die bilateralen Verträge mit den flankierenden Massnahmen.
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GAV
Gewerkschaften drohen mit Kampfmassnahmen
Die Gewerkschaften Unia und Syna zeigten sich enttäuscht und erzürnt. Nachverhandlungen seien nicht möglich und mit dem vertragslosen Zustand bestehe auch keine Friedenspflicht.
«Das Nein ist ein Schlag ins Gesicht», sagte Andreas Rieger, Co-Präsident der Gewerkschaft Unia. Für die Angestellten aber auch für die Branche sei dies ein schwarzer Tag.
Ganz überraschend sei der Entscheid nicht gekommen. Bereits in den letzten Tagen seien Befürchtungen herumgereicht worden. Dass es nun doch so weit kam, löse indes Wut aus.
Ewald Ackermann vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) spricht von erpresserischem Verhalten. Der SGB sei erzürnt. «Wir sind bitter enttäuscht», sagte auch Syna-Präsident Kurt Regotz.
Keine weiteren Zugeständnisse
Zu den von den Baumeistern geforderten Neuverhandlungen sind die Gewerkschaften nicht bereit. «Für uns gibt es das gesamte verhandelte Paket oder nichts», sagte Regotz. Unia und Syna fordern daher die Korrektur des «Fehlentscheides der Baumeister».
Mit dem Nein der Delegierten des Baumeisterverbandes gilt in der Branche nun bis auf weiteres der vertragslose Zustand. «Wir haben keine Friedenspflicht mehr», so Regotz. Mit der Ablehnung der Baumeister seien die Gewerkschaften gezwungen, weitere Kampfmassnahmen zu beschliessen.
swissinfo und Agenturen
Im vergangenen Mai war der Landesmantelvertrag (LMV), wie der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in der Baubranche heisst, vom Schweizerischen Baumeisterverband gekündigt worden. Ende September lief er aus.
Im Bauhauptgewerbe arbeiten rund 80’000 Beschäftigte.
Die Sozialpartner fanden lange keine gemeinsame Lösung. Die Baumeister wollten eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, um die saisonale Unterbeschäftigung im Winter zu vermeiden (Minusstunden-Regelung).
Die beiden Gewerkschaften Unia und Syna sahen darin eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Nach Warnungen wurden Mitte Oktober die Baustelle der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) am Gotthard und Baustellen in Bern, Genf und Neuenburg bestreikt.
In mehreren Schweizer Städten fanden in der Folge Grossdemonstrationen statt.
Das Volkswirtschaftdepartement stellte mit Jean-Luc Nordmann einen Mediator bereit.
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