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Asiatischer Genuss von Tessiner Feldern

Tessiner Reisfelder im Maggia-Flussdelta des Lago Maggiore. Rémy Steinegger

Auf den Schweizer Feldern spriessen nicht nur Mais und Tomaten. Vor einigen Jahren hat auch der Reis, eine typisch asiatische Pflanze, bei uns Fuss gefasst.

Anlässlich des internationalen UNO-Reisjahres werden im Tessin Führungen durch Reisfelder veranstaltet.

Bei den Reisfeldern in der Nähe von Ascona handelt es sich um die nördlichsten Europas, vielleicht sogar der Welt. Wer sich für Rekordzahlen begeistert, kann diese Tatsache im Atlas nachprüfen.

Südlich der Alpen scheint die Sonne öfter, länger und wärmer als in den übrigen Regionen Helvetiens. Nicht umsonst wird der Tessin als «Sonnenstube der Schweiz» bezeichnet. Darüber freuen sich nicht nur die Touristen, sondern auch die Landwirte.

«1997 beschlossen wir, von den traditionellen Produkten auf den Reisanbau umzusteigen. Mit Erfolg. Angefangen haben wir mit zwei Hektaren. Heute sind es ganze 52», erklärt Renato Altrocchi, Direktor des Landwirtschafts-Unternehmens Terreni alla Maggia.

In anderen Landesteilen wurde ebenfalls versucht, das asiatische Getreide heimisch zu machen. Bis zur marktfähigen Produktion hat es jedoch nicht gereicht. Offenbar stellt das Tessin klimatisch gesehen für den Reisanbau die äusserste Grenze dar.

Laut Renato Altrocchi ist das Klima allerdings nicht der einzige Faktor: «Mit dem Reisanbau ist es wie mit dem Lernen einer Fremdsprache: Es braucht Wissen und Erfahrung.»

Nicht nur freiwillig

«Der Preiszerfall bei den herkömmlichen Landwirtschaftprodukten wie Mais und Weizen machte uns zu schaffen. Da wir als Aktiengesellschaft vom Bund keine Subventionen erhalten, blieb uns nicht anderes übrig, als nach anderen Möglichkeiten zu suchen», sagt Altrocchi gegenüber swissinfo.

Fündig wurde er im benachbarten Norditalien: Im so genannten «goldenen Dreieck» des italienischen Reises zwischen Vercelli, Novara und Pavia hat der Reisanbau schon lange Tradition.

Reisanbau als Notlösung? Eigentlich nicht. «Das persönliche Interesse spielte ebenfalls eine wichtige Rolle. Es ist überaus stimulierend, ein neues Produkt einzuführen», erklärt der Tessiner Agronom.

Trockenkultur

Wer erwartet, im Tessin Felder mit unter Wasser stehenden Reispflanzen zu sehen, wird enttäuscht. Für das Maggia-Delta vor Ascona ist diese Methode schlecht geeignet.

«Die Parzellen können wegen ihrer speziellen Bodenbeschaffenheit nicht unter Wasser gesetzt werden. Wir haben deshalb beschlossen, die Pflanzungen auf der Basis von Niederschlag zu beregnen – mit dem Vorteil, dass die für die bisherigen Kulturen installierten Anlagen genutzt werden können», so Renato Altrocchi.

Mit der so genannten Trockenkultur lassen sich grosse Mengen an Wasser sparen. Es ist allerdings sehr arbeitsintensiv, ein- bis zweimal pro Woche die Felder zu bewässern.

Die Jahresproduktion an Rohreis, dem so genannten Paddy, beträgt über 240 Tonnen. Nach der Verarbeitung – Schälen, Sortieren und Polieren – bleiben rund 120 Tonnen Weissreis übrig, die auf dem Markt verkauft werden.

Reis für jeden Geschmack

Angesichts der in unseren Breitengraden ausgesprochen kurzen Vegetationszeit ist nur eine Reissorte für den Anbau im Maggia-Delta geeignet: der Loto. Eine rasch wachsende Sorte, die unter den klimatischen Voraussetzungen im Tessin gut gedeiht und sich für die Zubereitung des traditionellen Tessiner Risottos ausgezeichnet eignet.

In den letzten Jahren wurde in den Reisfeldern entlang dem Po, dem grössten Reis-Anbaugebiet Europas, mit neuen, rasch wachsenden Reissorten experimentiert.

Begnügte man sich vor hundert Jahren mit fünf oder sechs Sorten, werden heute rund fünfzig Reisarten verschiedenster Qualität angebaut. Rund ein Dutzend sind in den Auslagen unserer Geschäfte zu finden. «Es gibt für jeden Bedarf einen Reis», meint dazu Renato Altrocchi.

Kein Laborreis

Die neuen Reissorten haben der Auseinandersetzung um gentechnisch veränderte Organismen (GVO) neuen Auftrieb gegeben. Die Gentechnologie spielt bei der Entwicklung neuer Pflanzen eine zentrale Rolle und stösst oft auf heftige Kritik.

So auch der «Golden Rice», der goldene Reis, der dank Genmanipulation einen höheren Gehalt an Vitamin A aufweist.

Doch der Tessiner Agronom winkt ab. Wer auf seinem Teller keinen Laborreis sehen will, braucht nichts zu befürchten. «Unsere Schweizer Kunden – die Europäer überhaupt – wollen von GVO nichts wissen. Wir lassen deshalb die Finger davon. Das gilt für alle Produkte auf unserem Betrieb.»

swissinfo, Luigi Jorio, Ascona
(Übertragung aus dem Italienischen: Maya Im Hof)

1997: 2 Hektaren Reisfelder in Ascona
2003: 52 Hektaren
70% der Produkte werden im Tessin verkauft

Der Reis wird normalerweise auf überfluteten Feldern angebaut, um Temperatur und Feuchtigkeit konstant zu halten.

In Regionen mit wenig Niederschlag im Sommer wird die Trockenkultur vorgezogen. Damit kann Wasser gespart und vermieden werden, dass Herbizide ins Grundwasser gelangen.

Der Reis wird im Frühling gesät und im Oktober geerntet. In tropischen Ländern können bis zu drei Ernten pro Jahr eingebracht werden.

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